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nmz-archiv
nmz 2007/02 | Seite 6
56. Jahrgang | Februar
Magazin
Die Saarbrücker Komponistenwerkstatt
Für die nmz befragte Friedrich Spangemacher den Komponisten
und Initiator Theo Brandmüller
neue musikzeitung: Theo Brandmüller, worum geht es bei der
Saarbrücker Kompositionswerkstatt?
Manfred
Schreier bei der Probe. Foto: Anne Dunkel
Theo Brandmüller: Ich hatte
die Idee, dass bei wirklich talentierten Leuten als Abschluss eines
Kompositionsstudiums ein Orchesterstück
stehen sollte. Das führt im Alltag aber oft zu einem Problem,
denn die Hochschulorchester sind dazu in der Regel nicht willens
und auch nicht in der Lage, diese Dinge in zeitaufwändiger
Form zu proben, geschweige denn aufzuführen. Die Idee kam
damals im Gespräch mit Frau Dr. Tomek vom Saarländischen
Rundfunk auf. Wir wollten einen Wettbewerb ins Leben rufen, bei
dem jungen talentierten Komponisten und Komponistinnen die Möglichkeit
gegeben werden sollte, ihre Orchesterarbeiten zur Aufführung
zu bringen. Und diese Idee ist, wie ich sagen kann, eingeschlagen.
nmz: Dieses Projekt „Komponistenwerkstatt“ gibt es
seit über zehn Jahren. Wer kann sich denn bewerben?
Brandmüller: Bewerben können sich prinzipiell Kompositionsstudenten,
die am Ende ihres Studiums stehen oder es seit ein, zwei Semestern
abgeschlossen haben. Wir wollen keine gestandenen, arrivierten
Komponisten ansprechen, sondern solche, die am Beginn ihrer Karriere
stehen und denen möglicherweise ein solcher Einschwingvorgang – so
nenne ich es mal –, nämlich die Realisation eines komplexen
Orchesterapparates, auch für ihre weitere Karriere hilft.
nmz: Die Ausschreibung richtet
sich an Absolventen deutscher Hochschulen. Gibt es irgendwelche
Einschränkungen, was die Herkunft der
Komponisten betrifft?
Brandmüller: Nein, im Gegenteil. Wir haben
die Ansprechpartner sogar erweitert, auf mein Betreiben hin. Wir
schreiben jetzt für ‚deutschsprachige‘ Hochschulen
aus, das heißt, wir wenden uns auch an Komponisten in Österreich
und in der Schweiz. Warum nicht europaweit? Das hat die Bewandtnis,
dass ich die ausländische Musikhochschulszene in Bezug auf
eine Realisation von Orchesterwerken nicht genug kenne und auch
nicht weiß, ob es da irgendwelche Bedürfnislagen gibt.
Zum anderen wollten wir erst einmal für die Leute, für
die wir verantwortlich sind, Möglichkeiten schaffen. Natürlich
sind unter den Bewerbern zum großen Teil auch ausländische
Studierende, die an deutschen Hochschulen ihr Studium aufgenommen
haben. Eigentlich sind wir international.
nmz: Träger sind die Hochschule für Musik Saar und der
Saarländische Rundfunk, der sein Orchester zur Verfügung
stellt …
Brandmüller: … und das alles unter dem Dach von Netzwerk
Musik Saar, das Projekte mit Neuer Musik institutsübergreifend
fördert.
nmz: Was reicht man ein, wie wird
ausgewählt, wer ist in der
Jury?
Brandmüller: Wir rufen auf, ein zirka 15-minütiges Werk
zu schreiben, das den Bedingungen des großen Sendesaals des
SR und der Stammbesetzung des Orchesters genügt. Selbstverständlich
gibt es eine Jury und wir haben uns immer sehr viel Mühe gegeben,
die Jury unter folgenden Aspekten zu sehen: wir wollten einen Teil
Stammjury, also Leute, die immer da sind, um die Vergleichbarkeit
der Werkstatt zu garantieren. Wir wollten auch die Nähe zu
Frankreich betonen. Deswegen hatten wir immer Gilbert Amy, einen
der wichtigsten Komponisten Frankreichs, mit an Bord. Dazu kamen
Vertreter deutschsprachiger Hochschulen, ansonsten erfahrene Komponisten,
die auch Erfahrung als Kompositionslehrer haben. Um das mit Namen
zu unterstreichen: Wir hatten Toshio Hosokawa aus Tokio, wir hatten
Beat Furrer aus Graz, Manfred Trojahn aus Düsseldorf, Detlev
Müller-Siemens aus Basel, aus Luxemburg Claude Lenners, aus
Metz Claude Lefebvre, Hanspeter Kyburz aus Berlin, Younghi Pagh-Paan
aus Bremen.
nmz: Zu der Jury stößt dann der Chefdirigent des RSO.
Brandmüller: Richtig, der jeweilige Chefdirigent,
das war schon zu Michael Sterns Zeiten so; dann natürlich Herr Herbig,
und jetzt hoffen wir auch auf Christoph Poppen. Dazu kommt meine
Wenigkeit als Initiator, Kompositionslehrer und Komponist.
nmz: Der Dirigent des Projektes
ist nicht notwendigerweise der Chefdirigent des RSO?
Brandmüller: Das hat sich noch nicht so
ergeben. Beim ersten Mal kam ein Vorschlag von Frau Dr. Tomek,
Konstantia Gourzi
diese Arbeitsphase anzuvertrauen. Sie hat das gut gemacht. Dann
kam Andrea Pestalozza aus Genua und danach stellte sich eine mehrjährige
Zusammenarbeit mit Professor Manfred Schreier ein, der ein sehr
kompetenter Dirigent und ebenso ein Kenner der Neuen Musik ist
und der auch intensiv bei der Seminararbeit mitmacht. Die Seminararbeit
ist ja ganz zentral bei diesem Projekt. Deshalb heißt es
auch Werkstatt. Es gibt das Nacharbeiten der Partituren auch nach
den Proben mit den Bändern, die wir gemeinsam abhören,
es gibt immer ein ästhetisches Diskutieren. Man kann die Werkstatt
fast als ein verkapptes Minikompositionsstudium bezeichnen.
nmz: Heißt das, dass Komponisten während der Probephase
ihre Stücke auch noch ändern können?
Brandmüller: Ja, seitdem ich vor 30 Jahren über Debussy
gelesen habe, dass er immer noch viel geändert hat, sage ich
den Komponisten heute: Habt keine Scheu, auch bis zur Generalprobe
noch Dinge zu ändern, um eure Stücke optimal zu realisieren.
Das Orchestrieren braucht eine Lebenserfahrung, und wer 20 ist,
hat diese Erfahrung noch nicht wie ein 60-Jähriger. Durch
dieses Feedback mit den Instrumentalisten, aber auch durch das
Hören der Aufnahme und durch die Ratschläge der Betreuer
haben sich immer noch kleine Dinge verändert zugunsten einer
strukturellen Verdichtung oder einer Aufhellung von Texturen.
nmz: Wie partizipiert denn eigentlich
das Publikum an dieser Arbeit?
Brandmüller: Die Idee ist natürlich, das Ergebnis einem
Publikum im Konzert vorzustellen. Wir haben auch schon Publikum
in die Generalprobe eingeladen. Manfred Schreier hat auch immer
wieder die Stücke im Konzert angespielt und mit dem Komponisten
zusammen auf der Bühne Dinge erklärt. Und es hat sich
immer gezeigt, dass, wenn ein junger Komponist vor dem Publikum
steht, sich ein Sympathikus regt, und schnell entstand immer eine
gute Stimmung, eine Atmosphäre des Gewogenseins.
nmz: Wer sind denn die Gewinner
gewesen in den vergangenen zehn Jahren? Gibt es denn Leute, die
man schon kennt?
Brandmüller: Ich glaube, man darf sagen,
dass die Saarbrücker
Komponistenwerkstatt der Einschwingvorgang von sich abzeichnenden
Karrieren gewesen ist. Ich habe in der Jury der Studienstiftung
des deutschen Volkes diese Namen immer wieder gelesen. Und wenn
ich mal einige so Revue passieren lasse … Da gab es Jörn
Arnecke, der anschließend von der Hamburgischen Staatsoper
einen Opernauftrag bekommen hat, oder Steingrimur Rohloff, der
den Bernd-Alois-Zimmermann-Preis bekam, Minas Borboudakis, der
in München arbeitet, Gordon Kampe, der verschiedentlich ausgezeichnet
wurde, Anno Schreier, der einen Opernauftrag für die Stadt
Mainz bekam, oder Michael Langemann, der jetzt bei Tristan Murail
in New York studiert. Außerdem sind zwei Schüler von
mir dabei; eine, die geradezu mit Preisen überhäuft wird
im Moment, Karola Obermüller, und Lin Wang, die ähnlich
erfolgreich ist. Das kann sich schon sehen lassen.
nmz: Wann findet die nächste Werkstatt statt?
Brandmüller: Voraussichtlich im Jahre 2009.
Die Deadline für
die Einsendung steht noch nicht fest. Man kann sich aber über
die Saarbrücker Musikhochschule, das Netzwerk Musik Saar oder
den Saarländischen Rundfunk informieren. Die Handzettel schicke
ich früh genug an alle Kompositionslehrer, so dass die Informationen
direkt an die richtigen Adressen kommen.