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nmz-archiv
nmz 2006/02 | Seite 25
55. Jahrgang | Februar
Verbandspolitik
Musik und Naturwissenschaft – eine besondere Verbindung
Sonderpreise der Bundesapothekerkammer feiern Jubiläum –
Interview mit Präsidentin Magdalene Linz
Jubiläum kann eine besondere Art der Jugendförderung
in diesem Jahr feiern: Seit zehn Jahren vergibt die Bundesapothekerkammer
zweimal pro Jahr Sonderpreise an erste Preisträger des Bundeswettbewerbs
„Jugend musiziert“. Die jungen Ausnahmetalente erhalten
neben einem Preisgeld auch die Gelegenheit, sich während der
Pharmacon-Kongresse in Davos und Meran einem größeren
Publikum zu präsentieren. Am 15. Februar 2006 ist es wieder
so weit: Das Stepp-Quartett aus Stuttgart und der Berliner Pianist
Leon Buche werden mit Werken von Beethoven bis Haydn die Kongressteilnehmerinnen
und -teilnehmer im Schweizer Luftkurort verwöhnen. Die nmz
sprach mit der Präsidentin der Bundesapothekerkammer, Magdalene
Linz.
nmz: Seit zehn Jahren vergibt die Bundesapothekerkammer
Sonderpreise an Preisträger der Bundeswettbewerbe „Jugend
musiziert“. Wie kam es dazu, wer hatte die Idee beziehungsweise
gab den Anstoß für dieses lobenswerte Engagement?
Magdalene
Linz mit ihrem Amtsvorgänger Johannes M. Metzger.
Foto: ABDA
Magdalene Linz: Seit 1993 veranstalten wir bereits
klassische Konzerte während unserer Pharmacon-Kongresse,
das waren aber zuerst, nennen wir es jetzt einfach mal reife beziehungsweise
bekannte Künstler. Derjenige, der von unserem damaligen geschäftsführenden
Vorstand eine besonders enge Bindung zur Kunst hatte und hat,
war Werner Trockel, der damalige Vizepräsident der ABDA (Bundesvereinigung
Deutscher Apothekerverbände). Er ist selbst auch ein hervorragender
Pianist und hatte damals den Vorschlag eingebracht, Konzerte in
die Kongresse einzubauen. Zwei Jahre später nahm dann Gregor
Ulrich, der Geschäftsführer unserer Werbe- und Vertriebsgesellschaft,
zusammen mit Werner Trockel Kontakt mit der neuen musikzeitung
auf, denn er hatte die Idee, „Jugend musiziert“-Preisträger
einzubinden. So wurde der Sonderpreis der Deutschen Apothekerkammer
eingerichtet. Die Jury besteht bis heute aus Werner Trockel und
Barbara Haack vom ConBrio Verlag.
nmz: Warum setzt sich die Bundesapothekerkammer
für die musikalische Bildung der Jugend ein und warum sollten
sich möglicherweise auch andere Institutionen dieser Art dafür
einsetzen?
Linz: Hintergrund war, dass wir es für
sinnvoll hielten und halten, auch junge Leute zu fördern,
und zwar unter zwei Gesichtspunkten: einmal weil es in unseren
Augen Sinn macht, einen Ansporn zu geben und zu motivieren, und
weil wir auch festgestellt haben, dass junge Künstler mit
großer Begeisterung bereit sind, bei den Kongresskonzerten
zu musizieren, bekannte Künstler sind dagegen oftmals schwer
zu buchen, die Vorlaufzeiten sind enorm. Und so hat man, salopp
gesagt, zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Wir fördern
junge Talente, darüber hinaus können wir sicher sein,
dass diese ein wirkliches Interesse an einem Auftritt haben. Die
musische Bildung der Jugend liegt uns Apothekern als Naturwissenschaftlern
aber auch besonders am Herzen: Naturwissenschaft und künstlerische
Fähigkeiten sind häufig miteinander vergesellschaftet,
es gibt relativ viele berühmte oder bekannte Künstler,
die ursprünglich einen naturwissenschaftlichen Beruf hatten,
Nikolaus Harnoncourt zum Beispiel, aber auch andere, die ursprünglich
Naturwissenschaftler waren und beides miteinander vereinen. Also
gibt es wohl tatsächlich eine direkte Verbindung, vielleicht
von der genetischen Veranlagung her oder von der Vernetzung im
Gehirn, die diese Fähigkeiten miteinander kombiniert. Menschen
wie Carl Friedrich von Weizsäcker sind ja auch „nebenbei“
noch hervorragende Musiker. Ein weiterer Grund für unser
Engagement ist, dass in der Schule heute in meinen Augen –
ich habe auch Kinder und weiß, wie das läuft –
die musische Bildung viel zu gering eingeschätzt wird. Neben
den „normalen“ Fächern wie Deutsch, Mathematik
und Geschichte wird der Wert der beiden Fächer Musik und
Kunst falsch, oft nur als lästiges Beiwerk, das man notgedrungen
bedient, eingeschätzt. Es gibt viel zu wenige Schulen, die
eine gezielte Förderung betreiben und musische Fächer
als Schwerpunkt pflegen. Aber auch die normalen Schulen sollten
sich bewusst werden, dass man mit den musischen Fächern einen
guten Ausgleich schaffen kann. Manches Kind ist eben in den Paukfächern
nicht gut, kann aber dafür in Musik und Kunst besondere Begabung
haben.
nmz: Sie haben schon von Schulen gesprochen, also
auch von öffentlichen Schulen, vom Bildungsauftrag, wie stehen
Sie zum Verhältnis zwischen öffentlicher und privater
Förderung von Kunst und Kultur in Zeiten knapper öffentlicher
Kassen?
Linz: Ich glaube, dass Kunst eine ganz wichtige
Bereicherung unseres Lebens ist, Kunst und Kultur im Allgemeinen,
wobei die Kunst ja ein Teil der Kultur ist und Kultur nicht nur
Kunst. Ich bin der Meinung, dass man bei aller Knappheit der Kassen
trotzdem – zugegebenermaßen in einem machbaren Rahmen
– die Kultur weiter fördern muss, weil sie das Aushängeschild
eines Volkes ist. Und deswegen ist es ganz wichtig, dass die öffentliche
Hand trotzdem ein gewisses Volumen weiterhin in Kultur investiert.
Wenn da gar nichts mehr getan würde, wer bitte sollte sich
denn dann noch bemüßigt fühlen, in diesem Bereich
seine Zukunft zu suchen? Jemand, der wirklich ein Künstler
von innen heraus ist, der wird sich so leicht in meinen Augen
durch gar nichts bremsen lassen. Aber auch Künstler müssen
im Allgemeinen von irgend etwas leben. Und das ist eben der Punkt,
wenn Kunst überhaupt nicht mehr gefördert wird, weil
man meint, es sei entbehrlich, dann schadet man sich erheblich.
In Zeiten knapper öffentlicher Kassen sollten natürlich
auch Private einspringen, Stiftungen oder Organisationen wie jetzt
wir auch als Verband. Aber es kann nicht sein, dass die Privaten
die Öffentliche Hand völlig ersetzen. Der Staat hat
auch weiterhin eine Verpflichtung.
nmz: Sie sind seit circa einem Jahr als Präsidentin,
als erste Frau überhaupt, im Amt. Haben Sie bereits vorher
die Vergabe der Sonderpreise verfolgt, die Preisträgerkonzerte
besucht?
Linz: Ich habe auch vorher durchaus Kongresse
besucht, allerdings hatte ich früher als Mutter zweier schulpflichtiger
Kinder oft Schwierigkeiten, für eine ganze Woche zu einem
Fortbildungskongress zu fahren. Wenn ich aber bei den Kongressen
gewesen bin, habe ich – bis auf eine Ausnahme – immer
die Konzerte besucht.
nmz: Haben Sie das persönlich genossen?
Linz: Ja, absolut. Besonders beeindruckt war
ich von dem Konzert im letzten Jahr in Davos, das war eine sehr
ungewöhnliche Zusammenstellung – Schlagzeug und Violine.
Vor allem der Schlagzeuger Ruven Ruppik hat mich sehr beeindruckt.
Konservativere Kollegen waren zuerst von dieser Kombination auch
noch in Verbindung mit moderner Musik abgeschreckt, die Anmeldungen
liefen nicht gut. Aber nach einer flammenden Rede von Herrn Trockel
war das Konzert dann doch sehr gut besucht, und die Teilnehmerinnen
und Teilnehmer waren mehr als begeistert. Solche enthusiastischen
Beifallsstürme habe ich selten zuvor erlebt. Und das zeigt
eben auch, wie wichtig es ist, in solch einem Rahmen Menschen
an ein Konzertprogramm heranzuführen, die beim Lesen ansonsten
sagen würden: „Oh Gott, geh mir weg damit“, die
aber auf diese Art und Weise persönlich angesprochen sich
auch anderer Art von Musik nähern – sowohl vom Instrument
her, als Soloinstrument ist das Schlagzeug ja eher selten, als
auch von der Musik her. So war es sowohl für Herrn Trockel
als auch für mich höchst erfreulich, dass die Auswahl
dieses zugegebenermaßen eben doch etwas mutigen Programms
sich letztlich bewährt hat und angenommen wurde. Es ist außerdem
wirklich faszinierend zu sehen, wie diese jungen Menschen ihre
Musik lieben. Das ist ihr Leben. Und wenn man Ruven Ruppik abends
beim Essen gesehen hat, wie er immer noch mit seinen Fingern auf
dem Tisch trommelte, da merkte man, der kann gar nicht mehr anders.
Dieses Konzert war für mich wirklich ein absolutes Highlight.
Natürlich gehen nicht alle zu den Konzerten, aber die Beteiligung
ist im Allgemeinen sehr gut.
nmz: Und jetzt im Vergleich zu den Profi-Konzerten
früher – finden Sie, dass gerade diese jungen Leute gut
beim Publikum ankommen?
Linz: Ich glaube sogar, dass sie mittlerweile
teilweise besser ankommen als arrivierte Musiker. Das Konzept
hat sich bewährt.
nmz: Zum Schluss eine private Frage: Welche Rolle
hat Musik in Ihrem Haus und bei der Erziehung Ihrer Kinder gespielt?
Linz: Ich stamme aus einem sehr musikalischen
Elternhaus, gerade von der Seite meines Vaters her, da gab es
immer wieder Pastorenfamilien, die im Allgemeinen relativ viel
mit Musik zu tun haben. Mein Vater hat meiner Schwester und mir
die Liebe zur Musik vermittelt. Ich selber habe einige Jahre Klavierunterricht
erhalten, spiele auch noch, aber nur noch wenig, weil ich einfach
keine Zeit habe dazu. In der Jahres-Endphase, wenn es auf Advent
und Weihnachten zugeht, dann klappe ich auch mal wieder das Klavier
auf und spiele. Aber ich könnte mir durchaus vorstellen,
dass ich, wenn ich nicht mehr so massiv eingebunden bin in die
Standespolitik, selber wieder Klavierstunden nehme – wie
auch Herr Trockel, der das weit weniger nötig hat. Was unsere
Kinder anbetrifft – ich habe beide in die musikalische Frühförderung
geschickt. Das Ganze endete damit, dass unser Sohn Blockflöte
spielte und dann eigentlich ganz gerne umsteigen wollte auf Klarinette.
Leider hat sich das aber zerschlagen, weil bei der privaten Musikschule
der Klarinettenlehrer ausfiel, und zu was anderem hatte er keine
Lust. Unsere Tochter hatte mit acht Jahren den definitiven Wunsch,
Querflöte zu lernen. Sie hatte dann sechs Jahre Unterricht,
hat zuerst mit großer Begeisterung mitgemacht, aber wie
das so ist in der Musik – es steht und fällt mit dem
Lehrer. Anfangs hatte sie eine ganz fantastische junge Lehrerin,
die dann aber leider ein Kind bekam und ausstieg, dann folgte
ein Lehrer, mit dem meine Tochter überhaupt nicht klarkam.
Das führte dazu, dass sie natürlich die Lust am Querflötespielen
verlor, und später stellte sich sogar heraus, dass er ihr
auch noch eine falsche Technik vermittelt hatte. Danach haben
wir es noch mal mit einer anderen Lehrerin bei einer anderen Musikschule
versucht, die sich mit sehr viel Einfühlungsvermögen
bemüht hat, ihr die Lust am Spielen wieder zu vermitteln,
aber dann kam die Pubertät und Sie können sich vorstellen,
was daraus geworden ist: Die Flöte liegt jetzt irgendwo in
ihrem Zimmer. Ich hoffe aber sehr, dass sie irgendwann so weit
ist zu sagen: Ich fange wieder an.
Beide Kinder haben also zumindest ein Instrument gespielt, tun
das im Moment leider nicht mehr aktiv. Aber wir singen zum Beispiel
auch zusammen zu Weihnachten und in Teilen der Familie wird auch
Hausmusik gemacht, an der wir uns aktiv beteiligen. Musik spielt
bei uns also schon eine Rolle.