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nmz-archiv
nmz 2006/06 | Seite 45
55. Jahrgang | Juni
Rezensionen-CD
Nordische Klangfarben
Hugo Alfvén: Die 5 Sinfonien, 3 Schwedische Rhapsodien,
Eine Schärensage, Suiten aus: „Der Bergkönig“
und „Der verlorene Sohn“, Drapa; Königlich
Philharmonisches Orchester Stockholm. Ltg.: Neeme Järvi.
BIS/Klassik Center Kassel BlS-CD-1478-80 (5 CDs)
Dieser zwischen 1987 und 1992 eingespielte Zyklus der (nahezu kompletten)
Orchesterwerke des schwedischen Sinfonikers (1872–1960) zählt
mit Sicherheit zu den bleibenden Verdiensten des Dirigenten Neeme
Järvi, woran die sorgfältige Aufnahmetechnik keinen geringen
Anteil hat: Alle Aufzeichnungen entstanden am gleichen Ort und mit
demselben, der Musik seines Landsmannes verbundenen Klangkörper.
Hugo Alfvéns Lebensspanne läuft mit der seines englischen
Kollegen Vaughan Williams parallel, und auch er blieb, losgelöst
von den tiefgreifenden musikalischen Umwälzungen in Mitteleuropa,
seinem einmal gefundenen Stil treu, der zutiefst im 19. Jahrhundert
wurzelt – allerdings mit einer unüberhörbar skandinavischen
Note. Die Liebe zur freien Natur und zu den Klängen und Tänzen
der schwedischen Folklore, die sich in den Rhapsodien Bahn bricht,
ist das auffallendste Merkmal seiner Musik – neben einer hochentwickelten
Instrumentationskunst, welche das in jeder Hinsicht romantische
Geschehen in fein abgetönte Klangfarben taucht (der Komponist
betätigte sich auch als Aquarellmaler). Alfvén besaß
bei allem Optimismus ein echtes Gespür für das musikalische
Drama, wovon nicht bloß die Ballettmusiken zeugen: In seiner
Musik für den Konzertsaal gibt es einen deutlichen Sprung zwischen
den ersten drei, geradezu sorglos anmutenden Sinfonien aus den Jahren
1897 bis 1905 und dem einsätzigen Zweipersonendrama der Sinfonie
Nr. 4 „Von den äußersten Schären“, die
zwei untextierte Solostimmen einbezieht und eine selbst für
ihn ungewöhnliche Vielfalt an Stimmungen heraufbeschwört.
Die Einspielung der Vierten, der Höhepunkt der Box, ist nach
wie vor einzeln erhältlich: Wer selbst für diese die Ausgabe
scheut, greife wenig-stens zur isländischen Naxos-Auf-nahme
(8.557284) aus der noch nicht abgeschlossenen Serie unter Niklas
Willén. Die Fünfte, an welcher der greise Komponist
über zwei Jahrzehnte hinweg feilte, konfrontierte ihn nach
eigener Auskunft mit dem Problem angeblich nachlassender Inspiration:
Das Handwerk hingegen blieb bis zuletzt untadelig. Alles in allem:
klangschöne Musik, die sich weitgehend selbst genügt.