nmz 2006/10 | Seite 2
55. Jahrgang | Oktober
Personalia
Personalia
Die neue musikzeitung hat ihre interaktiven Tätigkeiten ausgeweitet.
Mit dem Kulturinformationszentrum
stellen wir die engagierte Diskussion in das Zentrum der Aktivitäten
im Netz. An dieser Stelle können Fragen gestellt, Informationen
verbreitet und die Arbeiten anderer kultureller Initiativen zur
Darstellung gebracht werden.
Rhapsody in School
Rheinischer Kulturpreis für Lars Vogt und die Musikschule Düren
Der Pianist und Initiator des Projekts „Rhapsody in School“,
Lars Vogt, ist der diesjährige Preisträger des Rheinischen
Kulturpreises. Mit dem Förderpreis der Stiftung des Rheinischen
Sparkassen- und Giroverbands wurde am 30. August 2006 auf seinen
Vorschlag hin die Musikschule Düren ausgezeichnet, an der Lars
Vogt bei seiner langjährigen Klavierlehrerin Ruth Weiß
die Erfahrungen machen konnte, die er heute in der Entwicklung von
Kindern und Jugendlichen für unverzichtbar hält: „Es
sind die Fähigkeiten, ein positives Selbstwertgefühl aufzubauen,
sich selbst und seine Empfindungen wahrzunehmen und zu artikulieren
und das eigene kreative Potenzial zu erforschen.“ In seiner
Rede rief Lars Vogt dazu auf mitzuhelfen, „dass Musikschulen
überall ihre wichtigen Aufgaben erfüllen können,
unseren Kindern und unserer Zukunft zuliebe.“ (Siehe Bericht
S. 26)
Heusinger folgt Richard
Neuer Leiter des Experimentalstudios für akustische Kunst
Der Komponist, Regisseur und Dirigent Detlef Heusinger wird der
neue Leiter des Experimentalstudios für akustische Kunst e.V.
in Freiburg. Heusinger tritt sein neues Amt zum
1. Oktober 2006 an und ist Nachfolger von André Richard,
der Ende des Jahres 2005 in den Ruhestand gegangen ist. SWR-Intendant
Peter Voß: „Ich freue mich über die Verpflichtung
von Detlef Heusinger. Mit ihm haben wir einen kreativen Kopf gewonnen,
der die Tradition des SWR im Bereich der experimentellen Musik fortsetzen
und den Musikfreunden überraschende künstlerische Erlebnisse
bereiten wird. Damit unterstreicht der SWR einmal mehr sein freiwilliges
mäzenatisches Engagement und seine Rolle als wichtigster Kulturveranstalter
in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz.“
SWR-Hörfunkdirektor Bernhard Hermann, 1. Vorsitzender des Vereins
des Experimentalstudios sagte über diese Wahl: „Mit Detlef
Heusinger erhält das Experimentalstudio einen profilierten,
vielseitigen und ehrgeizigen Leiter, der die Führungsposition
des derzeit bekanntesten und leistungsstärksten live-elektronischen
Studios in Deutschland weiter ausbauen wird.“ Detlef Heusinger
wurde 1956 in Frankfurt/M. geboren. Von 1976 bis 1980 studierte
er an der Musikhochschule Bremen bei Luciano Ortis Komposition sowie
Gitarre, Laute und Klavier, parallel dazu Germanistik und Schulmusik
an der Bremer Universität. Zwischen 1981 und 1989 folgten weitere
Kompositionsstudien bei Hans Werner Henze in Köln sowie bei
Klaus Huber an der Freiburger Musikhochschule, an der er auch die
Fächer Dirigieren (Francis Travis) und Elektronische Musik
(Mesias Maiguashca) belegte. Von 1990 bis 1998 unterrichtete Heusinger
an der Bremer Musikhochschule. 1991 war er zunehmend als Opernregisseur
in Deutschland, Polen, Österreich und der Schweiz tätig.
Das Experimentalstudio für akustische Kunst e.V. ist eine Einrichtung
des SWR in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Rundfunk, dem Zentrum
für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe und der Stadt Freiburg.
Es ist aus der ehemaligen Heinrich-Strobel-Stiftung des SWR hervorgegangen.
Vorsitzender des Kuratoriums, dem unter anderem Pierre Boulez und
Dieter Schnebel angehören, ist der Komponist Wolfgang Rihm.
Anreger, Interpret, Förderer
Dem Chorleiter und Musikpädagogen Kurt Suttner zum Siebzigsten
Der schwedische Chorleiter und Dirigent Eric Ericson, der mit seinen
Chören auf den Tourneen als „Chorwunder aus dem Norden“
gefeiert wurde, nennt Kurt Suttner einen bemerkenswerten Menschen,
dem es in besonderer Weise gelungen ist, der Neuen Musik zu ihrem
Recht zu verhelfen. Und der in München geborene Komponist Peter
Michael Hamel pflichtet ihm bei, wenn er feststellt, dass der von
Kurt Suttner 1972 gegründete via-nova-chor alle Menschen, nicht
nur Experten, mit seiner Interpretation zeitgenössischer Chormusik
anzusprechen vermag. Aufführungstechnisch schwierige Werke
von Arvo Pärt, Krzysztof Penderecki, György Ligeti, Bernd
Alois Zimmermann, Paul Hindemith, Arnold Schönberg, um nur
einige zu nennen, zählen zum Repertoire. In der Zusammenarbeit
von Komponisten und Chören sieht Kurt Suttner eine große
Chance. So nimmt es nicht wunder, dass persönliche Kontakte
zu Peter Michael Hamel, Robert M. Helmschrott, Max Beckschäfer,
Moritz Eggert, Kay Westermann, Wilhelm Killmayer, Harald Genzmer,
Günter Bialas und anderen gefeierte Uraufführungen und
Erstaufführungen ermöglichen. Mit seinen etwa 40 Sängerinnen
und Sängern ist das Ensemble dank der Fachkompetenz und des
unermüdlichen Engagements seines Leiters bei zahlreichen internationalen
Wettbewerben mit Preisen ausgezeichnet worden.
Dass Kurt Suttner sich darüber hinaus intensiv und professionell
mit Alter Musik auseinandersetzt, zeigen die Gründung der „Capella
antiqua“ München und die Konzertprogramme des via-nova-chores
mit Werken von Orlando di Lasso, Giovanni Pierluigi da Palestrina,
Guillaume Dufay und Guillaume de Machaut. Die Nachwuchsförderung
liegt dem Musikpädagogen besonders am Herzen. Von 1989 bis
1999 leitete er die Bayerische Singakademie, eine Einrichtung für
begabte jugendliche Sängerinnen und Sänger. In den Schulen
zählen „Chor aktuell“, „Chor aktuell junior“,
„Chor aktuell Basis“, mitherausgegeben von Kurt Suttner,
zu den meist verbreiteten Chorsammlungen. Er ist auch der Herausgeber
der Reihe „carus novus“ beim Carus-Verlag Stuttgart.
Sein Wissen um Stimmphysiologie, Stimmbildung, Chorliteratur, Probentechnik,
Dirigat gibt er als Referent auf zahlreichen Tagungen für Chorleiter
oder Musiklehrer weiter.
Auch für die kommenden Jahre wünschen wir dem Jubilar
eine erfolgreiche Fortführung seiner künstlerischen und
pädagogischen Arbeit. [Rudolf-Dieter Kraemer]
Im Dienst der künstlerischen Idee
Konzertgeiger und Musikförderer Alois Kottmann geehrt
Glatte Oberfläche und Salonvirtuosität sind nicht seine
Sache. Alois Kottmann sucht stets den Ausdrucksgehalt des Werkes,
egal ob es sich um Solosonaten von Bach handelt, um Sonaten und
Romanzen von Robert und Clara Schumann, die Solosonate von Paul
Hindemith oder improvisierte Miniaturen mit dem Jazzposaunisten
Albert Mangelsdorff. Kottmann gilt als Geiger, der die Technik absolut
in den Dienst einer künstlerischen Idee steckt, die heute zu
verblassen droht: die Vermittlung humaner Werte durch die Musik.
Hierin setzte und setzt Kottmann nachdrücklich Maßstäbe.
Musik als mahnende Stimme, als Künderin. Kottmann ist seit
1981 Initiator der „Internationalen Musiktage“ in seiner
Heimatstadt Hofheim am Taunus und Stifter des „Alois-Kottmann-Preises“
in Höhe von 3.000 Euro, mit dem er an das musikhistorische
Erbe Frankfurts erinnern will. Für seine herausragenden und
vielfältigen Verdienste als Musikerpersönlichkeit sowie
sein großes soziales Engagement erhielt der Konzertgeiger,
Orchesterleiter und Hochschullehrer Alois Kottmann (Bild re.) aus
den Händen von Ministerpräsident Roland Koch das Verdienstkreuz
am Bande.
Foto: Boris Kottmann
Frankophiler Deutschschweizer
Zum Tode des Dirigenten Armin Jordan
Es gibt eine spezifisch französische Art, die Musik Richard
Wagners zu spielen. Nichts kommt erdenschwer, eingedunkelt und expressionistisch-heftig
daher, Expressives erwächst allein aus der klaren Durchzeichnung
des Klangbildes, aus der subtilen Balance zwischen der Vertikalen
und dem Linearen, zwischen harmonischer Struktur und melodischem
Fluss.
Der Dirigent Armin Jordan beherrschte diese Balancen auf eine beeindruckende
Art und Weise. Selten hörte man den „Tristan“ so
melodiegesättigt und zugleich so beredt in den dramatischen
Gesten, so konturenklar noch in den gewaltigsten Klangeruptionen
des dritten Aktes wie unter Jordan, wobei, wie im letzten Jahr in
Genf, der heller timbrierte Klang des Orchestre de la
Suisse Romande Jordans Gestaltung entscheidend mittrug.
Auch Jordans Genfer „Parsifal“ entfaltete sich zu einem
faszinierenden Klang-Raum, der sich nahtlos mit Roland Aeschlimanns
Bild-Räumen verband. Armin Jordans Herkunft hat seine ästhetische
Bildung sicher entscheidend mitgeprägt. In Luzern 1932 geboren
zog es den Deutschschweizer immer wieder „westwärts“,
auch nach langen Zeiten in Zürich und, von 1971 bis 1989, als
Chefdirigent von Oper und Konzert am Basler Theater. Beim Orchestre
de la Suisse romande, dem Jordan von 1985 bis 1997 als Chefdirigent
vorstand, hat er sich als legitimer Erbe des großen Ernest
Ansermet erwiesen. Jordan hob technische Qualität und Spielkultur
des Ensembles wieder auf die gewohnten Höhen. Ihm gelangen
mit dem Orchester wundersame Debussy-Aufführungen, die auch
auf der Schallplatte festgehalten sind. Trotz seiner Seelenneigung
zu Frankreich bewahrte Armin Jordan stets auch sein deutschschweizerisches
Erbe. Sein „Ring des Nibelungen“, die sensationelle
„Salome“ in der spektakulären Inszenierung Herbert
Wernickes, seine gestisch und klanglich perfekt ausgeformte „Lulu“
bleiben als große Taten seiner Basler Zeit in Erinnerung.
Nach Basel war er jetzt auch wieder zurückgekehrt, um Prokofieffs
„Liebe zu den drei Orangen“ zu dirigieren. Kurz nach
Beginn der Premierenvorstellung brach Armin Jordan vor dem Orchester
zusammen. Was zunächst wie ein Kollaps aussah, erwies sich
dann doch als schwerwiegender. Im Krankenhaus ist Armin Jordan kurz
danach, in der Nacht auf den 20. September im Alter von vierundsiebzig
Jahren gestorben. [Gerhard Rohde]
Maynard Ferguson
Mit Maynard Ferguson verstarb am 23. August der legendärste
High-Note-Spezialist unter den Trompetern. Der nach Oscar Peterson
berühmteste Jazzer Kanadas wurde bekannt durch seine über
dreijährige Tätigkeit als Lead-Trompeter bei Stan Kenton,
wo er der Blechbläsergruppe neuen Glanz verlieh. Populär
wurde er durch die zahlreichen im Laufe seiner Karriere von ihm
selbst geleiteten Bands, deren stilistisches Spektrum von Bebop
und West Coast Jazz zu Jazzrock und Funk reichte.
Duke Jordan
Im dänischen Valby bei Kopenhagen verstarb am 8. August einer
der letzten großen Musiker der Bebop-Ära: Duke Jordan.
Als Meister feinsinniger Einleitungen und vergleichsweise bedächtiger
Soli inmitten der Brandung des Bebop wurde er bei Charlie Parker
bekannt. Berühmter noch als seine Pianistik wurden seine eingängigen
Kompositionen. Duke Jordan gehörte zu einer Handvoll Musiker
der Bop-Ära, die ganze Konzerte mit bekannten Standards aus
eigener Feder bestreiten konnten.