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nmz-archiv
nmz 2006/02 | Seite 47
55. Jahrgang | Februar
Deutscher Kulturrat
Informationen des Deutschen Kulturrates
Großer Wurf oder kleine Schritte
Die Reform des Gemeinnützigkeitsrechts steht an · Von
Olaf Zimmermann
Dass das Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht reformbedürftig
ist, hat bereits die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags
„Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ im
Juni 2002 in ihrem Abschlussbericht festgestellt. Sie hat dem nächsten
Deutschen Bundestag die Aufgabe aufgegeben, diese Reform anzugehen.
Der Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement des Deutschen
Bundestages hat diese Aufgabe im Zeitraum zwischen 2002 und 2005
angenommen und verschiedene Experten zu einer möglichen Reform
des Gemeinnützigkeitsrechts angehört. Ein abschließendes
Urteil hat sich der Unterausschuss nicht mehr gebildet, denn im
Mai 2005 hat bekannter- maßen der damalige Bundeskanzler Gerhard
Schröder erklärt, Neuwahlen anzustreben. Wie so manches
andere Vorhaben blieb also auch die Reform des Gemeinnützigkeits-
und Spendenrechts in den Kinderschuhen stecken.
Um so erfreulicher war es, dass alle im Deutschen Bundestag vertretenen
Parteien in den Antworten auf die Wahlprüfsteine des Deutschen
Kulturrates erklärt haben, dass sie die Reform des Gemeinnützigkeitsspendenrechts
angehen wollen. Die FDP erklärte dieses Vorhaben zu den wichtigen
Projekten in dieser Legislaturperiode, die SPD verwies auf eine
Expertengruppe an der neben Wissenschaftlern Vertreter der Spitzenverbände
zusammenarbeiten und auch CDU/CSU erklärten, dass Anpassungen
im Gemeinnützigkeitsrecht erforderlich sind.
Einen ersten Niederschlag haben diese Erklärungen in der
Koalitionsvereinbarung der Großen Koalition für die 16.
Legislaturperiode (2005-2009) gefunden. Hier wird als konkretes
Vorhaben zur Stärkung des Bürgerschaftlichen Engagements
die Reform des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts genannt.
Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände,
hat direkt im Dezember 2005 eine Stellungnahme zur Reform des Gemeinnützigkeits-
und Spendenrechts vorgelegt. Ausgehend von einer Beschreibung der
Bedeutung des Bürgerschaftlichen Engagements für die Gesellschaft
oder speziell im Kulturbereich für das kulturelle Leben werden
konkrete Vorschläge unterbreitet, wie das Gemeinnützigkeits-
und Spendenrecht reformiert werden sollte. Dabei hat der Deutsche
Kulturrat auch solche Vorschläge aufgegriffen, die von der
gemeinsamen Projektgruppe „Reform des Gemeinnützigkeits-
und Spendenrechts“, in der Vertreter der Bundesarbeitsgemeinschaft
der Freien Wohlfahrtspflege, des Deutschen Naturschutzrings, des
Deutschen Sportbunds, von Venro (Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit),
des Bundesverbands Deutscher Stiftungen, des Deutschen Kulturrates
sowie Fachwissenschaftler zusammenarbeiten, diskutiert werden.
Bei der Diskussion um die Reform des Gemeinnützigkeits- und
Spendenrechts gibt es zwei Diskussionsstränge. Zum einen soll
es so verändert werden, dass es für die Vereine und Stiftungen
leichter anzuwenden ist. Bestehende Unklarheiten sollen ausgeräumt
und die Bestimmungen auch für Laien verständlich gefasst
werden. Dieser Diskussionsstrang wird zumeist als „kleine
Reform“ des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts bezeichnet.
Zum zweiten wird debattiert, dass die in der Abgabenordnung aufgeführten
gemeinnützigen Zwecke aktualisiert werden sollen und darüber
hinaus eine andere Instanz zur Anerkennung der Gemeinnützigkeit
geschaffen werden soll. Diese Debatte, auch „große Reform“
des Gemeinnützigkeitsrechts genannt, zielt neben der Überarbeitung
des Katalogs gemeinnütziger Zwecke darauf ab, dass die Gemeinnützigkeit
eines Vereins oder einer Stiftung künftig von einer Fachbehörde
und nicht dem Finanzamt zuerkannt werden soll. Alternativ wird diskutiert,
dass ein Fachbeirat die Finanzbehörden berät. Damit soll
verhindert werden, dass, wie es heute teilweise der Fall ist, das
eine Finanzamt einen Verein nicht als gemeinnützig anerkennt,
das Finanzamt der Nachbargemeinde jedoch kein Problem sieht und
die Anerkennung ausspricht. Die beiden genannten Vorhaben wären
Teil einer großen Reform des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts,
die einer umfassenden Debatte bedarf. Im Kern geht es darum zu verdeutlichen,
dass Vereine, Verbände und Stiftungen ein eigenständiger
Bereich – zwischen Markt und Staat – sind und dass ihre
Autonomie geschützt werden muss.
Zu der kleinen Reform gehört zuerst, dass die Regelungen im
Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts, also besonders der Abgabenordnung,
so gefasst werden, dass sie verständlicher werden. Das Gemeinnützigkeits-
und Spendenrecht ist inzwischen so komplex, dass es für Laien
kaum mehr nachvollziehbar ist. Hierzu gehört auch, die Vordrucke
für Spendenbescheinigungen so zu verändern, dass sie praxistauglich
werden. Ebenso gehört auf den Prüfstand, dass die Finanzbehörden
die Gemeinnützigkeit immer nur vorläufig bestätigen.
Dieses bedeutet für einen Vorstand, der Spendenbescheinigungen
ausstellt, dass er stets in der Gefahr schwebt, diese Spendenbescheinigungen
zwar nach bestem Wissen und Gewissen ausgestellt zu haben, die Finanzbehörden
aber im Nachhinein dem Verein die Gemeinnützigkeit rückwirkend
aberkennen können. Der ehrenamtliche Vorstand haftet dann für
die „unrichtig“ ausgestellten Spendenbescheinigungen.
Eine weitere Änderung innerhalb des geltenden Rechts wäre
die Klarstellung, dass als gemeinnützig anerkannte Dachverbände
auch Dienstleistungen gegenüber Mitglieder, die unter Umständen
als nicht gemeinnützig anerkannt sind, erbringen dürfen,
ohne dass ihre eigene Gemeinnützigkeit in Gefahr gerät.
Diese kleine Reform ließe sich sehr rasch bewerkstelligen,
da sie innerhalb des geltenden Rechts erfolgt. Dennoch sollte die
Chance nicht vertan werden, jetzt die Gelegenheit zu einer umfassenden
Debatte um das Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht zu führen.
Die Vereine, Verbände und Stiftungen können, gerade bei
einer großen Lösung, viel gewinnen.
Olaf Zimmermann
FDP für Staatsziel Kultur
Der Deutsche Kulturrat begrüßt die Gesetzesinitiative
der FDP-Bundestagsfraktion, das Staatsziel Kultur im Grundgesetz
zu verankern. Die FDP-Bundestagsfraktion schlägt im Antrag
„Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
(Staatsziel Kultur)“ (Drucksache 16/387) vor, dass das Grundgesetz
um einen neuen Artikel 20b mit dem Wortlaut „Der Staat schützt
und fördert die Kultur“ ergänzt wird. In der Gesetzesbegründung
wird deutlich gemacht, dass das Staatsziel Kultur vor allem bei
Ermessensentscheidungen zu Gunsten der Kultur eine wichtige Argumentationshilfe
sein kann. Direkte Ansprüche können aus dem Staatsziel
Kultur nicht abgeleitet werden. Da Staatsziele für alle politischen
Ebenen gelten, wird die Kulturhoheit der Länder durch das
Staatsziel Kultur nicht verletzt. Mit dem Gesetzesentwurf wird
eine Empfehlung der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“
direkt in gesetzgeberisches Handeln umgesetzt.