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nmz-archiv
nmz 2006/10 | Seite 44
55. Jahrgang | Oktober
Rezensionen
Kurz vorgestellt
CDs
Thomas Larcher: Ixxu; My Illness is the Medicine I Need;
Mumien; Cold Farmer.
Rosamunde Quartett, A. Lauren Brown, C. Poppen, T. Demenga, T. Larcher
ECM 1967 (4763156)
Die Klänge und Gestalten von Thomas Larcher sind wie kleine
Wesen. Sie sind hier furchtbar erregt, zappeln und reißen
alles ein, dann sind sie schüchtern oder einsam, frieren
in der Kälte des Alleinseins. Kleine Dramen wachsen aus den
Konstellationen hervor, keiner unmittelbaren Logik folgend, gleichwohl
zwingend in ihrer Präsenz. Und sie erzählen von der
großen Welt, die draußen davorliegt und doch in ihnen
nachzittert.
Georg Katzer: Imaginäre Dialoge Nr. 1 bis 7.
Werner Tast, Jeffrey Burns, Thomas Bruns, Wolfgang Fuchs, Gerhard
Scherer, Johannes Ernst, Matias de Oliveira Pinto, Instrumentalisten.
New Classical Adventure 60153-314
Über Jahrzehnte hat Georg Katzer, der Protagonist musikalisch-elektronischer
Verfahren in der DDR (das Equipment war bescheiden, aber auch
Mangel kann ja in Qualität umschlagen), Solostücke komponiert,
die in Konfrontation zu Klängen auf Tonbändern gebracht
werden (Dialog Nr. 1 entstand 1979, Nr. 7 im Jahr 2004). Es sind
neugierige Spiele der fremden Begegnung, der gegenseitigen Befruchtung
oder auch Irritation. Und es sind in der Regel zarte Berührungen,
sinnlich und sinnig zugleich.
Jens
Joneleit: le tout, le rien.
Ensemble Modern, Franck Ollu.
Wergo 6566-2
Jens Joneleit, Jahrgang 1968, ist 1990 in die USA gegangen, um
parallel Musik und Malerei zu studieren (was in Deutschland so
nicht ging). Fernab von den ideologisch geführten Debatten
um Avantgarde, Postmoderne und Zweiter Moderne entstand eine ganz
eigenwüchsige, immer um direkte Plastik bemühte Musik.
Ein frischer, von Akademismen freier Ton wird hörbar, der
sich mit spontaner Kraft und abseits von Verbotslisten seinen
Weg bahnt. Sein erstes nach der Rückkehr komponiertes Werk
ist gleich ein gewaltiges Stück von über einer Stunde
Dauer. Aber seine Dynamik hält durch.
Blockflötenwerke von Annette Schlünz, Kirsten
Reese, Mathias Spahlinger, Rolf Riehm und Natalia Gaviola.
Jeremias Schwarzer, Blockflöte.
Valve Records 5086 (Edition Unerhört)
Jeremias Schwarzer ist der derzeit wohl profilierteste Blockflötist
in Sachen zeitgenössischer Musik. Wer „nah-getrennt“
von Spahlinger so faszinierend und zwingend zugleich spielt (viele
Monate des Übens sind unerlässlich), der legt eine interpretatorische
Visitenkarte vor, an der man nicht vorbei kann. So kann Schwarzer
hier Stücke vorstellen (von Schlünz, Reese und Gaviola),
die eigens für ihn geschrieben sind. Die ganze CD ist ein
Beispiel von unübertrefflicher Spielkultur, gepaart mit Feinsinn
und Intelligenz.
Valentin Silvestrov: Post Scriptum; Misterioso. Arvo Pärt:
Spiegel im Spiegel. Galina Ustvolskaya: Trio; Violinsonate
– Alexei Lubimov, Klavier; Alexander Trostiansky, Violine;
Kyrill Rybakov, Klarinette.
ECM 1959 (4763108)
Wie schön doch diese Stücke hier gespielt werden! Die
Nostalgien eines Silvestrov oder Pärt werden ganz innig und
zärtlich ausgespielt, nackt und ohne kritische Distanz, die
die musikalischen Gebilde verbiegen würde. Und diese Art
der Näherung greift auch bei den unvergleichlichen, gnadenlos
hart auf die Linie abzielenden Kompositionen von Ustvolskaya.
Ein Faszinosum interpretatorischer Feinheit auf höchstem
Niveau!