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nmz-archiv
nmz 2006/06 | Seite 14
55. Jahrgang | Juni
Musikwirtschaft
Kulturbranding als Kulturburning?
Internationaler Kulturkongress „Starke Marken“ in
Ludwigsburg
Angesichts einer ständig wachsenden kulturellen Angebotsvielfalt,
einem deutlich geänderten Rezipientenverhalten und immer knapper
werdenden finanziellen Mitteln, werden in den letzten Jahren Begriffe
wie „Markenbildung“ und „Markenartikel“
auch im Kultursektor immer wichtiger, um sich im verschärfenden
Wettbewerb um die Gunst des Publikums und der Geldgeber behaupten
zu können.
Was aber gehört zu einer starken Marke, wie wird man zur Marke
und welche Potentiale ergeben sich daraus? Was unterscheidet sie
von anderen, was bietet sie mehr? Diesen und weiteren Fragen gingen
Experten aus Wissenschaft und Praxis beim (mit rund 200 Teilnehmern)
gut besuchten Kongress „Starke Marken – Forum Kulturmarketing“
des Instituts für Kulturmanagement am 11. und 12. Mai 2006
an der Pädagogischen Hochschule in Ludwigsburg nach.
Während die private Kulturwirtschaft die Chancen und Möglichkeiten
einer starken Markenbildung bereits sehr früh und nachdrücklich
begriffen und sich zu eigen gemacht hätte, bestehe insbesondere
bei den öffentlich getragenen beziehungsweise unterstützten
Kulturbetrieben noch enormer Nachholbedarf, stellte der Leiter des
Instituts für Kulturmanagement Armin Klein zu Beginn des Kongresses
fest. Dabei gehe es, so Klein weiter, künftig verstärkt
um die Konkurrenz des Geldes, der Zeit und schließlich der
Aufmerksamkeit der Nutzer kultureller Angebote und Dienstleistungen
und damit auch um die Frage der Legitimität der öffentlich
geförderten Kulturinstitutionen. Genau hier kämen der
Begriff und das Konzept der Marke ins Spiel. Natürlich sei
die Spitzenqualität des künstlerischen und kulturellen
Angebots unabdingbar, denn eine Marke sei immer auch ein Qualitätsversprechen
für die Besucher. Laut Klein sei die notwendige Qualität
auch nicht das Kernproblem der meisten Kultureinrichtungen, sondern
das Fehlen einer konsequenten Besucherorientierung und einer schlüssigen
Corporate Philosophy – eine in sich stimmige und abgestimmte
Gesamt-philosophie des Hauses – was erst der Marke zu einer
starken Identität verhelfen kann.
Beispiele dafür, wie die Entwicklung einer Kultur-Marke in
der Praxis erfolgreich realisiert werden kann, bekamen die Kongressteilnehmer
in Vorträgen und Workshops von internationalen Referenten präsentiert.
Herauszuheben sind hierbei insbeson-dere die Vorträge von Dr.
Allessandra Bonetti Rubelli (Peggy Guggenheim Collection Venedig),
die den Weg der Guggenheim von einer einst kleinen Privatsammlung
zu einer weltbekannten Marke höchster Qualität aufzeigte,
Christophe Monin (stellvertretender Direktor für kulturelle
Entwicklung des Louvre Paris), laut dem kein Markenwert entstehen
kann ohne eine nachhaltige kulturelle Entwicklung und Verankerung
der Institution in der Gesellschaft, und Maurice Lausberg dem Leiter
Development/Sponsoring der Bayerischen Staatsoper in München,
die sich insbesondere in den letzten 13 Jahren der Intendanz von
Sir Peter Jonas mit einer inhaltlichen Profilierung einerseits und
einer fokussierten Kommunikationsstrategie andererseits zu einer
einzigartigen Marke in der Opernwelt entwickeln konnte. Insbesondere
die Siemens AG beschreitet neue Wege im Kultursponsoring. Das von
Siemens aufgelegte „Arts Program“ als eigenständige
„Non-Profit“- Abteilung der AG, versteht sich als ein
spezifisches Förderkonzept, das mit einem eigenen Programm,
Initiativen und Projekten aktiv wird. Die Zusammenarbeit mit den
Institutionen beschränkt sich somit lediglich auf die Umsetzungsphase
der Projekte. Diesbezüglich unterscheidet sich das Programm
deutlich vom klassischen Sponsoring.
Hier darf sicherlich diskutiert werden, ob dieses Programm nicht
den eigentlichen Gedanken des Kultur-Sponsoring konterkariert und
die Institutionen zu bloßen Umsetzungsapparaten ohne Mitspracherecht
degradiert werden oder ob das kreative Potential der bei Siemens
beschäftigten Mitarbeiter nicht den häufig im operativen
Tagesgeschäft verhafteten Kulturinstitutionen neue Freiräume
für die Realisierung innovativer Projekte schafft und damit
eventuell eine nachhaltigere Form des Sponsorings darstellt.
Im engen Sinne handele es sich bei der „Kulturhauptstadt
Europas“ noch nicht um eine Marke, stellte Geschäftsführerin
Edda Rydzy vom Netzwerk Kulturhauptstädte Europas in Berlin
fest. Es gehe darum, jetzt tatsächlich eine Marke zu entwickeln,
und zwar eine solche, die vor allem in der politischen und kulturpolitischen
Landschaft Ausstrahlung und Gewicht besitzt. Dass sich tendenziell
eine zunehmende Vielzahl von Städten um den Titel „Kulturhauptstadt“
bewirbt, habe damit zu tun, dass er ein starkes Marketinginstrument
ist, und dass sich die Städte zu Recht starken Tourismus und
wirtschaftliche Impulse versprechen. So sehr die Motivlage für
den enormen Bedarf an Vermarktung und Markenbildung im Kulturbereich
auch einleuchten mag, warf Kai-Uwe Hellmann vom Institut für
Kulturwissenschaften der Universität Leipzig beim Kongress
dennoch die kritische Frage auf, ob und inwieweit der Kulturbereich
sich damit einen Gefallen tue. Denn Tatsache ist laut Hellmann:
„Das Konzept ,Marke‘ entstammt der Ökonomie, es
reagiert strikt auf die Marktlogik von Angebot und Nachfrage und
könnte sich daher, sofern der Kulturbereich autonom ist und
einer eigenen Logik folgt, die sich nicht primär an der Marktfähigkeit
und Marktgängigkeit ihrer ,Produkte, ausrichtet, wie ein Trojanisches
Pferd auswirken, eine Art Virus, oder um es mit Jürgen Habermas
zu sagen: zur totalen Kolonialisierung und Kommerzialisierung der
Kultur in einem Maße führen, dass sie darüber zugrunde
geht.“
Sicherlich ist Hellmann dahingehend zu folgen, dass die Markenbildung
im Kulturbetrieb mit dem Kernprinzip der künstlerischen Unabhängigkeit
vereinbar bleiben muss und nicht zu einer Kommerzialisierung führen
darf. Daher muss das Konzept „Marke“ auch in modifizierter
und die Besonderheiten der Kultur berücksichtigender Form seine
Anwendung finden.
Unbestritten bleibt aber auch – und das zeigen die Ergebnisse
des Kongresses deutlich – dass die künftige Legitimation
der jeweiligen Einrichtung nur durch die Entwicklung einer starken
Marke gelingen kann, denn öffentliche Gelder werden auf Dauer
nur dorthin fließen, wo ausreichend Interesse und Nachfrage
vorhanden sind.
Und auch die privaten Geldgeber, Sponsoren und Spender, werden
ihre Unterstützung auf Dauer nur solchen Betrieben gewähren,
die ein eindeutiges Profil besitzen.