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Ausgabe 2006/06
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nmz 2006/06 | Seite 28
55. Jahrgang | Juni
Jeunesses Musicales Deutschland

Mensch – Musik – Gemeinschaft

Zum Wettbewerbskonzept der Jeunesses Musicales Deutschland

Am 29. und 30. März fand im Bildungshaus Kloster Schöntal ein Symposion der Kulturstiftung Hohenlohe zum Thema „Förderung junger Streicher-Talente“ statt. Uli Wüster, Generalsekretär der Jeunesses Musicales, war aufgefordert, im Rahmen der Veranstaltung das Wettbewerbskonzept der JMD vorzustellen. Seinen Vortrag drucken wir hier in gekürzter Form ab. Zunächst präsentierte Wüster die grundsätzlichen Werte des Verbandes, die bereits im „Kitzinger Manifest“ von 1953 formuliert wurden. Bereits damals gipfelte das Leitbild im zentralen Satz des Schriftstücks: „Der Mensch ist Mittel- und Ausgangspunkt aller Musik.“ Der Wertekanon heute ist gekennzeichnet durch die Begriffsfolge „Mensch – Musik – Gemeinschaft“. Aufbauend darauf erläuterte Uli Wüster den Wettbewerbsgedanken der JMD. Anschließend präsentierte er drei konkrete Wettbewerbe, die – jeder in seiner besonderen Zielsetzung – die Ideale der JMD beispielhaft verkörpern:

Wenn für die JMD der Mensch im Mittelpunkt der Musik steht, dann interessiert uns als Allererstes, welche Wirkungen die Wettbewerbssituation auf das Erleben, auf das „Wahr-Nehmen“ und Em- pfinden, aber auch auf das Handeln von Menschen hat oder haben kann.

Wettbewerb ist Herausforderung, mobilisiert stille Reserven, manchmal ungeahnte Potenziale, lässt den Menschen im besten Falle Übermenschliches leisten, jedenfalls aber regelmäßig über sich hinauswachsen. So weit, so gut. Insofern Wettbewerb in der Musik eine solche als positiv und begeisterungssteigernd erlebte Situation im jungen Musiker herbeiführt, in der er aufnahmebereit und erlebnisoffen agieren kann, ist es eine sehr wichtige methodische Maßnahme im musikalischen Bildungs- und Ausbildungsprozess. Daher gehört Wettbewerb als solcher ganz unbedingt zum Förderkonzept der JMD.

Beim Wettbewerb geht es anthropologisch im tiefsten Innersten immer um Sieg oder Niederlage – eine existenzielle Angelegenheit. Wettbewerb ist eine evolutionäre Entwicklungsstrategie, die dem Fittesten, wie Darwin es ausdrückte, den Erfolg sichert. Wobei sofort eine kleine semantische Klippe interessiert, indem nämlich „the fittest“ gern als der im sportlichen Sinne am besten Trainierte gilt, wobei Darwin eher an den „am besten Angepassten“ dachte. Sei dies wie es sei, beide Wettbewerbsfolgen – Sportlichkeit oder Angepasstheit – bieten dem Wettbewerb in der Musik fundamentale Angriffsflächen. Wie oft ist zu beobachten, dass das olympische „Höher-Weiter-Schneller“ als Leistungsmerkmal des Musizierens ganz fraglos anerkannt wird, bei Wettbewerben als Urteilskriterium willkommen ist, weil es messbar zu sein scheint und weil es eben sensationell ist, also auf deutsch: weil es die Sinne kitzelt.

Da dieses Letztere immerhin eine ästhetische Qualität darstellt, sowohl beim Ausführenden als auch beim Zuhörenden, also etwas mit „Wahr-Nehmung“ und daher mit Wahrheit und Wachheit des Empfindens zu tun hat, lassen wir es einmal als legitimes Wettbewerbsziel auch in der Musik stehen. Bliebe es indes das einzige, hätte es wenig mit dem wesentlichen Humanum unserer Kulturmusik zu tun und würde kaum bis ins Innere der Seele reichen.

Menschliches im Wettbewerb

Das zweite Darwin‘sche Fitnesskriterium, das Angepasstsein, müssen wir rigoros ablehnen und sogar bekämpfen: Das Sich-Anpassen an das, was die Jury wohl gerne hören würde. Die Orientierung an Erfahrungswerten routinierter Ausbilder, die vielleicht gar selbst die Juryperspektive kennen, das Pawlow‘sche Konditioniertsein auf die Belohnung in Folge des Bedienens stereotyper Erwartungshaltungen und Schemata. Hier bleibt der musizierende Mensch völlig auf der Strecke.

Um das Menschliche der Wettbewerbssituation aufzusuchen, es herauszufordern und zu fördern, ist es aber wichtig einzuschätzen, welches hohe Maß an Konzentration, Spannung, Zielrichtung, Ausdauer, aber auch an emotionalen Kräften bei den Teilnehmern mobilisiert und freigesetzt werden kann – wenn, ja wenn nämlich diese Tugenden verbunden bleiben und sich richten auf das Aufspüren und Freilegen der menschlichen Dimensionen der Musik: ihr Erkennen als Ausdruck einer inneren Regung, das empathische Mitempfinden, das alle technischen Voraussetzungen als Notwendigkeit erkennen lässt und nicht als Selbstzweck; aber auch auf die Richtung des Musizierens als das Mitteilen-Wollen ihres Gehaltes an die Zuhörenden, der Impetus, als Musizierender gleichzeitig auch Musik Vermittelnder zu sein, ein Medium, ein Kommunizierender.

Damit ist zugleich auch schon angesprochen, was Musizieren erst zu einer Kulturleistung macht – das, was die JMD in ihrem zweiten Artikel beschreibt: Im Wege der authentischen Begegnung mit der Musik gelingt es dem Menschen erst, auch deren Anforderungen, die sie an ihn richtet, zu begreifen. Alles, was in den Noten steht, bekommt seinen Sinn nicht schon im Abspielen, sondern erst in der plastischen Darstellung. Und erst, wenn Qualitäten erzielt werden, die als Beschaffenheit von Musik und nicht als vergleichsfähige Messgrößen zur Erscheinung kommen, dann hat der musizierende Mensch seine Verantwortung gegenüber seinem Gegenstand erfüllt.

Ein Letztes, um auch den Artikel der Gemeinschaft aus unserem Credo noch kurz anzusprechen: Im Deutschen ist der Begriff „Wettbewerb“ durchaus sehr materiell: „sich um die Wette bewerben“ heißt doch nichts anderes als vornehmlich an den ausgelobten Preis denken, um den davonzutragen man angetreten ist – „the winner takes it all“.

Uns, der Jeunesses Musicales, sagt hier der englische Begriff „competition“ oder der in den romanischen Sprachen übliche Ausdruck „Concours“ und so weiter eher zu, letzterer direkt verwandt mit unserer „Konkurrenz“, die ja bekanntlich das Geschäft belebt. Aber nicht deswegen, sondern weil in diesen Wörtern die lateinische Vorsilbe oder „con“ bedeutungsprägend ist, die für „gemeinsam“, „zusammen“, „miteinander“ steht. Sie trägt ein positives, ungemein motivierendes Element in die Wettbewerbsidee, im Sinne eines mit Beziehung aufeinander veranstalteten Tuns in den Vordergrund stellt, nicht das Trennende, sondern die „Kol-Legialität“ – wörtlich: das Miteinander Verbundensein – und damit letztendlich auch dem Wesenkern der Musik als „Kom-Munikationsform“ viel näher steht.

Wettbewerbsmodelle der JMD

Ich möchte, um auch an dieser Stelle unseren dreiteiligen Wertekern zu verdeutlichen, drei andere Wettbewerbe der JMD ansprechen.

Zuerst einen zum Begriffsfeld „Mensch im Mittelpunkt“. Das ist unser „Bundeswettbewerb Komposition. Schülerinnen und Schüler komponieren“. Neuerdings haben wir ihm das Motto „Musik im Kopf“ gegeben – und hier sind wir mitten im Thema. Es geht uns bei diesem Wettbewerb zunächst einmal um die Entdeckung kompositorischer Begabungspotenziale bei Schülerinnen und Schülern im Alter von 12 bis 21 Jahren. Hier kommen Ergebnisse zusammen, die gar nicht messend miteinander vergleichbar sind.

Unser Preis besteht in der Teilnahme der bis zu 30 „Gewinnern“ an der „Kompositionswerkstatt Schloss Weikersheim“. Hier beschäftigen sich gestandene Komponisten mit Erstlingswerken und reiferen Früchten, und zwar ernsthaft und kollegial, gemeinsam in der Gruppe. Hier beschäftigen sich aber auch Profimusiker mit den Werken, studieren sie unter Anleitung der jungen Komponisten vollgültig und professionell ein, bestreiten deren öffentliche Uraufführung und zeichnen sie gemeinsam mit einem echten Tonmeister auf CD auf. Diese Würdigung als Musikschaffende, diese intensive Erkundung des musikalischen Universums, in dem sie sich ihrer eigenen künstlerischen Persönlichkeit bewusst werden können, führt die oftmals regelrecht einsam in ihren häuslichen oder schulischen Milieus, die ihnen wenig Verständnis oder Hilfestellung bieten können, suchenden und arbeitenden jungen Kreativen jeweils einen wichtigen Gradus weiter ad parnassum.

Das zweite Beispiel für eines unser Wettbewerbsmodelle fokussiert mehr auf den durch „Musik“ als Absolutum bezeichneten Wertekreis: Unser Internationaler Opernkurs und hier vor allem die Auswahlprozesse der jungen Gesangssolisten und -solistinnen. Ganz klar geht es, wenn sich alle zwei Jahre rund 200 Talente um die paar zu vergebenden Gesangspartien bewerben, um einen Wettbewerb, ja sogar um einen unverblümten „Ausscheid“.

Anders als andere Gesangswettbewerbe suchen wir bei der „Jungen Oper Schloss Weikersheim“ aber nicht etwa den fertigen Don Giovanni, die vollendete Violetta. Und es geht bei uns auch nicht zu wie bei „Deutschland sucht den Superstar“. Unsere Vorsingen sind verbunden mit einem Workshop, in dem Trainings zur Bühnenpräsenz, zur Körperarbeit, zur Darstellung beim Auftritt geboten werden. Unsere Auswahlvorsingen werden begleitet von einer berufsorientierenden Information und von einer anschließenden Beratung.

Als drittes Beispiel bin ich Ihnen jetzt noch einen Wettbewerb schuldig, der unser drittes Zielgebiet „Gemeinschaft“ betont: Das ist der Deutsche Jugendorchesterpreis. Hier geht es nicht um das Ziel einer persönlichen Bereicherung als Wettbewerbsmotivation, hier steht die Gemeinschaft des Orchesters im Mittelpunkt. Und daher findet es die Schirmherrin dieses Wettbewerbs, Bundesjugendministerin Ursula von der Leyen, „eine beeindruckende Idee“, dass die Jurys neben der Qualität des musikalischen Ergebnisses und neben der Originalität und Kreativität der Umsetzung des jeweiligen programmatischen Mottos auch und vor allem das Teamwork im Orchester beurteilen, mit dem die Jugendlichen ihr Konzertprojekt selbstständig und eigenverantwortlich auf die Beine gestellt haben.

Nach diesen Ausführungen können Sie hoffentlich auch in unserem Slogan „Join the music“ mehr als einen modischen Anglizismus sehen: Für die Jeunesses Musicales Deutschland ist Wettbewerb niemals ein Selbstzweck, sondern wir versuchen, seine Ausprägungen von unserer zentralen Förderintentionen leiten zu lassen, dass er ein aufregender Weg zur authentisch erlebten Einheit des Menschen mit der Musik sowie zur Gemeinschaft von Menschen in dem auf diese Weise erschlossenen Reich der Musik sein kann.

 

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