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nmz-archiv
nmz 2006/06 | Seite 33
55. Jahrgang | Juni
Deutscher Kulturrat
Dringender Beratungsbedarf erkannt
Erste Bewegung in Sachen Korb II: Urheberrecht in der Informationsgesellschaft
Es ist sehr erfreulich, wenn Abgeordnete bekennen, dass sie noch
deutlichen Beratungsbedarf bei einem Gesetzgebungsverfahren sehen
und dass ihre eigene Position noch nicht festgelegt ist. Diese Offenheit
der Abgeordneten des Deutschen Bundestags beim Parlamentarischen
Abend des Deutschen Kulturrates zum „Entwurf eines Zweiten
Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“
Mitte Mai hob sich wohltuend von vielen zur Zeit stattfindenden
Debatten, wie zum Beispiel der Föderalismusreform, ab, bei
denen schon am Beginn der Diskussion das Ergebnis unverrückbar
festzustehen hat.
Bereits in der letzten Legislaturperiode hatte die Bundesregierung
einen Referentenentwurf vorgelegt, der bei den so genannten beteiligten
Kreisen auf harsche Kritik stieß. Der Deutsche Kulturrat hat
sich am 9. November 2004 deutlich zum Referentenentwurf positioniert
und die vorgesehene Regelung zur Vergütungsabgabe abgelehnt.
Der Deutsche Kulturrat hat darauf hingewiesen, dass die Gefahr besteht,
dass die Urheber die ihnen zustehende angemessene Vergütung
nach der neuen Regelung nicht mehr erhalten. Wie der Deutsche Kulturrat
haben sich auch andere Verbände gegen die vorgesehene Regelung
zur Vergütungsabgabe gewandt. Auf Grund der vorgezogenen Neuwahlen
wanderte der Referentenentwurf zunächst in die Schreibtischschubladen
im Justizministerium und wurde zu Beginn der laufenden Legislaturperiode
wieder hervorgeholt.
Bemerkenswerter Weise wurde beim nunmehr vorliegenden zweiten Entwurf
eines „Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in
der Informationsgesellschaft“ die Kritik nicht nur nicht aufgenommen,
es wurde vielmehr die Position der Urheber nochmals geschwächt.
Nunmehr ist vorgesehen, dass die Vergütungsabgabe nicht mehr
als fünf Prozent des Gerätepreises betragen darf. Ebenso
fällt die Vergütungsabgabe erst an, wenn zumindest zehn
Prozent urheberrechtsrelevante Kopien mit einem Gerät, das
heißt einem PC, einem Scanner, einem Brenner, einem Faxgerät
und so weiter erstellt werden. Es ist jetzt schon abzusehen, dass
die Computerindustrie diese zehn Prozent zunächst verneinen
wird und dann nach langwierigen Verfahren, bei denen beide Seiten
Gutachten anfertigen müssen, eine Einigung zwischen der Com-
puterindustrie und den Verwertungsgesellschaften, die die Vergütungsabgabe
erhal- ten und dann an die Künstlerinnen und Künstler
weitergeben, erzielt werden kann. Die Dummen werden die Künstlerinnen
und Künstler sein, die voraussichtlich über einen langen
Zeitraum auf ihre Vergütung warten müssen, die dann auch
noch deutlich niedriger ausfallen dürfte als heute…
Der Deutsche Kulturrat hat sich in einer Stellungnahme am 7. Februar
2006 deutlich gegen den Entwurf eines „Zweiten Gesetzes zur
Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“
gewandt. Der Deutsche Kulturrat hat in seiner Stellungnahme gefordert,
dass die Einführung einer Obergrenze der Vergütungsabgabe
ersatzlos gestrichen werden soll. Wenn man sich vergegenwärtigt,
dass die Bundesregierung selbst in zwei Vergütungsberichten
darauf verwiesen hat, dass eine Anpassung der Vergütungssätze,
die seit 1985 unverändert bestehen, dringend erforderlich ist,
wird umso unverständlicher, warum nunmehr die Vergütung
der Künstlerinnen und Künstler durch die Einführung
einer Obergrenze zusätzlich eingeschränkt werden soll.
Weil das Thema den Verbänden der Urheber und der Rechteinhaber
so unter den Nägeln brennt, hat der Deutsche Kulturrat am 10.
Mai 2006 einen Parlamentarischen Abend zur Vergütungsabgabe
in den Räumen der Dresdner Bank am Pariser Platz in Berlin
veranstaltet und die Abgeordneten über ihre Sorgen und Befürchtungen
informiert. Im Mittelpunkt des Parlamentarischen Abends stand allein
das Thema Vergütungsabgabe, obwohl den anwesenden Mitgliedern
des Fachausschusses Urheberrecht des Deutschen Kulturrates sicherlich
noch andere Themen am Herzen lagen.
Sehr erfreulich war die Offenheit der anwesenden Abgeordneten.
Abgeordnete aller Fraktionen machten deutlich, dass ihre Meinungsbildung
noch nicht abgeschlossen ist. Sie zeigten sich offen gegenüber
den Argumenten aus dem Kulturbereich, ließen aber keinen Zweifel
daran, dass sie sich ebenso offen die Argumente der Gegenseite,
der Computerindustrie, anhören werden. Es besteht also noch
Hoffnung, durch gute Argumente die Abgeordneten zu überzeugen.
Zugleich heißt dies aber auch, in den Anstrengungen nicht
zu erlahmen, die eigene Position zu vertreten.
Ein kleiner Erfolg wurde zwischenzeitlich auf Seiten der Länder
erreicht. Im Bundesrat haben der zuständige Rechtsausschuss,
der Wirtschaftsausschuss und der Kulturausschuss zwischenzeitlich
den Gesetzesentwurf beraten. Der Kulturausschuss hatte empfohlen,
die vorgesehene Fünf-Prozent-Regelung zu streichen. Er machte
deutlich, dass die Vergütung der Urheber nicht von den Geschäftsinteressen
der Computerindustrie sowie des Handels abhängig gemacht werden
darf. In der Bundesratsberatung am 19. Mai 2006 wurde die Empfehlung
des Rechtsausschusses des Bundesrats und des Wirtschaftsausschusses
des Bundesrats angenommen, wobei die beiden Ausschüsse zwar
nicht so eindeutig für eine Streichung der Fünf-Prozent-Klausel
eingetreten sind, aber immerhin empfehlen, diese Klausel noch einmal
zu überdenken. Damit kommt auch von Länderseite noch einmal
Bewegung in die Verhandlung des Zweiten Korbs. Bundeskanzlerin Merkel
hat jüngst während ihrer Chinareise unterstrichen, dass
das Geistige Eigentum an Bedeutung gewinnen muss. Sie wandte sich
damit deutlich gegen die in China weit verbreitete Produktpiraterie.
Der Schutz des Geistigen Eigentums darf sich aber nicht allein auf
das Patent- und Markenrecht konzentrieren, so wichtig diese Rechte
für die Entwicklung neuer Produkte sind. Schutz des Geistigen
Eigentums heißt ebenso Schutz der künstlerischen Werke
und eine angemessene Vergütung der Künstler, wenn die
Werke im gesetzlich erlaubten Rahmen privat kopiert werden.
Die Anhörungen zum Entwurf eines „Zweiten Gesetzes zur
Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“
werden voraussichtlich in diesem Herbst stattfinden. Da ist noch
viel Zeit, um die Abgeordneten des Deutschen Bundestags und die
Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass die Regelungen
zur Vergütungsabgabe dringend geändert werden müssen.
Im Mittelpunkt des Urheberrechts müssen die Künstler stehen.
Das Urheberrecht trägt dazu bei, dass sie ihre ökonomische
Existenz sichern. Dieses wird der Deutsche Kulturrat unmissverständlich
deutlich machen.
Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen
Kulturrates.