[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2006/05 | Seite 15
55. Jahrgang | Mai
Musikwirtschaft
Alarmierender Preisverfall
Die Bilanz der GEMA auf ihrer Jahrespressekonferenz
Musik prägt unseren Alltag in einem ständig wachsenden
Maße. Zu den bekannten Aufführungsformen in Konzert und
Radio treten immer neue Medien wie Klingeltöne, iPods, MP3-Player,
selbstgebrannte CDs, Webradios oder digitales Fernsehen. An dieser
explodierenden Musiknutzung sind allerdings, wie die GEMA auf ihrer
Berliner Jahrespressekonferenz beklagte, die Urheber nicht angemessen
beteiligt. Dabei fordert das Urheberrechtsgesetz ausdrücklich
eine angemessene Beteiligung der Musikautoren an dem durch ihr geistiges
Eigentum erzielten wirtschaftlichen Erfolg. Trotz aller Bemühungen
der großen deutschen Urheberrechtsorganisation sinkt die Vergütung
des Autors für seine einzelnen Werke kontinuierlich. Dies liegt
nicht nur an der großen Zahl illegaler Musik-Downloads im
Internet, sondern auch an schlechteren Bedingungen bei legaler Musiknutzung.
Gerade im Bereich der Online-Lizensierungen, wozu die Klingeltöne
gehören, konnte sich die GEMA gegenüber den Netz-Betreibern
und der phonographischen Wirtschaft nicht ausreichend durchsetzen.
Von ihrem Ziel, bei Musiknutzung in diesem Bereich zwölf Prozent
vom Endverbraucherpreis zu erhalten, ist sie noch weit entfernt.
Auch die Tonträgerindustrie profitiert immer weniger vom rasanten
Anwachsen des Musikkonsums. Die schon oft beklagte Stagnation in
diesem Bereich setzte sich 2005 fort, so dass auch hier für
die Urheber geringere Einkünfte abfielen. Dagegen konnte der
Einnahmenrückgang bei Rundfunk und Fernsehen gestoppt werden.
Im Geschäftsjahr 2005 gab es beim Hörfunk sogar eine leichte
Steigerung zu verzeichnen: die Einnahmen stiegen von 229,5 Mio.
Euro (2004) auf 233 Mio. Euro, was sich auch den 2005 erhöhten
Rundfunkgebühren verdankt. Obwohl insgesamt die GEMA-Erträge
um 5,7 Prozent anwuchsen und so 731,9 Mio. Euro an Urheber und Rechteinhaber
verteilt werden konnten, war Vorstandssprecher Jürgen Becker
mit diesem Ergebnis nicht wirklich zufrieden. Denn zur Verbesserung
der Bilanz trugen auch einmalige Erträge bei, etwa verspätete
Ausschüttungen nach einem Tarifstreit.
Die Rahmenbedingungen haben sich erschwert. Der Wert des geistigen
Eigentums wird in Deutschland wie auch in Europa mehr und mehr in
Frage gestellt. So bedeutet die von der Bundesregierung vorgelegte
Novelle zum Urheberrechtsgesetz („Korb 2“) eine erhebliche
Verschlechterung für die Urheber. Dies betrifft vor allem die
Vergütungsansprüche für private Vervielfältigung.
Bei DVD-Brennern wurden bislang zur Rechtevergütung 9,21 Euro
pro Gerät abgeführt. Die jetzt vorgeschlagene Prozentregelung
würde die dadurch erzielten Einnahmen auf die Hälfte reduzieren.
Insgesamt scheint die Bundesregierung den Lobbyisten der Herstellerindustrie
mehr Gehör zu schenken als den musikalisch kreativen Menschen.
Diese Missachtung des geistigen Eigentums werde die GEMA, so Jürgen
Becker, nicht hinnehmen: „Wir werden in den nächsten
Wochen alles daran setzen, um dieser politisch-wirtschaftlichen
Koalition gegen den Musikurheber entgegenzutreten und die geplante
Enteignung der Autoren zu verhindern.“
Ein scharfer Wind weht der GEMA auch aus Brüssel entgegen,
wo eben- falls Marktargumente den Schutz des geistigen Eigentums
gefährden. Die EU-Wettbewerbskommission hat pauschal allen
europäischen Verwertungsgesellschaften Mitgliedschafts- und
Gebietsbeschränkungen vorgeworfen, die sie als Verstöße
gegen das europäische Kartellverbot wertet. Die GEMA, die deutsche
Interessenvertretung der Musikautoren, setzt sich dagegen zur Wehr
und hofft auf die Kraft der Argumente.