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nmz-archiv
nmz 2007/02 | Seite 53
56. Jahrgang | Februar
Oper & Konzert
Wenn die Chemie stimmt, stimmt auch die Kunst
BASF-Benefizkonzert mit Claudio Abbado und dem Mahler Chamber
Orchestra
In Zeiten knapper werdender Kassen der öffentlichen Hand
ist Kunst und Kultur wie kein zweiter Bereich in Deutschland auf
das Tätigwerden Privater und die Unterstützung mäzenatischer
Unternehmen angewiesen. Das kulturelle Engagement von Unternehmen
kann dabei auf unterschiedlichen Intentionen basieren, eines
ist jedoch allen gemeinsam: die Förderung der Künste
geschieht in jedem Fall auf freiwilliger Basis und wird daher von
denjenigen, die für das wirtschaftliche Wohl und Wehe des
Unternehmens Verantwortung tragen, besonders kritisch hinterfragt.
Claudio
Abbado dirigiert das Mahler Chamber Orchestra. Foto: BASF
Was bringt also ein Weltunternehmen wie BASF dazu, ein veritables
Konzertprogramm mit über 60 Veranstaltungen pro Jahr auf die
Beine zu stellen, das 2006/2007 von Kammermusik über Ballett
bis hin zu Jazz und der Förderung von musikalischem Nachwuchs
jeder deutschen Großstadt zur Ehre gereichen würde?
Und wo findet man eine deutsche Kommune, die wie dieses Unternehmen
das Jahresbudget von erstaunlichen drei Millionen auf noch erstaunlichere
sechs Millionen Euro verdoppelt?
Es kann nicht nur an der Nähe zum badischen Mannheim liegen,
jener Stadt, die durch die gleichnamigen Rakete und das berühmteste
Orchester des achtzehnten Jahrhunderts bekannt ist.
Apropos Mannheim, dort im Badischen sollte jene Anilinfabrik
gegründet
werden, die aber dann ins pfälzische Ludwigshafen ziehen mußte,
da den Stadtvätern des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts
nicht genehm. Heute spielen Ländergrenzen zwischen Baden Württemberg,
Rheinland Pfalz oder Hessen trotz Förderalismusreform keine
Rolle mehr. Man setzt, europäisch unterstützt, auf Regionalisierung
und hofft so den Standort für zukünftige Mitarbeiter
attraktiv zu gestalten.
Traditionsgemäß unterstützt BASF den Bereich der
Musik besonders stark, verlautbart das Unternehmen, um sein Kulturengagement
zu erklären. So einfach und selbstverständlich kann Großes
ausgedrückt werden und so ehrlich. Da bedarf es keiner weitschweifigen
Bussines Mission, es reicht der Respekt vor dem Erreichten. Seit über
hundert Jahren also gibt es ein Konzerthaus mit 1.400 Plätzen,
das sich charmant „Feierabendhaus“ nennt und tagsüber
die Kantine der Mitarbeiter beherbergt.
Fachgespräch: neue Modelle der Nachwuchsförderung
Einen besonderen Schwerpunkt beim Musiksponsoring setzt das Unternehmen
im Bereich Nachwuchsförderung. Im Zusammenhang der Preisverleihung
an das Mahler Chamber Orchestra mit Claudio Abbado & Friends
befaßte sich ein Fachgespräch mit dem Thema „Neue
Modelle der musikalischen Nachwuchsförderung“.
Unter der Leitung von Christian Höppner (Deutscher Musikrat,
Generalsekretär) diskutierten Eleonore Büning (FAZ),
Udo Dahmen (Pop-Akademie, künstlerischer Direktor), Michael
Haefliger (Lucerne Festival, Intendant), Stefan Piendl (Jeunesse
Musical), Philipp von Steinaecker (Mahler Chamber Orchestra), Jörg
Widmann (Komponist) und Klaus Philipp Seif (BASF).
Dass musikalischer Nachwuchs nicht nur gefördert werden muss,
sondern dessen Ergebnisse auch einer breiten Öffentlichkeit
vermittelt werden müssen, war großer Konses der Runde.
Umso betrüblicher sieht nach Meinung von Eleonore Büning
die Zukunft des deutschen Feuilletons aus, das mehr und mehr zur
Hofberichterstattung von Mega-Events degradiert wird.
Ein stärkeres Engegement der Hochschulen bei der Orchesterausbildung
junger Musikstudenten forderte Philipp von Steinaecker, der darüber
hinaus für mehr Wettbewerb in der Musik eintrat. Diesen bestand
das Gustav Maler Chamber Orchestra unter seinem Dirigenten Claudio
Abbado am Abend mit Bravour.
Auf dem Programm des Konzerts stand Jörg Widmanns Oktett,
Mozarts Klavierkonzert A-Dur, KV 488 und die selten gespielte Serenade
in D-Dur op. 11 von Johannes Brahms. Bereits beim Workshop für
Studenten der Orchesterakademie, den Widmann zur ausführlichen
Erläuterung seiner kompositorischen Vorstellungen nutzte,
war die Spielfreude des Kammerensembles Garant für den musikalischen
Austausch zwischen Orchester und Publikum. Die portugiesische Pianistin
Maria Joao Pires bot einen sich kammermusikalisch einfügenden
Mozart und die solistisch exakte Wiedergabe der frühen Brahms
Serenade unter Abbados fein abgetönter Stabführung bestätigten
die Richtigkeit der Preisverleihung an diesem Abend.
Solange Musiknachwuchs und Musikförderung bei Großunternehmen
der Industrie key accounts bleiben, wird der Standort Deutschland
auch in dieser Hinsicht weiterhin zur Weltspitze zählen.