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nmz-archiv
nmz 2006/06 | Seite 45
55. Jahrgang | Juni
Noten
Musikschule und Opernbühne
Eine Oboenschule und Donizettis „Solo“ für Oboe
und Klavier
Hagen Wangenheim: Oboe spielen. Eine Einführung für
Kinder. Zimmermann ZM 80296
Die von Hagen Wangenheim, ehemaligem Oboisten der Bayerischen
Staatsoper München und Professor an den dortigen Musikhochschule,
verfasste methodische Duettsammlung „Oboe spielen“
ist als Einführung für Kinder von circa zehn Jahren
konzipiert. Im Vorwort verweist der Autor auf die Möglichkeiten,
„Oboe spielen“ als Schule sowie als Ergänzung
zu seinem Lehrwerk „Oboe lernen. Schule für jugendliche
und Erwachsene“ (ZM 80261) zu verwenden. Die Verwendung
als Oboenschule (im herkömmlichen Sinn) erscheint jedoch
aus mehreren Gründen als nicht unproblematisch. Zum einen
werden die einzelnen Themen sehr kurz behandelt, woraus ein recht
schnell ansteigender Schwierigkeitsgrad resultiert. Zum anderen
sucht man vergeblich nach kurzen Texten oder Graphiken zwischen
dem Notentext, die den Lektionsinhalt erläutern. Somit kann
der Schüler lediglich auf das vom Lehrer im Unterricht Gesagte,
Vorgespielte oder (zwischen die Noten) Geschriebene zurückgreifen.
Die Griffe müssen in der umfangreichen Grifftabelle „gesucht“
werden, auch hier würde eine Graphik zwischen dem Notentext
die Handhabung erheblich erleichtern. „Oboe spielen“
präsentiert sich optisch sehr gut, das Notenbild ist gut
lesbar und einige Leerseiten sind zwecks besserer Wendemöglichkeiten
eingefügt. Aus Erfahrungen im Unterricht wäre bei Ausgaben
wie dieser eine Metallspiralbindung der gängigen Klebebindung
vorzuziehen; die relativ große Seitenzahl erschwert das
Aufschlagen und Umblättern (beziehungsweise „Liegenbleiben“)
der einzelnen Seiten. Alles in allem stellt „Oboe spielen“
eine Sammlung von Unterrichtsmaterialien dar, die mit jeder anderen
Oboenschule kompatibel ist und ein Vertiefen einzelner Unterrichtsinhalte
ermöglicht. Sie animiert zum miteinander musizieren von Anfang
an, zum Unterrichten durch Vorspielen und Nachahmen. Vor allem
aber vermittelt „Oboe spielen“ Schülern wie Lehrern
neue Ideen beim Lernen und Lehren.
Gaetano Donizetti: „Solo“ f-moll für Oboe und
Klavier. Hrsg. von Fulvio Caldini. Breitkopf&Härtel MR
2277 (2003), ISMN M- 004-48832-4
In der „Bibliothèque National de France“ befindet
sich das Manuskript dieses Werkes, das kein Entstehungsdatum trägt
und vermutlich Bestandteil einer Sonate war, deren Ecksätze
verloren sind. Erhalten ist die Solostimme und die Begleitstimme,
die größere harmonische Lücken aufweist und deren
Besetzung – ob nun Klavier oder Harfe – aus dem Manuskript
nicht genau hervorgeht. Der italienische Komponist, Pianist und
Musikwissenschaftler Fulvio Caldini, Bruder des Oboisten Sandro
Caldini, vervollständigte die Begleitstimme im Stil Donizettis
(in dieser Ausgabe als Kleinstich gedruckt). Das Werk selbst erinnert
wegen der Tonartengleichheit und des rhythmischen Habitus‘
beim ersten Durchlesen der Oboenstimme an die Krebs‘sche
Fantasie, beim Spielen ist man jedoch sofort ganz in der Welt
der italienischen Oper. Der Oboe sind wunderschöne Kantilenen
zugedacht, die allen Raum zur gestalterischen Entfaltung lassen.
Die Begleitstimme ist gänzlich auf das Begleiten ausgelegt,
selbst die Überleitungen, quasi als kleine Rezitative oder
Koloraturen, sind (außer in den Takten 32/33) der Oboe zugeschrieben.
Das „Solo“ ist mit seinem klagenden Charakter der
Oboe „auf den Leib geschrieben“, und nach dem eher
dunklen, zweifelnden f-moll wird der Schlussakkord in ein helles,
optimistisches, versöhnliches F-Dur geführt. Ob nun
Klavier oder Harfe begleiten, bleibt offen; sicherlich wäre
– mit den nötigen spieltechnischen Änderungen
– auch die Verwendung der Gitarre als Begleitinstrument
sehr reizvoll. Mit der Herausgabe des „Solo“ ist die
Oboenliteratur um ein Werk italienischen Belcantos, einer Arie
„en miniature“, reicher.