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nmz-archiv
nmz 2006/10 | Seite 46
55. Jahrgang | Oktober
Oper & Konzert
Wie man einen Orchestermusiker begeistern kann
„Hamburg Debüt“ – ein Konzert der Deutschen
Stiftung Musikleben in der Musikhalle Hamburg
Drei junge Musiker konzertierten erstmals mit Hamburgs ehrwürdigem
NDR Sinfonieorchester und wagten sich gleich an die Prüfsteine
ihres Repertoires: Veronika Eberle spielte Bruchs unverwüstliches
erstes Violinkonzert, Claudius Popp interpretierte Haydns berühmtes
D-Dur-Cellokonzert und Giuliano Sommerhalder grub das dagegen kaum
bekannte Trompetenkonzert von Arutjunjan aus.
„Hamburg Debüt“ nennt sich das Pilotprojekt, das
erstmals Stipendiaten der Deutschen Stiftung Musikleben in der Hamburger
Musikhalle mit einem A-Orchester zusammenspannte und dem vollem
Haus einer staunend lauschenden Gemeinde präsentierte. Verblüffung
herrschte indes nicht nur über die durchweg reifen, durchdachten
und persönlich gewachsenen Interpretationen der jungen Elite,
die es hier nach Herzenslust zu loben gilt. Denn überrascht
durfte man zunächst über die verkehrten Vorzeichen zwischen
Arrivierten und Nachwuchs sein. Nicht die alten Hasen vom NDR wiesen
hier den jungen Hüpfern den Weg der unerhörten Zwischentöne,
der frechen Akzente und famosen Farben, nein, es waren die drei
Solisten, die den Motivationsmotor mit süßem geigerischem
Schmierstoff, mit erregender Celloenergie und stupendem Trompetenstrahl
schnellstens von Null auf Hundert brachten. Grillig die Mienen und
versteinert die Gestalten der NDR-Musiker, die zu Beginn Strawinskys
Feuervogel in der Fassung von 1919 zum Anwärmen auf den Pulten
liegen hatten. Unter den animierenden Händen von Maestro Eiji
Oue ließen die beamtenorchestralen Altmeister natürlich
nichts anbrennen. Alles hatte seine Ordnung. Mit den ersten Tönen
von Julius Popp aber entstand die Musik als mutige Vergegenwärtigung
der alten Noten, die auf einmal wieder ganz frisch zu sein schienen.
Popp, der noch während seines Studiums bei David Geringas mit
21 Jahren zum Solocellisten von Daniel Barenboims Berliner Staatskapelle
berufen wurde, darf mit dem derzeit kostbarsten Cello des Deutschen
Musikinstrumentenfonds, den die Stiftung gemeinsam mit der Bundesregierung
1993 gegründet hat und der mittlerweile zu Deutschlands größter
und wertvollster Instrumentensammlung für den Nachwuchs angewachsen
ist, musizieren: Der legendäre Geigenbaumeister Andrea Guarneri
schuf es 1691 in Cremona, der legendäre Cellist Ludwig Hoelscher
hat es einst gespielt.
Der heute 24-jährige Julius Popp erweist sich auf seinem wunderwonnigen
Cello als ein Interpret von Rang. Er bedient weniger das symphonisch
durchwirkte, diskursive wie sanglich ausgewogene Moment Joseph Haydns,
er lädt das Legato des Wiener Klassiker gehörig auf, er
phrasiert gewagt, er rhythmisiert ruppig. Und siehe da: Wo Motive
von seinen Streicherkollegen aufgegriffen werden, nimmt er vorab
Blickkontakt auf, gibt den Ball ab und hält ihn, derart vorgefühlt,
sensibel und flüssig im Spiel. Popp erfindet Papa Haydn neu,
kreiert gar ein grandioses Gleichgewicht zwischen Belcanto und Musikdrama.
Alexander Arutjunjans As-Dur-Trompetenkonzert hat zwar schon Übervirtuose
Maurice André zu höheren Weihen verholfen, trotz allem
wirkt das 1950 komponierte Opus des Armeniers heute so, als habe
es den Vorgaben des Sozialistischen Realismus ein wenig zu distanzlos
gehuldigt. Die stalinistisch angesagte Volkstümlichkeit kann
allerdings durchaus hübsch klingen, wird sie denn von einem
so brillanten jungen Trompeter wie Giuliano Sommerhalder geadelt.
Der 21-Jährige tritt in diesem Herbst seine Stelle als Solo-Trompeter
des Leipziger Gewandhausorchesters an. Sein warmer, runder, fein
schattierter Jubelton war jedenfalls ein Ereignis, das nur die Jüngste
im Bunde noch zu übertreffen wusste. Veronika Eberle ist noch
keine 18 Jahre alt, sie musiziert nach erfolgreichem Wettbewerbsvorspiel
der Stiftung auf einer Violine, die der neapolitanische Meister
Joseph Gagliano um 1790 geschaffen hat. Wer Veronika jetzt mit Bruchs
romantischem Dauerbrenner hören durfte, konnte so etwas wie
eine traumhaft schöne Liebesbeziehung miterleben. Die Münchner
Jungstudentin, die parallel zum Studium ihr Abitur macht und bereits
mit Simon Rattle das Beethoven-Konzert musizieren durfte, scheint
mit ihrem Instrument wahrlich „die Richtige“ gefunden
zu haben. Zwei wesensverwandt hintergründige Persönlichkeiten
haben sich da getroffen. So authentisch und ungekünstelt, so
ernst und tief, so rein und süß hört man heute wenige
junge Geigerinnen. Davon kündeten jetzt gar die Gesichter der
NDR-Sinfoniker, die einen Hauch von echter Begeisterung erkennen
ließen.
Peter Krause
Bewerbung:
Junge Musiker, die sich um ein Instrument bewerben möchten,
können sich bei der Deutschen Stiftung Musikleben, Stubbenhuk
7, 20459 Hamburg, unter www.deutsche-stiftung-musikleben.de oder
unter Tel. 040/37 03 53 90 informieren. Der nächste Wettbewerb
des Deutschen Musikinstrumentenfonds findet Ende Februar 2007
im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe statt. Die Ausschreibung
wird im Herbst veröffentlicht.