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nmz-archiv
nmz 2006/05 | Seite 30
55. Jahrgang | Mai
DTKV Bayern
Wie steht es um die privaten Musiklehrer?
Umfrage und Ergebnisse zur Situation des privaten Musikunterrichts
Auf der Delegiertenversammlung 2005 des Landesverbandes Bayerischer
Tonkünstler wurde eine Befragung zur Situation der privaten
Musiklehrer in Bayern beschlossen. Mit dieser Befragung sollte einerseits
geklärt werden, ob die Einführung des G8 in Bayern auf
den privaten Musikunterricht Auswirkungen hat und wie sich die Rahmenbedingungen
des Musikunterrichts dadurch verändern.
Ziel war und ist die Entwicklung neuer Strategien und Ansätze,
um in einer geänderten und sich weiter ändernden Situation
adäquat reagieren zu können. Bedeutend für Aktivitäten
des Verbandes ist auch die Information darüber, wie sich die
Einkommens-struktur im Bereich der privaten Musiklehrer darstellt.
Zunächst wurde der befragte Personenkreis auf die privaten
Musiklehrer, deren musikpädagogische Befähigung und Unterrichtsqualität
vom Landesverband überprüft und durch ein Zertifikat bestätigt
wurde, begrenzt. So konnte eine sehr hohe Rücklaufquote von
73% erreicht werden, die Befragung nach sorgfältiger Erstellung
eines Fragebogens sehr zügig abgewickelt und eine schnelle
Auswertung sichergestellt werden.
77% der Befragten erwirtschaften zwischen 80-100% ihres jährlichen
Gesamteinkommens durch rein freiberufliche Tätigkeiten. 60%
der Befragten erzielen 100-80% ihres Gesamteinkommens und noch einmal
23% der Befragten 60-80% ihres Gesamteinkommens aus einer musikpädagogischen
Tätigkeit. Diese Zahlen machen nun zweierlei deutlich:
Zum einen überwiegt eindeutig der musikpädagogische Anteil
an der freiberuflichen Tätigkeit, zum anderen ist die musikpädagogische
Tätigkeit für viele Kolleginnen und Kollegen ohne zusätzliche
andere Einkommensquelle nicht ausreichend zur Existenzsicherung.
Der Anteil der Privaten Musiklehrer, die neben ihrer freiberuflichen
Tätigkeit zusätzlich auf andere Einkommensquellen wie
zum Beispiel Musikschuldeputate angewiesen sind, wird sicher unter
den bisher nicht zertifizierten Kolleginnen und Kollegen erheblich
höher sein.
Durchschnittlich unterrichten die Befragten 34 Schüler, von
denen 9 das G8 besuchen. 49% bemerkten fast immer beziehungsweise
häufig Leistungseinbußen bei den G8-Schülern, immerhin
noch einmal 22% gaben an, diese Beobachtung bei etwa der Hälfte
zu machen.
Beim überwiegenden Anteil der Befragten ist das G8 fast immer,
häufig oder etwa zur Hälfte (zusammen 60%) Thema im Unterricht,
und 17% gaben an, dass das G8 fast immer als Hinderungsgrund beim
Üben genannt wird. Noch einmal 32% der Befragten gaben an,
dass dies häufig genannt wird.
Ermüdungs-, Erschöpfungs- und Unlusterscheinungen werden
bei 10% fast immer und bei 31% der Befragten häufig bei ihren
G8-Schülern festgestellt.
Auf die Frage „Wie viel Freizeit hat Ihr Kind durchschnittlich?“
gaben 37,3% der befragten Eltern an, ihr Kind hätte wenig Freizeit,
und 10,4% gaben an, ihr Kind hätte kaum Freizeit. 25,8% gaben
an, ihr Kind müsse auf bisherige Freizeitaktivitäten verzichten,
22,4% sahen ihr Kind durch die Stoffmenge überfordert. 18,9%
der Eltern, die Kinder in G8 und G9 haben, erkannten Unterschiede
in Stoffmenge und Hausaufgabenzeit zwischen G8 und G9.
Bei den Fragen zur Stundenplangestaltung entsprechen sich die
Aussagen über die gemachten Erfahrungen seit Einführung
der G8-Stundentafel und die Erwartungen für Schwierigkeiten
mit der Fortschreibung des G8 in höhere Jahrgänge. Die
Gestaltung der Stundenpläne im privaten Musikunterricht wird
zusehends schwieriger. Insgesamt bestehen überwiegend begründete
Sorgen um die eigene berufliche Zukunft, und auch der Ausblick auf
die in den nächsten Jahren hinzukommenden höheren Jahrgangsstufen
des G8 führen zu einer deutlich überwiegend skeptischen
Zukunftseinschätzung.
Als absolut problematisch für die berufliche Existenz der
Privaten Musiklehrer wird der Ausblick auf eine eventuelle Ganztagsschule
gesehen, wobei diese in Bayern in der voll gebundenen Form mit rhythmisiertem
Unterricht bisher flächendeckend nicht geplant ist. Allerdings
geben die neuesten Ankündigungen aus dem Kultusministerium
über die Umgestaltung von vorerst zehn Grundschulen zu Ganztagsschulen
und einer später geplanten Verdopplung dieser Einrichtungen
durchaus Anlass zur Sorge. Einerseits sind damit erstmals alle Schultypen
von der Grundschule über Haupt- und Realschule bis zum Gymnasium
in der Form der Ganztagsschule installiert, andererseits ist die
überraschend schnelle Einführung des G8 nach einigen wenigen
Pilotprojekten noch deutlich in Erinnerung.
Es stellt sich nun die Frage nach entsprechenden Handlungsansätzen.
Um die höhere Belastung und zeitliche Einschränkung der
G8-Schüler durch Stundentafel (höhere Stundenzahl), Hausaufgaben
und Lernzeit im Instrumentalunterricht aufzufangen, bleibt eigentlich
nur ein Weg. Kinder müssen bereits sehr frühzeitig an
das Instrumentalspiel herangeführt werden, damit sie beim Übertritt
auf eine weiterführende Schule bereits über einen soliden
spieltechnischen und musikalischen Grundstock verfügen. So
können Engpässe und Rückschläge durch besondere
schulische Anforderungen langfristig aufgefangen und abgefedert
werden. Ein frühzeitiges Beginnen mit einer Instrumentalausbildung
erfordert natürlich entsprechend kind- beziehungsweise altersgerechte
musikpädagogische Konzepte und Methoden. Auch sollten Instrumentallehrer/-innen
ganz konkret die Kooperation mit Lehrkräften aus den Bereichen
Musikalische Früherziehung, Musikalische Grundausbildung (MFE/MAG)
suchen beziehungsweise anstreben. Dies kann in Form von losen Absprachen
unter Kollegen über konkrete Arbeitsgemeinschaften wie PriMus-Fürth
bis hin zu organisatorisch straff strukturierten Musikinstituten
geschehen.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang allerdings auch, dieser Grundlagenarbeit
im Bereich MFE/MGA und dem frühinstrumentalen Unterricht den
entsprechenden Stellenwert zukommen zu lassen – ohne Grundlage
kein weiterer Unterricht. Es ist also an der Zeit, sich auf die
Fundamente der musikpädagogischen Arbeit zu besinnen und hier
solide und engagierte Arbeit zu leisten, wenn uns nicht eines nicht
allzu fernen Tages das ganze Haus des Instrumentalunterrichts zusammenstürzen
soll.
Im Bereich der Stundenplangestaltung bleibt den privaten Musiklehrern
nur, auf ihre ganz persönliche Trumpfkarte der individuellen
Stundenabsprache im Rahmen von Einzel- und Kleingruppenunterricht
zu setzen. Im Fall einer verbindlichen allgemeinen Einführung
der Ganztagsschule in Bayern würde der private Musikunterricht
– wie übrigens in allen Ländern (England, Frankreich,
Finnland, et cetera), in denen diese Schulform verpflichtend ist
– in der bisherigen Form nicht mehr existieren können.
Es ist dabei kein Trost, dass die privaten Musiklehrer dieses Schicksal
mit vielen Sport- und Musikvereinen, Chören und wahrscheinlich
auch den Musikschulen teilen würden. Die Einzigartigkeit und
Vielfalt der musischen Bildung und der kulturellen Landschaft Bayerns
wäre durch einen solchen Schritt beendet.
Frank Hartmann (Vorsitzender des Ausschusses Private
Musiklehrer im Landesverband Tonkünstler)