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nmz-archiv
nmz 2007/02 | Seite 17
56. Jahrgang | Februar
Kulturpolitik
Gegenwärtiges Komponieren im Neuland Balkan
Das DLF-Forum Neuer Musik erkundet im März 2007 Südosteuropa
Das
Werkstatt-Festival Forum Neuer Musik des Deutschlandfunk bewegt
sich in seiner Programmstruktur nach wie vor in ästhetischen
aber auch geografischen Zonen, die andere ignorieren. Wenn
Ende März im DLF-Kammermusiksaal in Köln wieder zeitgenössische
Musik erklingt, dann richtet sich der Fokus der Veranstalter auf
den Balkan: „Der EU-Beitritt Rumäniens und Bulgariens,
Debatten um das Verhältnis der Türkei zum vereinten Europa,
und die geringe kulturelle Repräsentanz des Südostens
im Westen sind für uns Herausforderung, hier auf Spurensuche
zu gehen“, sagt der Leiter des Forums Frank Kämpfer.
Im Vorfeld sprach Andreas Kolb (nmz) mit dem DLF-Redakteur.
neue musikzeitung: Welche musikalischen Welten kann man in den
fünf Konzerten Ihres FORUMs konkret entdecken?
Christoph
Korn, Oliver Augst und Marcel Daemgen bei Proben zum Forum
Neuer Musik 2005. Foto: Deutschlandfunk
Kämpfer: Das Eröffnungskonzert mit dem international
besetzten Ensemble European Music Project führt nach Serbien.
Es kombiniert Werke der mittleren Belgrader Generation und traditionelle
Musik. Und es bietet eine experimentelle Gemeinschaftskomposition
der jungen Belgraderin Irena Popovic und des Ensemble-Leiters Jürgen
Grözinger, die Improvisation, Volksmusikalisches und Elektroakustisches
vereint. Zwei Klavier-Recitals verweisen auf Rumänien und
Griechenland. Dan Dediu spielt drei Generationen Bukarester Moderne – der
in München lebende Minas Borboudakis versammelt Kompositionen
jüngerer Griechen. Es geht aber nicht darum, landesspezifische
Komponierweisen auszumachen, sondern die beginnende Integration
der Leute aus dem Südosten in unseren mittel- und westeuropäischen
Musikbetrieb aufzuzeigen und zu befördern. Deshalb machen
wir ein Projekt von Marko Ciciliani, einem gebürtigen Kroaten,
der in Amsterdam lebt. Dazu passt auch das Konzert mit dem in Utrecht
ansässigen Ensemble Insomnio – eine Formation übrigens
der IGNM-Weltmusiktage 2007 –, das mit dem Albaner Thoma
Simaku, der Rumänin Carmen Maria Cârneci und dem Türken
Ugras Durmus Werke dreier „expatriats“ versammelt.
nmz: Beim Forum 07 kann man wieder eine Reihe unbekannter und
junger Komponisten kennenlernen – wie und wo entdecken Sie sie?
Kämpfer: Anregungen verdanke
ich zum Beispiel der Konzertreihe „YOUrope
together“, die die Essener Philharmonie gemeinsam mit dem
DLF realisiert. Oder unseren Veranstaltungen Europäischer
Contrapunkt im Münchner Goethe-Forum, zu dessen Partnern ja
auch die nmz gehört. Und nicht zuletzt verschiedenen Sendeprojekten
im Rahmen des Ateliers Neue Musik in meiner Redaktion.
nmz: Zuletzt eine etwas heikle
Frage: Setzen Sie sich mit solchen Programmierungen innerhalb der
Szene der Neuen Musik nicht Vorwürfen
aus, auf dem Balkan günstig und gut einzukaufen?
Kämpfer: Die Mehrzahl der
Künstler des Forums 07 lebt
in Deutschland und den Niederlanden. Außerdem sieht der DLF-Honorarrahmen
keine Möglichkeit für Benachteiligungen auf Grund von
Wohnorten oder Staatsangehörigkeiten vor. Heikel ist Ihre
Frage in ganz anderer Hinsicht. Dergestalt nämlich, dass eine
Komponistin in Belgrad von ihrem Honorar ein ganzes Jahr leben
kann, ein Komponist in Berlin oder München aber nur einige
Wochen. Es klaffen also zwischen West- und Südosteuropa ganz
immense Differenzen im Preis- und Wertesystem, mit denen alle Beteiligten
leben und umgehen müssen. Vorsätzliches Preisdumping
ergibt an keinem Ort der Welt ein gutes und innovatives Programm,
so wie es bei uns im März zu erleben sein wird.