nmz 2006/11 | Seite 31
55. Jahrgang | November
Verband Bayerischer
Sing- und Musikschulen
Musikschulförderung ist Zukunftsinvestition
Festakt beim 29. Bayerischen Musikschultag in Bad Kissingen
Unter dem Motto „Musikalische Bildung von Anfang an“
hat der VBSM zum dreitägigen Musikschultreffen „Bayerischer
Musikschultag“ eingeladen. Das einzigartige Ambiente zwischen
königlichen Prachtbauten in Bad Kissingen bot den Repräsentanten
und Vertretern der Sing- und Musikschulen den richtigen Rahmen,
sich in ungezwungener Atmosphäre über die aktuelle Situation
und Entwicklung der Musikschularbeit in Bayern auszutauschen. Insgesamt
rund 600 Schülerinnen und Schüler aus nordbayerischen
Musikschulen sorgten dafür, dass die qualitätvolle musikpädagogische
Arbeit der bayerischen Musikschulen von einer breiten Öffentlichkeit
wahrgenommen wurde.
Beim Festakt vor rund 200 Gästen betonten alle Redner, dass
sie mit der finanziellen Situation der öffentlichen Bildungseinrichtung
Musikschule zwar nicht ganz unzufrieden seien, sie aber natürlich
auch noch besser werden könne. „Wir können uns im
Großen und Ganzen nicht beklagen“, meinte Landrat Hanns
Dorfner, Präsident des Verbandes Bayerischer Sing- und Musikschulen
(VBSM) bei der Begrüßung im Rossini-Saal des Regentenbaus.
Aber es werde weiterhin die Unterstützung der öffentlichen
Hand benötigt – was dieser freilich nicht allzu schwer
fallen dürfte, denn „diese Gelder sind echt Zukunftsinvestitionen.“
Ein Musikschulgebäude müsse man nach 15 Jahren renovieren,
aber von der Musik, die die Kinder lernen, könnten sie ihr
Leben lang zehren, so Dorfner. An Bürgermeister und Kreisräte
appellierte er, Musikschulen noch stärker zu unterstützen,
da sie gerade im ländlichen Bereich von besonderer Wichtigkeit
seien.
Von einer „Herausforderung der Verantwortung für die
nächste Generation“ sprach Karl Heinz Laudenbach, Oberbürgermeister
der Stadt Bad Kissingen. Gesundheit, Sport, Kunst, Kultur und Musik
seien friedensstiftende Faktoren, deren Wirkung nicht zu unterschätzen
sei: „Das Geld, das der Finanzminister heute nicht dem Kultusminister
gibt, wird er später in zehnfacher Ausfertigung dem Innenminister
geben müssen, weil sich Polizei, Richter und Staatsanwälte
dort zu kümmern haben, wo die Gesellschaft versagt hat.“
Deshalb solle der Kampf um finanzielle Ressourcen gerade im Bereich
der musikalischen Bildung für die Jugend nicht hinten angestellt
werden. Einen ausdrücklichen Dank richtete Laudenbach an die
Städtische Musikschule Bad Kissingen: „Wir sind stolz,
euch zu haben.“
Positive Signale
Von positiven Signalen sprach der CSU-Landtagsabgeordnete Gerhard
Wägemann, Mitglied der Arbeitskreise Hochschule, Forschung
und Kultur sowie Bildung, Jugend und Sport. Zum einen sei die Zahl
der Musikschulen in Bayern in den letzten Jahren von 180 auf 215
gestiegen. Damit haben sich die Musikschulen zum tragenden Fundament
des bayerischen Musiklebens entwickelt und seien heute aus dem gesamten
Kulturleben nicht mehr wegzudenken. „Musikschulen sind das
Wurzelgeflecht, aus dem sich das gesamte Reservoir der Laienmusik
speist“, so Wägemann. Daraus sprössen auch die besonderen
Talente, die später Musik zu ihrem Beruf machen könnten.
Wenngleich von Schulen und Ausbildungsstätten mehr und mehr
verlangt würde, Kinder und Jugendliche möglichst effektiv
auf das Arbeits- und Wirtschaftsleben vorzubereiten, könne
und dürfe Bildung sich nicht nur darauf beschränken und
müsse immer den ganzen Menschen im Blick haben: „Es ist
eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, jungen Leuten nicht nur Wissen
und Können zu vermitteln, sondern auch Herz und Charakter zu
formen“, erklärte Wägemann. Die musikalische Bildung
spiele dabei eine entscheidende Rolle, da sie junge Menschen aus
ihrer passiven Rolle als Medienkonsumenten herausführen könne:
„Wer aktiv in einem Ensemble mitspielt, hat das Gefühl,
dazu zu gehören und bei einer sinnvollen Sache mitwirken zu
können.“
Beim gemeinsamen Musizieren lernten die Jugendlichen soziales Verhalten
automatisch – „gewissermaßen zum Nulltarif“,
so Wägemann. Als „Stützpfeiler“ bezeichnete
der Landtagsabgeordnete gar die Musikschulen, weil sie die allgemein
bildenden Schulen ergänzen, die solch eine musikalische Bildung
allein nicht leisten könnten. Grund genug, von den politisch
Verantwortlichen in Staat und Kommunen die weitere Förderung
und Stärkung der Musikschulen einzufordern. Die Staatsregierung
habe 2006 mit 9,7 Millionen Euro genauso viel Geld für die
bayerischen Musikschulen aufgewendet wie im Vorjahr. Das habe durchaus
etwas zu bedeuten angesichts der Kürzungen in allen Bereichen.
Aber Wägemann vermittelte den Eindruck, dass es im nächsten
Haushalt auch mehr werden könnte: „Es ist noch Spielraum
vorhanden.“
Ankurbeln
Musikalischer Früherziehung
Wilfried Hiller, Präsident des Bayerischen Musikrates, schlug
in seiner Festrede zunächst sorgenvollere Töne an. Er
sprach von der manipulativen Kraft der Musik im positiven und vor
allem im negativen Sinn, von der allgemeinen Musikberieselung und
Zudröhnung: „Das In-sich-Hineinhören“, das
Durch-Stille-zu-sich-Finden ist kaum mehr möglich. Alles macht
für eine musikalische Umweltverschmutzung Platz, die schließlich
auch zu einer Verschmutzung der Innenwelt führe. 70 Prozent
unserer Jugendlichen sind durch permanenten Musikkonsum hörgeschädigt.
Besonders beunruhigt zeigte er sich von einem Phänomen: „Wir
haben bei klassischen Konzerten, bei Opern oder Sendern mit klassischer
Musik einen Altersdurchschnitt von 65,3 Jahren. In 20 Jahren sind
das 85,3 – in 40 Jahren...“ Eine Überalterung des
Publikums habe es aber schon immer gegeben. Auch dies sein ein Grund,
die musikalische Früherziehung weiter anzukurbeln: „Zwei
Drittel der Bevölkerung Bayerns kann auf die Angebote der Musikschulen
zurückgreifen. Das heißt aber auch: Ein Drittel der Bevölkerung
ist im Freistaat noch unterversorgt.“ Natürlich lasse
sich dieser Fehlbedarf nicht von heute auf morgen decken: „Trotzdem
dürfen wir die Forderung nach einer flächendeckenden Versorgung,
wie sie im Bayerischen Musikplan niedergelegt ist, nicht aus den
Augen verlieren.“
Carl-Orff-Medaille
Die höchste Auszeichnung, die der VBSM zu vergeben hat, ist
die Carl-Orff-Medaille. Sie wird seit 1980 an Personen und Institutionen
verliehen, die sich in herausragender Weise um die Sing- und Musikschulen
in Bayern verdient gemacht haben. In diesem Jahr ging die Auszeichnung
an den Schlagzeuger Harald Rüschenbaum, künstlerischer
Leiter des Landes-Jugendjazzorchesters.
Richard Wiedamann, Leiter des Bayerischen Jazzinstituts, würdigte
Rüschenbaum nicht nur als Musikpädagogen und Musiker,
sondern auch als einen „Mann des visionären Denkens“,
der dafür verantwortlich sei, „dass so mancher junger
Musiker eine Wahrheit mit auf den Weg nimmt, die so gar nicht mit
unserer materiell orientierten Medienkultur kompatibel ist: Geist
ist geil.“
78 Prozent des heutigen Musikangebots würden aus kommerzieller
Erwägung produziert, gab Rüschenbaum in seinen Dankesworten
zu bedenken. Nur 13 Prozent kämen von Herzen. Deshalb mahnte
er: „Wenn die Musikerziehung nicht mit Liebe gemacht ist,
ist sie umsonst.“ Abschließend ließ er alle Gäste
einen Ton singen: „Warum soll man einen Musikschultag nicht
mit einem Ton beginnen?“