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nmz-archiv
nmz 2007/02 | Seite 52
56. Jahrgang | Februar
Wortlaut
Wortlaut
Bedrohtes Wurzelwerk
Auszüge der Rede des Bundestagspräsidenten Norbert Lammert
beim Forum Musikalische Bildung des Deutschen Musikrates am 16.
Januar in Berlin.
Norbert
Lammert. Foto: Deutscher Bundestag
„... dass es nach meiner festen Überzeugung eine bemerkenswerte
Diskrepanz gibt zwischen der eindrucksvollen Stärke und Verfassung
des Kulturstaates Deutschland auf der einen Seite und dem im Vergleich
dazu lausigen Zustand der kulturellen Bildung hier in diesem Lande.
... Wir leben in einem Land, das in absoluten und relativen Größenordnungen,
schon gar mit Blick auf öffentliches Engagement, mehr Geld
für die Förderung von Kunst und Kultur ausgibt als fast
jedes andere Land der Welt. Ich bin fest davon überzeugt,
dass einschließlich globaler Minderausgaben und gelegentlicher
Kürzungsnotwendigkeiten in öffentlichen Haushalten der
Kulturstaat Deutschland nicht in seinen Blüten bedroht ist,
sondern in seinen Wurzeln. ... Wir müssen uns viel mehr Sorgen
darum machen, wer eigentlich in Zukunft Konzerte unserer Orchester
besucht. ... Ich halte die Geschichte nicht für hoffnungslos,
aber ich sehe keinen Weg jenseits des Unterrichts in den Schulen.
Es wäre ein gigantischer Irrtum, wenn wir aus der offenkundigen
Not eine vermeintliche Tugend machen wollten, nähmen den Zustand,
wie er sich hier dokumentiert, in einer Mischung aus Resignation
und Hilflosigkeit zur Kenntnis und sagten, wir stützen uns
auf alle möglichen Alternativen nebenher. Wir reden hier über
eine politische Aufgabe, über eine hochpolitische Verantwortung.
Die Förderung von Kunst und Kultur und die Förderung
der kulturellen und musikalischen Bildung muss ein Gemeinschaftsprojekt
von Bund, Ländern und Kommunen sein. Wenn aber alle für
alles zuständig sind, ist keiner für etwas konkret verantwortlich.
Es braucht eine intelligente Verbindung jeweils spezifischer Aufgaben.
Es ergibt sich eine vorrangige Verpflichtung der Kommunen und Länder.
Wir brauchen einen anderen Ergeiz der Kultusministerien der Länder
im Umgang mit den musischen Fächern, flankiert von einer stärkeren
Einsicht der Eltern in den Stellenwert der musikalischen, der musischen
Bildung. ... Es gibt ein ganz besonders ambitiöses Projekt,
das vom Bund und dem Land Nordrhein-Westfalen in Verbindung
mit der nächsten deutschen Kulturhauptstadt auf den Weg gebracht
wird und von dem wir jetzt versuchen, es zu einer regionalen und
dann landesweiten und, wenn es ganz gut geht, bundesweiten Initiative
zu machen: jedes Kind in der Grundschule an ein Instrument zu bringen.
Dafür werden aus den Mitteln des Bundes 10 Millionen Euro
zur Verfügung gestellt mit der Verpflichtung, das Projekt
auch nach der Förderung durch den Bund weiter zu führen.
... Wichtig ist, bei den Kindern die musikalische Bildung frühzeitig
als eigenes Anliegen zu entdecken, diese in den Schulen mit gleichem
Ernst einzufordern wie die Unterrichtung in anderen Fächern
und schließlich die kulturelle Bildung genau so ernst zu
nehmen wie die Institutionen dieses Kulturstaates.“