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nmz-archiv
nmz 2006/05 | Seite 24
55. Jahrgang | Mai
Hochschule
Immanenter Zug zum Ganzheitlichen erwünscht
Zur Gründung des „Instituts für Musikermedizin“
(FIM) in Freiburg
Es ist eigentlich erst ein gutes Jahrzehnt her, seit Musikermedizin
in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Damals haben sich
an der gesundheitlichen Betreuung von Musikern beteiligte Institutionen
zur „Deutschen Gesellschaft für Musikphysiologie und
Musikermedizin“ (DGfMM) zusammengeschlossen, und seit 1992
finden regelmäßig Kongresse auf nationaler wie auf internationaler
Ebene statt. Als Zentren wären in Deutschland die Musikhochschule
Hannover (Prof. Altenmüller) oder die Universität Leipzig
zu nennen, ohne dass bereits von einer hinreichenden Institutionalisierung
des Faches Musikermedizin in der Hochschullandschaft gesprochen
werden könnte.
Wohl nicht zuletzt deshalb wurde im Verlauf der letzten Monate
in Freiburg das „Institut für Musikermedizin“ (FIM)
ins Leben gerufen, eine Institution, in deren Anlage deutlich konturierte
Alleinstellungsmerkmale auszumachen sind. Zwar ist das Institut
(wie in Hannover auch) zunächst einmal an der Freiburger Musikhochschule
angesiedelt, es gibt jedoch überdies eine Kooperation mit der
Freiburger Universitätsklinik. Diese Dualität drückt
sich nicht allein in zwei gleichrangigen Standorten aus, sondern
sie spiegelt sich durchgängig in Personen und Strukturen: Mit
Bernhard Richter und Claudia Spahn wurden zwei Professoren berufen,
von denen der erste konzertierender Sänger und praktizierender
HNO-Arzt ist, Claudia Spahn ihrerseits ihre künstlerische
Ausbildung mit dem psychotherapeutischen Spezialfach vereint.
In der umfassenden Verbindung von Musik und Medizin, welche hier
gewissermaßen auf zwei Säulen firmiert – dem Gebäude
in der Hansastraße (vor allem Forschung und Lehre) sowie
dem Schwesterinstitut im Klinikbereich, dessen Personal die Atem-,
Sprech-, Stimm- und Physiotherapie vertritt, liegt mithin ein immanenter
Zug zum Ganzheitlichen begründet.
Wer sind nun die Zielgruppen des FIM? Zunächst einmal alle
Personen (auch jenseits der Musik!), deren Heiserkeit man bisher
keinen Krankheitswert zumessen mochte – insbesondere Lehrer,
aber auch Erzieherinnen in Kindergärten oder andere Personen
des öffentlichen Lebens. Einen weiteren Schwerpunkt bilden
naturgemäß Sänger, darüberhinaus Musiker mit
berufsbedingten Haltungsschäden oder anderen physiologischen
Beschwerden. Die Erfahrung weniger Monate zeigt, dass viele Patienten
bereit sind, weite Wege auf sich zu nehmen. Oftmals haben sie bereits
mehrere andere Ärzte konsultiert oder aber fühlen sich
mit ihren spezifischen Problemen nicht hinreichend verstanden. Letzteres
gilt allzumal für jenen Personenkreis, der zuvor ausschließlich
orthopädisch behandelt wurde. Und so ist das FIM bereits jetzt
eine Anlaufstelle, die stützt, begleitet, flankierende Maßnahmen
ergreift. Wo sonst gibt es, jenseits von Betablockern, fachkundige
Hilfe für Lampenfieber und Aufführungsstress? Im Forschungsbereich
läuft bereits seit 1999 an der Freiburger Musikhochschule ein
von der Deutschen-Forschungs-Gemeinschaft (DFG) unterstütztes
Projekt, das Studenten über Jahre hinweg nach Leistungsfähigkeit
und Befindlichkeit befragt. Langfristiges Ziel ist hier ein Präventionsmodell,
das in ein langfristiges Betreuungskonzept einmünden soll.
Weitere Forschungsvorhaben (zum Beispiel Gehörschäden
im Orchester) stehen kurz vor der Umsetzung.