Über die zweite Nacht der Filmmusik in der Münchener
Musikhochschule
Nächte haben es so an sich, dass in ihnen geträumt wird.
So gesehen ist es nur natürlich, dass die deutschen Filmkomponisten
eine ganze Nacht dazu nutzten, um dem Publikum Werke vorzustellen,
deren Aufgabe es ist, die Phantasie der Menschen anzuregen und die
Bilder der Filme greifbarer zu machen. Da man hierzulande recht
wenig Notiz von der Zunft nimmt, die Bildern eine klangliche Dimension
gibt und man hiesige Filmkomponisten in der Regel erst dann zur
Kenntnis nimmt, wenn sie in einer Traumfabrik arbeiten und dort
das Herzeleid unserer Lieblingshelden vertonen, besteht noch erheblicher
Bedarf an wirkungsvoller Selbstdarstellung für Filmkomponisten.
Der Deutsche Komponistenverband und der CC Composer’s Club,
zwei Vereinigungen, in denen sich auch Film-, TV- und Hörspielkomponisten
tummeln, wollten deshalb am 28. Oktober an ihre erfolgreiche Pilotveranstaltung
vor zwei Jahren anknüpfen, in der man erstmals Werke deutscher
Filmkomponisten in größerem Rahmen live aufgeführt
hatte. Damals war dem Publikum in der Münchner Musikhochschule
eine Auswahl berühmter und weniger berühmter Filmmusiken
mit großem Orchester und kleineren Ensembles geboten worden.
Man hatte damit ein in Deutschland einzigartiges Event verwirklicht,
das der Akzeptanz und dem Stellenwert der weitgehend ignorierten
deutschen Filmmusik Auftrieb geben sollte.
Die
„Filmfoniker“ im Lichthof der Musikhochschule.
Foto: Martin Hangen
Ein langer Prozess, der sicherlich nicht mit einem oder zwei bejubelten
Abenden beendet werden kann, aber die Komponisten wollen Zeichen
setzen und Impulse geben. Die Voraussetzungen sind gut, denn das
Interesse des Publikums an der Filmmusik ist in der letzten Zeit
immer größer geworden und der große Konzertsaal
der Hochschule für Musik und Theater München war auch
bei dieser Nacht der Filmmusik wieder stark frequentiert. Die Münchner
Symphoniker spielten dort in drei gut einstündigen Blocks ältere
und aktuelle Werke deutscher Komponisten. Das Orchester unter Leitung
von Heiko Mathias Förster musste sich anfangs allerdings noch
warm spielen und überzeugte erst ab Mitte des zweiten Blocks,
dessen Höhepunkt ein gut aufgelegter Konstantin Wecker war,
der bei der Aufführung seiner Titelmusiken aus „Schtonk“
und „Kir Royal“ als augenzwinkernd ambitionierter Pfeifsolist
glänzte. Mit der Zeit hatte Förster das Ensemble immer
besser und vor allem rhythmisch im Griff, wie es sich für Filmmusik
eben gehört und auch die Stückauswahl wurde besser.
Neben Niki Reisers Musik zu „Jenseits der Stille“ machten
besonders das lyrische Thema von Marcel Barsottis „Der Schatz
der weißen Falken“ und die bedrückenden Klänge
des Dokumentarfilms „Speer und Er“ aus der Feder von
Hans Peter Ströer einen guten Eindruck. Die Komponisten Rolf
Wilhelm und Gert Wilden sen. hatten die Ehre, ihre Beiträge
selbst zu dirigieren. Letzterer führte den Taktstock, obwohl
er in den 60er- und 70er-Jahren eher auf Abenteuerfilme und Komödien
abonniert war, bei der Vertonung des ernsten Umweltfilms „Der
letzte Birkenjunge“ zu dem Tina Frank als Gast eine sehr gewöhnungsbedürftige
„morriconeske“ Vokalise sang.
Früher war eben doch nicht alles besser. Das bewiesen auch
die Nachwuchskomponisten der Filmmusikklasse von Professor Enjott
Schneider. Zeitgleich zu den arrivierten Komponisten, präsentierten
sie ihre Arbeiten im benachbarten kleinen Konzertsaal und zeigten
dabei eine erstaunliche künstlerische Reife. Dass die Stücke
live zu den auf einer Leinwand laufenden Filmen gespielt wurden,
erinnerte ein wenig an alte Stummfilmzeiten mit Livemusik im Kino
und sorgte für spannende Momente. Mit Christoph Zirngibl wurde
dann auch einer von Schneiders Studenten mit dem Franz-Grothe-Preis
für seine Arbeit an der Kinoversion des Jugend-Klassikers „TKKG“
ausgezeichnet. Die Konzertbesucher konnten sich an diesem Abend
relativ ungezwungen in der ehrwürdigen Musikhochschule bewegen.
Entgegen der sonstigen Gepflogenheiten klassischer Konzertabende
sah man plaudernde Gruppen durch die Gänge flanieren, im Lichthof
mit einem Glas Wein in der Hand der Musik lauschen oder in ungeordneten
Reihen zwischen den Konzertsälen hin und her pendeln.
Das Türpersonal wachte zwar anfangs noch in gewohnter Zerberus-Manier
über die Eingangsmodalitäten, ließ im Laufe des
Abends jedoch zunehmende Resignation erkennen, den Besucherstrom
zurückzuhalten. Schließlich wollte keiner eine Stunde
bis zum Beginn des nächsten Blocks warten und spätestens
beim Auftritt der Munich Traxx hatte die Contenence im großen
Konzertsaal sowieso das nachsehen.
Das Ensemble löste die Münchner Symphoniker ab, als es
daran ging, die Filmhits zu spielen wo Streicher keinen Platz haben
und stattdessen die E-Gitarre ihr Recht einfordert. Dabei erreichten
die Musiker mühelos Lautstärken, bei denen das „Pst“
des Platzanweisers keine Bedeutung mehr hatte. Der unmittelbare
Wechsel vom Symphonieorchester zur Popband tat der Veranstaltung
sehr gut und demonstrierte auf erfrischende Weise die gänzlich
fehlenden Berührungsängste zwischen klassisch orientierten
Filmmusikern und denen, die ihre Sounds lieber mit Samplern und
Synthesizern erzeugen.
Während im großen Saal der Konzertabend zur Party mutierte,
trafen sich im Kaminzimmer die beteiligten Komponisten mit wechselnden
Moderatoren zu Werkstattgesprächen, in denen sie über
ihre aktuelle Arbeit erzählten. Recht informell ging es dort
zu und leider auch recht unprofessionell. Dieser Eindruck drängte
sich auf, wenn man den Komponisten Wolfgang Netzer seinen Kollegen
Marcel Barsotti nach dem Stand seiner Arbeit an „Deutschland
– Ein Sommermärchen“ fragen hörte und der
daraufhin antwortete, die sei längst abgeschlossen und der
Film als erfolgreichster deutscher Dokumentarfilm gerade im Kino.
Naja. Recht wertvoll war dagegen die Moderation von Yvonne Rüchel-Aebersold,
die als Regisseurin den Blick der „anderen“ Seite auf
die Filmmusik ermöglichte.
Inzwischen waren nebenan die Munich Traxx zum Endspurt übergegangen
und das hieß, genau wie beim letzten Mal, dass der Präsident
des DKV Jörg Evers die Bühne betrat. Allerdings nicht
in seiner Eigenschaft als Funktionär, sondern als Komponist
des rockigen Soundtracks von „Manta, Manta“, Gelegenheit
für ihn, selbst zur E-Gitarre zu greifen. Schonungslos, ein
bisschen komisch aber sehr unterhaltsam ging die Nacht der Filmmusik
so mit Jörg Evers und den Munich Traxx zu Ende. Das furios
dröhnende Finale eines gelungenen Abends, der für die
deutschen Filmkomponisten ein Schaulaufen war und ihrem Ansehen
zumindest bei den Anwesenden sehr gut getan haben dürfte.