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nmz-archiv
nmz 2006/05 | Seite 34
55. Jahrgang | Mai
ver.die
Fachgruppe Musik
Mehr Anerkennung, mehr Schutz
Die Rechte des ausübenden Künstlers im neuen Urheberrechtsgesetz
Das Urheberrecht ist in den letzten Jahren verstärkt zum
Regelungsgegenstand auf internationaler, europäischer und nationaler
Ebene geworden. In Deutschland wurde das Urheberrechtsgesetz (UrhG)
bekanntlich im Jahre 2003 geändert. Mit dieser Neufassung wurde
auch das Recht des ausübenden Künstlers reformiert. In
vielen Punkten sind die Rechte der ausübenden Künstler,
auch der Musiker, denen der Urheber angenähert worden. Hier
ein Überblick über die wichtigsten Neuregelungen.
Wer ist ausübender Künstler? Die Einordnung als ausübender
Künstler ist für den einzelnen Kreativen von entscheidender
Bedeutung. Nur wer ausübender Künstler ist, kann die im
UrhG genannten Rechte geltend machen. Weil in der Praxis ein großer
Teil dieser Rechte von der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten
(GVL) wahrgenommen, ist es wichtig, dort Mitglied zu werden. Voraussetzung
ist ebenfalls, dass man ausübender Künstler ist.
Ausübender Künstler ist nach § 73 UrhG, wer entweder
ein Werk oder eine Ausdrucksform der Volkskunst (Volksdichtung,
Volkstanz, Volkslieder oder Volksmusik) selbst darbietet oder darbietend
mitwirkt. Das Gesetz schützt damit die eigene künstlerisch-intellektuelle
Leistung (Darbietung) eines Interpreten. Darunter fallen Sänger-
und Musikersolisten, Schauspieler, Tänzer, Synchronsprecher,
Quizmaster, Dirigenten, Chorleiter und Regisseure. Bei Chor- und
Ensembleleistungen geht das Gesetz davon aus, dass alle daran aktiv
beteiligten Personen ausübende Künstler sind. Wer nur
eine artistische, sportliche oder nicht-künstlerische Leistung
erbringt, wird vom Gesetz nicht als ausübender Künstler
geschützt. Darunter fallen auch Masken-, Bühnen- und Kostümbildner;
ihre Werke können aber urheberrechtlich geschützt sein,
wenn sie eine bestimmte Gestaltungshöhe erreichen. Umstritten
ist die Einordnung für den Tonmeister. Er ist ausübender
Künstler, wenn er auf den künstlerischen Eindruck einer
Aufnahme maßgeblich einwirken kann und soll.
Die Rechte des ausübenden Künstlers im Überblick:
Das Gesetz teilt die Rechte des ausübenden Künstlers in
zwei Gruppen ein: das Interpretenpersönlichkeitsrecht und die
wirtschaftlichen Rechte des Interpreten. Das Interpretenpersönlichkeitsrecht
schützt die persönlich-geistigen Beziehungen des ausübenden
Künstlers zu seiner Interpretation. Neu und für den Interpreten
besonders wichtig ist das Anerkennungsrecht in § 74 Abs. 1
UrhG. Es berechtigt den ausübenden Künstler gegen andere
vorzugehen, die seine Interpreteneigenschaft bestreiten oder sich
fälschlicherweise selbst als Interpret einer konkreten Darbietung
ausgeben. Das Wichtigste ist das dem Interpreten ausdrücklich
und ohne Beschränkung eingeräumte Namensnennungsrecht.
Er allein kann bestimmen, ob und wie sein Name bei einer Interpretation
genannt wird. Wenn eine Darbietung auf einem Tonträger aufgenommen
ist und vermarktet wird, dann kann der Interpret verlangen, auf
dem Cover der CD-Hülle genannt zu werden. Bei einem Live-Auftritt
oder einer Sendung ist der Interpret vorher anzukündigen. Wird
gegen diese Bestimmung verstoßen, kann der Künstler Unterlassung,
Beseitigung der Beeinträchtigung und bei einem schuldhaften
Verstoß sogar Schadensersatz verlangen. Der Interpret hat
diese Sanktionsmöglichkeiten nicht, wenn er es dem anderen
ausdrücklich gestattet hat, die Interpretenbezeichnung zu ändern
oder ganz zu unterlassen. Das sollte nur im Rahmen von schriftlichen
Verträgen erfolgen. Nicht vertraglich vereinbarte, aber branchenübliche
Beschränkungen können dagegen das schrankenlos gewährleistete
Namensnennungsrecht grundsätzlich nicht einschränken.
Das Gesetz ist hier eindeutig.
Neben dem Anerkennungsrecht schützt das Gesetz die Darbietung
vor einer Beeinträchtigung ohne oder gegen den Willen des Interpreten,
§ 75 UrhG. Damit werden alle Vorgänge erfasst, die von
einer Änderung der Darbietung bis zu ihrer Entstellung reichen
und geeignet sind, Ruf und Ansehen des ausübenden Künstlers
zu schädigen. Das Gesetz will damit sicherstellen, dass der
Interpret in der Öffentlichkeit anerkannt bleibt und sein Ansehen
steigern kann (Rufinteresse), dass er sein künstlerisches Anliegen
in der Öffentlichkeit unverfälscht durchsetzen kann (Wirkungsinteresse)
und dass seine festgelegte Darbietung unverändert fortbesteht
(Bestandsinteresse). Eine Beeinträchtigung liegt vor, wenn
etwa eine auf CD aufgenommene Interpretation von Leonard Bernsteins
„West Side Story“ zur Untermalung einer Autowerbung
im Kino benutzt wird, was der Interpret für unvereinbar mit
seiner künstlerischen Auffassung hält. Allerdings ist
zu beachten, dass der ausübende Künstler einem anderen
vertraglich gestatten kann, seine Darbietung zu verändern,
etwa durch Remastering von Musikaufnahmen. Dem ausübenden Künstler
ist jedenfalls zu raten, die Fälle, in denen eine Änderung
erlaubt ist, so genau wie möglich schriftlich festzuhalten.
Geht der Vertragspartner nämlich über die ihm erlaubten
Grenzen hinaus, macht er sich unter Umständen schadensersatzpflichtig.
Hinsichtlich der wirtschaftlichen Rechte des Interpreten ist es
lediglich zu kleineren Anpassungen gekommen. Der Interpret hat das
ausschließliche Recht, seine Darbietung auf Bild- und Tonträger
aufzunehmen und diesen Datenträger zu vervielfältigen,
§ 77 UrhG. Seit neuestem hat der Interpret auch das ausschließliche
Recht zur Internet-Darbietung § 78 Abs. 1 Nr. 1 UrhG. Daneben
sind die Rechte der öffentlichen Wiedergabe derart eingeschränkt,
dass sie nur die Erstverwertung der Live-Darbietung erfassen und
sich nicht auf die Zweitverwertung der Tonträger erstrecken,
§ 78 Abs. 1 UrhG. Diesbezüglich stehen dem Künstler
Vergütungsansprüche zu, § 78 Abs. 2 UrhG, die in
der Praxis von der GVL geltend gemacht und von ihr an die Künstler
verteilt werden. Diese Vergütungsansprüche können
grundsätzlich an andere übertragen werden, § 79 Abs.
1 UrhG. An den Ausschließlichkeitsrechten können dagegen
anderen nur Nutzungsrechte eingeräumt werden, § 79 Abs.
2 UrhG. Dadurch verliert der Interpret diese Rechte nicht völlig.
Er behält einen Anspruch auf angemessene Vergütung, er
muss zustimmen, wenn sein Vertragspartner die Rechte an einen Dritten
übertragen möchte und er kann das Nutzungsrecht wieder
„heimholen“, wenn sein Vertragspartner es unzureichend
ausübt. Bemerkenswert ist, dass der Interpret dieses Recht
auch hat, wenn das Unternehmen des Vertragspartners von einem anderen
Unternehmen aufgekauft wurde. Diese Rechte gelten für ausübende
Künstler in Arbeits- oder Dienstverhältnissen nur eingeschränkt.
Für alle Darbietungen des Interpreten, die arbeitsvertragliche
oder dienstrechtliche Pflichten erfüllen, kann sich aus dem
Arbeits- oder Dienstverhältnis Abweichendes ergeben, §
79 Abs. 2 Satz 2, § 43 UrhG. Somit gelten jetzt für Arbeitnehmerurheber
und Arbeitnehmerinterpreten dieselben rechtlichen Voraussetzungen.
Hier kommt es ganz auf den Einzelfall an und wie er durch Tarifverträge,
Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträge geregelt wird. Wenn
eine Künstlergruppe etwas gemeinsam darbietet und die Nennung
jedes einzelnen Mitgliedes einen unverhältnismäßigen
Aufwand verursachen würde, besteht nur ein Anspruch darauf,
als Künstlergruppe genannt zu werden, § 74 Abs. 2 Satz
1 UrhG. Die wirtschaftlichen Rechte stehen dann nicht jedem einzelnen
Mitglied anteilig zu, sondern müssen als Einheit von allen
gemeinsam geltend gemacht werden, § 80 Abs. 1 UrhG. Das Gesetz
ordnet an, dass die Künstlergruppe gesetzlich nach außen
durch einen Vorstand vertreten wird. Hat die Künstlergruppe
keinen gewählten Vertreter, dann steht die Vertretungsbefugnis
dem Leiter zu. Hat sie auch keinen Leiter, muss die Künstlergruppe
aus ihrer Runde einen Vertreter wählen, den sie mit der Wahrnehmung
der Aufgaben betraut.