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nmz-archiv
nmz 2006/05 | Seite 24
55. Jahrgang | Mai
Hochschule
Erst denken, dann losrennen
Eine Exkursion zur Frankfurter Musikmesse als Projekt für
Studierende
Musikgeschäfte drohen aus Kostengründen langsam zu verschwinden.
Die übrig gebliebenen unter ihnen reduzieren drastisch ihre
Auswahl an vorrätigem Unterrichtsmaterial. Regional kann Unterrichtsmaterial
häufig nur noch per Internet oder per Fernbestellung über
den Großhandel bezogen werden. Da ist die Musikmesse Frankfurt
unbestritten eine Pflichtveranstaltung für Musikstudenten,
aber auch für Instrumentalpädagogen und Schulmusiker.
Wo sonst gibt es für Musikstudenten ein vollständigeres
Angebot, einen besseren Überblick über den Markt an Unterrichtsmaterial?
Wo sonst erfahren sie, was sich aus Mangel an Qualität nicht
zu kaufen lohnt? Und wo gibt es mehr wichtige und nützliche
Informationen für das Studium, spätere Berufsfelder und
den Aufbau einer eigenen Gebrauchsbibliothek für Studium und
Beruf?
Studierende
im Messe-Gespräch. Foto: Ruth-Iris Frey-Samlowski
Aber wer weist den Studenten einen Weg durch den Dschungel des
Angebots? Wer lehrt sie gezieltes Suchen, Begutachten, Kennenlernen,
Vergleichen und Bewerten von Noten, Büchern, Software und Instrumenten,
wenn sie nicht mit Informationen erschlagen werden sollen? Wer lehrt
sie, aus dem Schlendern genaues, planvolles, ebenso effizientes
wie effektives Hinschauen zu entwickeln? Wie also muss der Messebesuch
aussehen, der optimale Langzeitergebnisse bringt?
„Exkursion Musikmesse als Projekt“ ist eine kombinierte,
bereits an verschiedenen Musikhochschulen durchgeführte Lehrveranstaltung.
Sie bietet Studenten die Möglichkeit, einen Messebesuch als
Projekt zu planen, durchzuführen und nachzubereiten. Im Rahmen
der hauptfachübergreifenden Instrumental- und Gesangsdidaktik
und Methodik wie auch der Schulmusik ist eine solche Exkursion mit
Studierenden nachweislich eine wertvolle und zugleich lustvolle
Erfahrung, von der sie für sich und auch für ihren späteren
Unterricht mit ihren jungen Messebesuchern – den Schülern
– sehr profitieren. Erst denken, dann losrennen! Zunächst
gibt es eine Projektplanung, die – wie nützlich –
nicht nur in gleicher Weise auf den alljährlichen Musikmessebesuch
anzuwenden ist, sondern auch als Arbeitstechnik auf viele andere
Projekte übertragen werden kann. So werden die Weichen für
einen professionellen, erfolg- und ertragreichen Messebesuch und
zukünftige andere Projekte gestellt:
Erst die Ziele, dann die Grob-, die Fein- und die Individualplanung
und so weiter. Wie sieht denn nun eine solche Messeplanung aus?
Im zeitigen Vorfeld während der Projektplanung finden die Studenten
im Internet Messetage, Messeplan, Preise und Anfahrtsmöglichkeiten
– die leichteste Übung. Die Entscheidung für die
Fachbesuchertage ist dann die logische Konsequenz – Musikstudenten
sind ja die zukünftigen Fachleute und eine Exkursion in dieser
Art und Weise braucht die Atmosphäre der Fachbesuchertage.
Die Anfahrt zur Messe ist nach der Entscheidung für das Verkehrsmittel
und mit dem Wissen um die Öffnungszeiten einfach zu planen.
Zusätzlich ist eine Liste der mitzunehmenden privaten Dinge
sowie Studentenausweis und ähnliches – als Aufgabe im
Strukturplan nicht vergessen – sehr wichtig. Treffpunkte zum
Synchronisieren der Gruppe sind zu vereinbaren, und Handynummern
von allen für alle als Kommunikationsmittel gehören auf
die Notfallliste.
Komplizierter ist dann schon, zu Projektbeginn die zentrale Entscheidung
für einige wenige Ziele mit der Fragestellung „Was will
ich gesehen und erfahren haben?“ und die Entscheidung für
zwei, drei Tagesschwerpunkte sowie für eine kleine Auswahl
wichtiger Sachgebiete mit Prioritäten im Konsens zu fällen.
Dies erleichtert und steuert gezielt die nachfolgende Planungsarbeit.
Darin wird ein Aufgabenplan als systematischer Strukturplan (welche
Aufgaben gehören dazu?) und ein grober Zeitrahmen (mit Pausen!)
erstellt. Beides sollte den Studenten aus der Berufskunde schon
bekannt sein. Nach diesem Raster suchen sie die notwendigen elektronischen
Informationen zu Messeanbietern und Sortiment, nicht zu vergessen
zu Podiumsdiskussionen, Präsentationen von Unterrichtsmaterialien
und Instrumenten, Workshops, Preisverleihungen, und zum sonstigen
pädagogischen Angebot und Konzerten heraus. Sie bewerten diese
Informationen und passen den generellen Plan individuell an. Gespräche
und Bewertungen sind wichtiger Bestandteil eines Messetages. Zur
gezielten Vorbereitung ist es notwendig, die Stände, die Gesprächspartner
und die Gesprächsinhalte und -struktur bereits jetzt zu erarbeiten.
Vor Ort ist dazu keine Zeit, also heißt es ein Standardgespräch
mit den wichtigsten Punkten auszuarbeiten und Stände sowie
Gesprächspartner aus dem Internet herauszuarbeiten.
Nun geht es an die Aufteilung der geplanten Kontakte und die Absprache
darüber in der Studentengruppe. Die Liste der allein oder in
Grüppchen zu besuchenden Stände und die Aufstellung der
zu besuchenden zeitgebundenen Veranstaltungen werden nach Prioritäten
geordnet. Es folgt die Planung der Route (Zeit- und Wegeplan). Der
Plan der Messehallen ist dabei für die Ortung der gesuchten
Stände und die Planung einer effizienten Laufroute nützlich.
So zeigt sich dann sehr bald, wie voll der Tag sein wird. Wird es
notwendig sein, einen weiteren Tag anzufügen und zu planen,
oder ist es besser, stattdessen Themen zu streichen? Gibt es genügend
Zeit für Pausen vor Ort, für Gespräche und für
Unvorhergesehenes? Es muss auch individueller Freiraum zum Schmökern,
Schnuppern und für Besuche nach eigenem Interesse eingeplant
sein. All das muss in den Zeitplan eingearbeitet sein, denn gerade
eine so genaue Recherche und detaillierte Planung mit Zeitraster
spart letztlich Zeit und erlaubt erfolgreiche Standbesuche.
Die Projektplanung ist abgeschlossen, die Exkursion geht los:
Wir treffen uns am Eingang. Die Einzelrouten der Gruppe werden nach
Plan abgearbeitet. Jetzt gewinnen die Kriterienkataloge aus der
Allgemeinen Instrumentaldidaktik oder der Fachmethodik für
die Bewertung von Instrumentalschulen oder anderem Literaturangebot
eine neue, wichtige Bedeutung. Durch sie wird eine schnelle und
qualifizierte Bewertung der Neuheiten der Verlage möglich.
Vorträge, musikpädagogische Projekte und Präsentationen
werden mit geschärftem pädagogischen Auge betrachtet und
analysiert. Aber Achtung! Allein die Möglichkeit der Unternehmen
und der Vortragenden, sich auf der Messe zu präsentieren, bürgt
noch längst nicht für besondere Qualität. Die Studenten
nehmen gut vorbereitet die Bewertungen selbst vor und machen Notizen
– hier helfen die vorbereiteten Gesprächszettel.
Bereits auf der Rückfahrt oder zu Hause werden die Notizen
vom Messerundgang aufgearbeitet. So wird zum Beispiel geeignete
Literatur bestellt oder wenigstens für eine spätere Nutzung
wieder auffindbar notiert, werden neue Ideen notiert und später
ausgearbeitet und neue Kontakte mit Gesprächsnotizen protokolliert.
Auch ein Mängelbericht kann die Effizienz eines nächsten
solchen Projektes steigern, um nur einiges zur Nachbereitung zu
erwähnen.
Im Plenum wird schließlich berichtet, bewertet und Projektbilanz
gezogen: Haben wir die Projektziele erreicht und wie lässt
sich diese erste Planung mit Zeitersparnis auf weitere Projekte
transferieren? Ein erfolgreicher Musikmessebesuch, als Projekt und
mit entsprechenden Schwerpunkten geplant, ist selbstverständlich
mit arbeitsamer Vor- und Nachbereitung verbunden, er führt
aber zu größerem Erfolg als ohne Planung und befriedigt
obendrein individuelle, eigene Interessen. Müde Füße
und das Schleppen von Prospekten gehören jedoch auch bei bester
Planung dazu. „Wenige schreiben, wie ein Architekt baut, der
zuvor seinen Plan entworfen und bis ins einzelne durchdacht hat;
vielmehr die meisten nur so, wie man Domino spielt“, sagt
Schopenhauer. Es soll auch jene geben, die Domino auf der Musikmesse
spielen…