nmz 2006/05 | Seite 2
55. Jahrgang | Mai
Personalia
Personalia
Die neue musikzeitung hat ihre interaktiven Tätigkeiten ausgeweitet.
Mit dem Kulturinformationszentrum
stellen wir die engagierte Diskussion in das Zentrum der Aktivitäten
im Netz. An dieser Stelle können Fragen gestellt, Informationen
verbreitet und die Arbeiten anderer kultureller Initiativen zur
Darstellung gebracht werden.
Als die Elektronik das Mitspielen lernte
Zum Tod Hans-Peter Hallers: Er war ein spiritus rector für
Luigi Nonos Spätwerk
„Was schert mich seine elende Geige, wenn der Geist über
mich kommt“. Beethovens apokrypher Ausspruch zu Schuppanzigh
war Wasser auf die Mühlen romantischer Genie-Ästhetik:
Geist und Materie fielen auseinander, der umwölkte Genius hatte
mit kruder Realität nichts zu tun. Gemessen an manch smarter
Macher-Mentalität auch in der Neuen Musik ist das radikalidealistische
Pathos dieser Polarität nicht gering zu schätzen. Trotzdem
ist der Satz allenfalls halbrichtig. Kompositorische Stringenz und
instrumentale Praxis gehören spannungsreich zusammen. Beethoven
und das Klavier, Berlioz und das Orchester: Kompositorischer und
spieltechnischer Fortschritt bedingten einander, Instrumentenbau
und Raumklang (Bayreuth) wirkten an der Entwicklung mit; Interpreten
und Komponisten inspirierten sich wechselseitig. Ja Produktion und
Reproduktion fielen in eins, zumal in der synthetisierten elektronischen
Musik. Studiogeräte und Lautsprecher wurden zu Instrumenten
anderer Art.
Hans
Peter Haller (re.) und sein Nachfolger André Richard.
Foto: C. Oswald
Auch diese bedürfen individueller Kreativität. Die These
hat auch einen Namen: Hans-Peter Haller. Lange Jahre leitete er
das Freiburger Experimentalstudio der Heinrich-Strobel-Stiftung
des Südwestfunks. Und er war weitaus mehr als nur ein hochqualifizierter
Akustiker, Elektronik- und Computerspezialist.
Klänge der Begriff nicht anrüchig, man hätte ihn
einen Virtuosen nennen können. Ausgerechnet ein Komponist,
den man mit der Sphäre des Zirzensischen schwerlich verbindet,
Luigi Nono, hat Haller mehrfach geradezu als Wiedergeburt eines
epochalen Geigers des 19. Jahrhunderts gepriesen: Joseph Joachim.
So wie dieser an Brahms’ Violinkonzert instrumental inspierierend
quasi mitkomponiert, technische Erfahrung als Phantasiepotenzial
ins Ästhetische überführt habe, so sei Haller von
seinem Spätwerk kaum mehr ablösbar.
In der Tat haben Haller und seine Mitarbeiter enormen Anteil an
den zum Teil wahrhaft unerhörten Innovationen Nonos in den
80-er Jahren. Im Freiburger Studio wurden musikalisch-technische
Möglichkeiten entwickelt, die „über die Grenze des
Fruchtlands“ (Boulez) weit in dieses hineinführten. Es
ging nicht nur, wie in der traditionellen elektronischen Musik,
ums Sinuston-Medium, sondern ums schier trinitarische Amalgam aus
Instrument, auch Stimme, Technik und Raum. Live-Elektronik hieß
das Zauberwort; doch der Zauber war nicht der prunkender Sound-Überrumpelung,
sondern der des Leisen. Mit unvorstellbar diffizilen Prozeduren
wurden fragile Klänge, Einzeltöne mikrotonal aufgefächert,
kunstvoll verzögert, im Raum fast magisch bewegt. Nonos spätes
Hauptwerk „Prometeo“, Tragödie des Hörens,
lebt aus diesen Sonoritätswanderungen, bereitete ganz neue
Erfahrungen, Werk und Wiedergabe verschmolzen latent ineinander,
konfrontieren die Nono-Rezeption mit der Frage nach Original und
Authentizität. Ohne Hallers ingeniöse Transzendierung
des bloß Technischen wären manch mystische Prozesse nicht
entstanden. Aber Haller war nicht nur ein alter ego Nonos: Boulez’
„Répons“, Serockis „Pianophonie“,
selbst Schnebels Studien für zwei Klaviere lebten mit und von
den Freiburger Zaubereien, Beleg für die undogmatische Offenheit
für divergente Ästhetiken, auch der Jüngeren.
Haller, 1929 geboren am Bodensee, ursprünglich Kirchenmusiker
und Komponist, leitete 1972 bis 1989 das Experimentalstudio. Zu
Ostern ist er gestorben. Sein Nachfolger ist der Komponist André
Richard. Im „Ländle“ gibt es Begehrlichkeiten,
analog zur Demontage des Stuttgarter SWR-Vokalensembles, auch das
Studio abzuwickeln. Eine Kulturpolitik, die halbwegs diesen Namen
verdient, diskreditierte sich damit selbst. [Gerhard R.
Koch]
Zum Tod des Jazzgeigers Schnuckenack Reinhardt
Der Jazzmusiker und Geigenvirtuose Schnuckenack Reinhardt ist am
Samstag, den 15. April 2005 im Alter von 85 Jahren gestorben. Das
teilte der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg mit.
Der Präsident des Zentralrats, Romani Rose, hob Reinhardts
Verdienste um den so genannten Zigeunerjazz hervor. Reinhardt, ein
Vetter des legendären Gitarristen Django Reinhardt, habe diese
Musik der Sinti und Roma wie kein anderer geprägt und populär
gemacht. Schnuckenack Reinhardt, am 17. Februar 1921 im pfälzischen
Weinsheim geboren, studierte am Mainzer Konservatorium Musik. Während
der NS-Zeit wurde er 1940 nach Polen verschleppt. Dort gelang ihm
zusammen mit seiner Familie die Flucht. Das 1967 gegründete
Schnuckenack Reinhardt Quintett war Vorbild für zahlreiche
weitere Formationen - etwa die Ensembles von Hänsche Weiß
oder Titi Winterstein. Auch jüngere Virtuosen wie die Gitarristen
Bireli Lagrène und Joscho Stephan orientieren sich an der
Reinhardt-Tradition.
Gottfried Böttger Klavierspieler des Jahres
Der Komponist, Pianist und Moderator Gottfried Böttger wurde
in diesem Jahr im Rahmen der Frankfurter Musikmesse als „Klavierspieler
des Jahres“ ausgezeichnet. Diese Ehrung wird vom Fachverband
Deutsche Klavierindustrie an Persönlichkeiten vergeben, die
sich für das Klavierspielen und die Förderung des aktiven
Musizierens verdient gemacht haben. Böttger sei ein Mann, der
sich nicht nur dem Ragtime, Blues, Boogie-Woogie und Swing verschrieben
habe, sondern der sich auch häufig und gerne an die klassische
Musik herantaste. Mit diesem umfangreichen Gesamtrepertoire spreche
er ein vielschichtiges Publikum an, heißt es in der Erklärung
der Jury. Böttger, Vorstandsmitglied des Deutschen Komponistenverbandes,
hat sich in den vergangenen Jahren auch als Spezialist im Bereich
„Musik und Computer“ einen Namen gemacht. Er lehrt an
der Hamburger Universität und ist Professor für Mediendidaktik
an der Fachhochschule Anhalt. In seiner Dankesrede verwies Böttger
auf die Bedeutung des Urheberrechts in der digitalen Welt. Das Bewusstsein
für den Wert des geistigen Eigentums gelte es zu wahren und
zu stärken.
Auszeichnungen
Im 2. Internationalen Henri-Marteau Violinwettbewerb 2005 gingen
jeweils vier Preise in der Alterskategorie bis zu 17 Jahren an Danae
Papamatthäus-Matschke (Griechenland), Paula Sumane (Lettland),
Sarah Christian (Deutschland) und Nozan Bartanab (Israel), in der
Gruppe 18 bis 25 Jahre an Stefan Tarar und Rebekka Hartmann (Deutschland),
Sang-Mee Huh (Korea) und Zolt-Tihamer Visontay (Deutschland/Ungarn).
Der Kulturkreis der deutschen Wirtschaft zeichnete in Rostock die
Gewinner seines Wettbewerbes für Harfe aus, für die Förderpreise
von insgesamt e 12.000 vergeben werden: in der Kategorie Interpretation
Sololiteratur an Antonia Schreiber (21) aus München, die als
erste Preisträgerin auch die Auftragskomposition „Crows“
von Harrison Birtwistle uraufführte. Den 2. Preis mit e 1.500
erhielt Emilie Jaulmes (geb. 1981) aus St. Martin d`Heres/Frankreich.
In der Kategorie Orchesterliteratur nahm Jie Zhou (geb. 1981) aus
Shanghai/China den 1. Preis entgegen.
Im Bremer Klavierwettbewerb 2005 erhielt David Meier aus Lübeck
sowohl den 1. Preis als auch die Sonderpreise des Publikums und
drei Förderprämien für die besten Interpretationen
von Bach, Beethoven und der Auftragskomposition „Drei Stufen“
von Violeta Dinescu. Maria Svoskina aus Moskau erhielt den 2. Preis
und eine Förderprämie für eine Schumann-Interpretation.
Ein 3. Preis wurde nicht vergeben. Barbara Giepner aus Willich wurde
für die beste Interpretation eines zeitgenössischen Werkes
ausgezeichnet. Eine Doppel-CD stellt David Meier und Maria Svoskina
mit ihren ausgezeichneten Interpretationen vor.
Beim Wettbewerb Klavier im 20. Jahrhundert belegten der Franzose
Wilhelm Latchoumia und die beiden Griechen Prodromos Symeonidis
und Emis Theodorakis die ersten Plätze.
Der ZKM-Preis Karlsruhe, ein Integrations-Projekt mit den Europäischen
Bell Days, wurde unter 21 Bewerbern dem Argentinier Mario Verandi
zugesprochen, zwei zusätzliche Preise den deutschen Komponisten
Andre Bartezki und Frank Niehusmann. Für die elektroakustischen
Manipulationen mit Bell-Sounds können die Preisträger
an ihren Kompositionen im Zentrum für Kunst und Medien-Technologie
arbeiten.
Der Stuttgarter Komponist Georg Wötzer erhält den mit
12.500 € dotierten Maria-Ensle-Preis der Kunststiftung Baden-Württemberg.
Damit wird Wötzer, geboren 1946, der an der Musikhochschule
Stuttgart Musiktheorie und Computermusik unterrichtet, für
seinen „autonomen Weg in der algorithmischen Komposition“
geehrt.
Der italienische Komponist Salvatore Sciarrino ist der erste Preisträger
des mit 100.000 Euro dotierten Musikpreises Salzburg. Davon gibt
der Preisträger 20.000 Euro als Förderungspreis an einen
jungen Komponisten seiner Wahl weiter, und zwar an den 32-jährigen
italienischen Komponisten Francesco Filidei.