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nmz-archiv
nmz 2007/02 | Seite 14
56. Jahrgang | Februar
Nachschlag
Keller-Geist
Theo Geißler wird 60. Es würde mich nicht wundern,
wenn es schon 70 wären oder 80. Das hat nun nichts mit seiner äußeren
Erscheinung zu tun. Es liegt an seiner Präsenz, die so stetig
ist, dass man sich gar nicht vorstellen kann, es habe mal Zeiten
ohne Theo Geißler gegeben.
Er ist immer da, er war schon immer
da, und immer an der gleichen Stelle – nämlich nahe
beim Fundament, im Untergeschoss der Villa „Deutsches Musikleben“,
da treibt Theo sein Unwesen. In den lichten Salons der Eitelkeiten,
im Obergeschoss
der Mächtigen, im Foyer des Blitzlichtgewitters ist nicht
sein Platz. Er haust im Keller. Dort wo die Stützpfeiler stehen
und wo in jedem Haushalt das Eingemachte lagert.
Thomas
Rietschel. Foto: Hufner
Und wenn es ihm
wieder mal langt, dann wird dem Oberhaus beim monatlichen nmz-Buffet eine
Portion angegammeltes Eingemachtes präsentiert.
Die ewigen Bewohner der Obergeschosse, die seit Jahrzehnten dort
oben wandeln, die schimpfen dann auf den Poltergeist im Keller,
der einem schon wieder das schöne Buffet mit verschimmelter
Marmelade versaut. Man diskutiert darüber, wie man den unangenehmen
Geist loswerden könnte – dazu kommt es jedoch nie, denn
ein wenig Angst und Respekt haben alle vor ihm –, und über
aller Poltergeistverfluchung vergisst man am Ende die verschimmelte
Marmelade…
Aber dann wird Theo ungnädig und rüttelt heftig an den
faulenden Stützpfeilern, und auf einmal beginnt das ganze
Haus zu wanken.
Im Oberschoss beginnt das Licht zu flackern, es
wird richtig ungemütlich
und erhebliche Unruhe macht sich breit. Alle erinnern sich daran,
dass man es ja schon immer vor hatte, dringend an den Stützpfeilern
etwas zu tun und den Keller auszumisten, und man müsse jetzt
sofort damit beginnen. Bei den endlos gleichen Diskussionen über
das „Wie?“ und das „Wer mit Wem?“ und schlimmer
noch „Wer mit wem nicht?“ erinnert man sich am Ende
dann auch immer wieder an den Fachmann aus dem Untergeschoss, und
dann moderiert Theo Podiumsdiskussionen und wird zu den AGs im
Obergeschoss an den Tisch gebeten. Er kennt sich nämlich aus,
nicht nur im Untergeschoss, sondern vor allem draußen, außerhalb
der Villa Musikleben. Und wenn alles gut geht, wird am Ende sogar
wirklich repariert, wird ein wenig Keller ausgemistet, werden morsche
Stützpfeiler geflickt.
Anschließend lehnt man sich befriedigt
zurück, bis nach
einiger Zeit vergammeltes Apfelkompott auf den Tisch kommt…
Lieber Theo, ohne Dich wäre die Villa Musikleben nicht das,
was sie heute ist. Und hoffentlich können wir noch sehr lange
mit Dir im Geißler-Keller zusammensitzen, ein wenig an den
Fundamenten bohren und vor allem: ans Eingemachte gehen!