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nmz-archiv
nmz 2006/05 | Seite 40
55. Jahrgang | Mai
Oper & Konzert
Rappen mit dem Musikminister
Das School Tour Projekt zum ersten Mal in Freiburg
Im Grünen und abseits des Straßenlärms liegt die
Staudinger Gesamtschule. Es ist Freitag, 10 Uhr. Einige Schüler
laufen aufgeregt kreuz und quer über das Schulgelände.
Seit Anfang der Woche herrscht hier Ausnahmezustand, denn es ist
Projektwoche. Das heißt: kein normaler Unterricht. Stattdessen:
Projektarbeit in kleinen Gruppen.
Special guest: die School Tour. Die wollen mit etwa 60 Schülern
aus drei 7. Klassen Musikprojekte aus dem Boden stampfen. Und das
innerhalb einer Woche. Ob HipHop, Jazz oder Girl Group… Egal,
denn das Team besteht aus Musikproduzenten, Singer/Songwritern bis
hin zum Film- und Videoexperten. Unterstützung kommt auch vom
Leiter der Jazz & Rock Schule Freiburg. Das erfolgreiche Modell
der Deutschen Phono-Akademie wurde zusammen mit der Bundeszentrale
für Politische Bildung entwickelt. School Tour – das
heißt seit 2002 jährlich mehrere Schulprojekte, in denen
es um die Vermittlung von Musik und Kreativität geht.
Ziel des Ganzen ist je eine CD mit selbst komponierten, selbst
arrangierten und eingespielten Liedern, ein selbst gedrehter Videoclip
und eine Abschluss-Gala. Jürgen Stark ist Koordinator und Kopf
des Ganzen und dafür erstaunlich entspannt. „Am Anfang“,
sagt der Journalist und Autor aus Schleswig-Holstein, „muss
man erstmal alle Interessen unter einen Hut bekommen. Das ist gar
nicht so einfach.“ Im zweiten Schritt geht es dann um die
inhaltliche Auseinandersetzung. Welcher Beat passt am besten und
wie soll der Text aussehen? Zusammen mit den musikalischen Beratern
wird dann an den Ideen gefeilt, probiert und schließlich werden
die Songs aufgenommen. Wichtig ist Jürgen Stark, dass die Schüler
lernen, mit anderen zu kooperieren, konzeptionell zu denken und
sich kritisch mit der eigenen Popkultur auseinanderzusetzen.
Für das technische „Drum-Rum“ bei der Show gibt
es die so genannten Event-Manager. Das sind Schüler, die weniger
mit Musik am Hut haben, dafür lieber mit Kabeln und Mikros
hantieren. Eine dritte Gruppe bilden die Moderatoren. Die sollen
nicht nur die Künstler interviewen, sondern auch Aspekte der
Öffentlichkeitsarbeit und Werbung kennen lernen.
In einem Musikzimmer probt die Rapgruppe „MAGD(M)“
– das sind Martin, Ali, Georg und Dennis. Und wie das bei
den Rappern so ist, brauchen die auch ein paar „scharfe“
Background-Sängerinnen. Bauchnabelfrei, versteht sich! Stolz
erzählt Ali von seiner Leidenschaft zu rappen und wie sie endlich
den passenden Beat gefunden haben. Jetzt kann eigentlich nichts
mehr schief gehen, oder? Doch Andrea hat nach der gepatzten Generalprobe
Angst, dass sie die Tanzschritte wieder vergisst. Viel Zeit bleibt
nicht mehr bis zur Show und die Anspannung steigt.
Es ist 13 Uhr, die Aula gerammelt voll. Schüler, Lehrer,
Eltern stehen dicht gedrängt und die Nerven liegen blank. „Hauptsache
nicht blamieren und beim anschließenden Interview cool rüberkommen!“
Eigentlich sollte es einen viel größeren Raum geben,
doch das stört jetzt auch niemanden mehr! Am Anfang eine kleine
Slapstick-Einlage und das Eis ist gebrochen! Von den Krankschreibungen
und taktischen Arbeitsverweigerungs-Spielchen der Schüler am
zweiten und dritten Tag der Projektwoche keine Spur! Die Kids lassen
sich einfach feiern und sind völlig aus dem Häuschen.
So was hat’s vorher noch nie gegeben! Und Jürgen Stark
ist zufrieden. Am Ende wartet noch eine kleine Überraschung
auf die Schüler: Aus allen Teilnehmern sollen zwei Stellvertreter
und ein symbolischer Musikminister gekürt werden, die mit dem
School Tour Team in Verbindung bleiben. Da bekommt der ein oder
andere dann doch glasige Augen – was für eine Ehre! Zum
Schluss aber darf Ali noch mal rappen – allein und ganz ohne
Musik. Die Stimmung kocht.
Als schon alle zusammenpacken, verrät Jürgen Stark noch:
„Eigentlich ist die Staudinger Schule gut ausgestattet –
mit 15 Keyboards, ausreichend Musiklehrern und musikalischen Angeboten.
Doch irgendwie kommt das nicht an den Mann.“ Sein Rezept heißt:
keine starren Lehrpläne und mehr Mut zu Experimenten. Das wirkt
schon Wunder!