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nmz-archiv
nmz 2006/10 | Seite 42
55. Jahrgang | Oktober
Bücher
Anblicke, Augenblicke und Aquarelle
Zwei Neuheiten aus dem Rockbuch Verlag
Silke Leicher/Manuel Schreiner:Skizzenbuch Unterwegs. 100 Originale
von Musikern der Indieszene, Rockbuch Verlag, Schlüchtern 2006,
324 S., Abb., 19,90 €, ISBN 3-927638-08-0
Zeichnung setzen. Was die Autoren hier relativ simpel gestaltet
haben, scheint große Wirkung zu zeigen: Jedem nur erdenklichen
Musiker der Gitarrenbandszene wurde ein Filzstift in die Hand
gedrückt und ein weißes Blatt Papier untergelegt. Spontan
begannen die Musiker, eine andere Art der Kunst zu vollziehen.
Mancher gab sich Mühe, andere kritzelten, wieder andere entdeckten
wohl neue Seiten an sich und der Band. Es wurden Gemälde,
Collagen, gemalte Notizen, Portraits, Comics, Anblicke, Augenblicke,
Aquarelle, Darstellungen, Eindrücke, Grafiken, Illustrationen,
Konterfeis, Metaphern oder bloße Kopien. Zu den Bildern
existieren kleine Texte und Erklärungen der Künstler,
um dem Bild einen Rahmen zu verleihen. Insgesamt ein „ordentlich“,
wenngleich die Anordnung der Texte (die einleitenden Sätze
stehen beim Bild, die Textreste 100 Seiten weiter hinten) störend
scheint. Es zeichneten unter anderem Franz Ferdinand, Adam Green,
The Libertines, Oasis, Snow Patrol, Slut, Stereophonics und Wir
sind Helden.
Marc Spitz: Wann nur, wenn nicht jetzt?, Rockbuch Verlag, Schlüchtern
2006, 384 S., 14,80 €, ISBN 3-927638-31-5
Vielleicht 2020 wieder Marc Spitz schreibt für Spin, Maxim,
die New York und die Washington Post. Nun sein erster Roman. Über
die 80er und Reagans USA. Was haben uns die 80er in den letzten
Jahren nur verfolgt. Dann aber mal trotzdem: Marc Spitz erzählt
folgende Geschichte: Joe Green (der wahre Marc Spitz) hört
zur fraglichen Zeit im Radio einen Song der Smiths. Er wird zum
New Waver, liest Oscar Wilde und verliebt sich. Rund um die Geschichte
dürfen Erinnerungen und Klischees wie MTV, Drogen, das Schreiben
für ein Musikmagazin, Saufgelage und der Drang, der neue
Messias zu sein, nicht fehlen. Ging doch jedem so. Nun gut. Der
Plot wie man so schön sagt, ist gesetzt, leider kein einziger
Nebenarm der Erzählung. Im Vergleich zu den 80ern plätschert
„Wann nur, wenn nicht jetzt?“ ziemlich unaufgeregt
und sich penetrant an den Leser ranschmeißend dahin. Viel
Pathos, viele Gedanken, viel Leerlauf und Gedankengut, das uns
unzählige andere Autoren und Schriftsteller auch schon um
die Ohren geworfen haben. Mittlerweile übrigens mitunter
über die 90er. Das ist das Problem.
Klar mag jeder ein Stück von sich selbst in Joe Green erkennen.
Aber ständig das gleiche öde Stück macht die Erinnerungen
eben nicht lebendiger. Nur eine trostlose Zeit noch deprimierender.
„Wann nur, wenn nicht jetzt?“ hat leider kein Ziel.
Oder besser: keine Richtung. Denn Ziele gab es in den 80ern doch
nicht, oder? Wer mit der gewissen Lethargie der 80er von deutschen
Autoren wie Florian Illies (Generation Golf) oder Frank Goosen
(Liegen lernen) versorgt ist, muss bei Marc Spitz nicht zwingend
zugreifen.