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nmz-archiv
nmz 2006/06 | Seite 9
55. Jahrgang | Juni
Magazin
Die Transmission der überzeugenden Kraft
Zur Münchner Ausstellung „Iannis Xenakis – Architektur
und Musik“
Kunst geht manchmal sonderbare Koalitionen ein. Die zwischen Musik
und Architektur hat im Grunde nicht diesen Status des Besonderen,
schon immer spürten Kunstphilosophen das untergründige
Band zwischen Klang- und Raumkonzeptionen. Nur wenige Kunstwerke
freilich weisen diesen vermuteten Zusammenhang definitiv nach.
Glissando-Verlaufskurven
in Iannis Xenakis‘ Komposition „Metastaseis“,
deren strukturelle Ideen auch in die Konzeption des Philips-Pavillon
einflossen.
Quelle: Boosey & Hawkes
Bei Iannis Xenakis (1922–2001) ist das grundsätzlich
anders: allein schon deshalb, weil er sowohl Architektur als auch
Musik studierte und auch auf beiden Gebieten arbeitete (der Entwurf
des Philips-Pavillons für die Weltausstellung in Brüssel
1958 in Zusammenarbeit mit Le Corbusier, daneben die Ausgestaltung
des Dominikanerklosters La Tourette nahe Lyon sind markanteste Beispiele
für sein architektonisches Wirken). Aber es geht weiter. Für
Xenakis ließen sich strukturelle Ideen, die etwa für
die Musik entwickelt wurden, auf den Bereich der Architektur übertragen
und umgekehrt. Die Verlaufskurven etwa, die er für sein Orchesterwerk
„Metastaseis“ von 1954 entwarf, flossen auch in die
Konzeption des Philips-Pavillons ein. Xenakis hat selbst dazu geäußert:
„Im Philips-Pavillon verwirklichte ich den Grundgedanken von
,Metastaseis‘. Wie in der Musik, so war ich hier an der Frage
interessiert, ob es möglich sei, von einem Punkt zu einem anderen
zu kommen, ohne die Kontinuität zu unterbrechen. In ,Metastaseis‘
führte mich dieses Problem zu den Glissandi, während beim
Philips-Pavillon das Ergebnis die hyperbolischen Parabolformen waren.“
Hier offenbaren sich grundlegende ästhetische Einsichten von
Xenakis. Das unbesehene Übertragen von Bauprinzipien von einer
Kunst auf die andere würde nur zu starren Ergebnissen führen.
Aber es gibt tiefer liegende Berührungspunkte, die in jeder
Kunstgattung zu spezifischen Ausformungen führen und dennoch
das Gemeinsame der Idee im dreifachen Hegel‘schen Sinne aufheben.
Schönheit, die Kraft des Überzeugenden lassen sich transmittieren,
ohne dass sie ihre Zwingkraft aufgeben müssen. Solche Gedanken
wurden kreativ gestellt bei der Ausstellung: „Iannis Xenakis
– Architektur und Musik“, die im Münchner Haus
der Architektur (Waisenhausstraße 4) am 23. März 2006
eröffnet wurde und noch bis zum 30. Juni dauert (Montag bis
Freitag).