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nmz-archiv
nmz 2006/06 | Seite 44
55. Jahrgang | Juni
Rezensionen
Kurz vorgestellt
CDs
Joseph Haydn: Streichquartette opus 64/5, 33/1 und 76/1. Quatuor
Ébène.
Mirare MIR 013
1999 wurde dieses junge französische Quartett gegründet
und es feiert seither größte Erfolge. Das gibt einem
Vertrauen zurück, denn die vier lassen sich auf keinerlei
Gags oder andere modische Finessen ein. Aber sie haben (was Haydn
einst über Mozart äußerte) Geschmack und nähern
sich den drei Quartetten Haydns mit feinhöriger Sensibilität
und intimer Genauigkeit. Wie viel Anmut hat diese Musik, wie viel
Würde! Eigentlich wissen wir das, aber wir werden stets wieder
vom Trübsinn unzähliger Haydn-Verflachungen umnebelt.
Das Quatuor Ébène demonstriert das überwältigend,
ganz einfach. Aber schon Brecht wusste, dass das das Schwere ist.
Stefan Wolpe: Passacaglia op. 23; Bühnenmusik zu Molières
„Der eingebildete Kranke“; Konzert für neun Instrumente
unter anderem WDR SO, Johannes Kalitzke; ensemble recherche, Werner
Herbers. mode 156
Weil er kommunistischen Ideen nahe stand, hatte Stefan Wolpe
(1902
–1972) ab 1933 in Deutschland keine Überlebenschance
(sowohl ökonomisch als auch physisch). Er floh nach Österreich,
studierte kurz bei Webern, und dann über die Sowjetunion
nach Jerusalem. Dort lebte er von 1934 bis 1938, dann ging die
Flucht weiter in die USA. Die CD dokumentiert die vier Jahre in
Jerusalem. Ein Musiker von größter gedanklicher und
ästhetischer Weite steht vor uns, einer, der das Einfache
plastisch und das Komplexe klar zu gestalten wusste. Und auch
ein Musiker, der nie wirklich seine Mitte finden durfte. Beeindruckend!
Dieter Mack: Taro; Kammermusik II und III. Ensemble SurPlus.
Edition Zeitklang ez 13019
Fühlbarer Puls, Gesten, wie zum Gespräch, genau ausgefeilte
Klanglichkeit, Hintergründiges, Fragiles. Dieter Mack, Jahrgang
1954, lässt keine Schubladen-Einordnung zu. Es geht ihm um
Plastik der Darstellung, motivische Stringenz, um die Spannung
des Entlang-Horchens an den Erscheinungen, die hier wie Tropfen,
dann wie Entladungen (vor allem in der dynamisch exzessartigen
Kammermusik III) in die Wirklichkeit treten.
Peter Maxwell Davies: Naxos Quartets Nr. 5 und 6. Maggini Quartet.
Naxos 8.557398
Streichquartette (es sind zehn!) für ein Label, das hat
es so noch nie gegeben. Jetzt wurden die Nummern 5 und 6 vom äußerst
ambitionierten Maggini Quartet vorgelegt. Die Musiksprache von
Peter Maxwell Davies ist weithin konventionell angelegt, was thematische
Gestaltung und Charakteristik betrifft. Hierbei entwickeln sie
aber Prägnanz und Vielfalt der klanglichen Zeichnung. Der
Gesamtkomplex der Quartette ist ein Höhepunkt im Schaffen
von Davies.
Giacinto Scelsi: Ohoi; Ave Maria; Anâgâmin; Ygghur;
Natura renovatur; Alleluja. Frances-Marie Uitti, Cello; Münchener
Kammerorchester, Christoph Poppen.
ECM 1963 (4763106)
Es sind eher entlegene Werke von Scelsi und sie lassen seine
Rätselhaftigkeit in noch plastischerem Licht erscheinen.
Uitti, die Scelsi schon sehr früh nahe stand, spielt seine
späten, nur noch auf die modale Linie abzielenden Stücke
hinreißend. Das ihr gewidmete, dreisätzige Stück
„Ygghur“ (1961) ist ein ganz zentrales Solowerk aus
Scelsis Hochphase des Schaffens, und die drei Streichorchesterstücke
„Ohoi“, „Anâgâmin“ und „Natura
renovatur“ (1965 bis 1967) erstrahlen mit dem Münchener
Kammerorchester in geradezu beschwörend intensiver Süße.
Ein Komponist, der mit bohrender Schärfe der Natur des Klangs
nachlauscht.