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nmz-archiv
nmz 2007/02 | Seite 46
56. Jahrgang | Februar
Noten
Quer durch die Musikgeschichte
Kammermusik-Neuerscheinungen für Amateure und Profis vom
Barock bis zur Gegenwart
Jeremy Barlow (Hrsg.): Tune up the fiddle!
16 Easy to Intermediate
Pieces from 18th-century Sweden for Violin (Flute or Oboe) and
Keyboard, and optional Cello (Bassoon). Schott ED 12863 (2006)
Anders als es die Gesichter der Musiker auf dem Cover von „Tune
up the fiddle“ vermuten lassen, laden die 16 leichten bis
mittelschweren Stücke aus dem Schweden des 18. Jahrhunderts
zum gemeinsamen Musizieren ein. Die Sammlung erscheint in der Reihe „Baroque
Around the World“ und enthält Lieder und Tänze
in barockem sowie klassischem Stil, die sich besonders für
die kammermusikalische Praxis in Musikschulen beziehungsweise im
Amateurbereich eignen. Komponisten der Stücke sind Roman,
Johnsen, Agrell, Wesström, Müller, Wikmanson und Bellman.
Sie werden in den Anmerkungen vorgestellt. Der Herausgeber nimmt
einige Veränderungen gegenüber dem Original vor, die
der Vereinheitlichung sowie Vereinfachung dienen. So sind etwa „Doppelgriffe“ wie
die in der 4. Variation Wesströms mit nur einem gegriffenen
Finger und einer leeren Saite technisch leicht umsetzbar. Die in
einigen Stücken optionale 2. Geige kann durchgehend in der
1. Lage gespielt werden, der Melodiepart bewegt sich bis in die
3. Lage. Alle Stücke sind auf einer CD eingespielt, auch
als play along.
Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791): Pantomime. Für
Kammerensemble. Freie Rekonstruktion des erhaltenen Fragments KV
446 (416d) von Alfred Schnittke (1934-1998). Sikorski ED. Nr. 1756
(2006)
Eine größere Besetzung fordert mit 12 Musikern Schnittkes
Pantomime, die er 1975 auf den Wunsch Gidon Kremers nach dem Mozartschen
Fragment „mit leichten Stil-Verzerrungen in der Instrumentation“ rekonstruierte. „Es
entstand eine ganz leichtsinnige Commedia dell`arte-Imitation,
die mit einem russischen Neujahrslied für Kinder endete“,
berichtet Schnittke. Zur ursprünglichen Streichquartettbesetzung
bei Mozart kommen in der bearbeiteten Fassung eine dritte Geige,
Flöte, Klarinette, Schlagwerk, Kontrabass und Orgel hinzu.
Schnittke verarbeitet die einzig überlieferte Violinstimme
des Fragments, das Finale komponiert er komplett neu, so dass ein
Stück von 15 Minuten Länge entsteht. Neben der Besetzung
verraten Spieleffekte wie Glissandi und Flageoletttöne, dass
wir es – ohne Mozart zu verkennen – mit einem „nicht
ernst gemeinten Rekonstruktionsversuch“ (Schnittke) zu tun
haben. Dem programmatischen Charakter des Stücks entspricht
der Vorschlag für einen Handlungsverlauf im Anhang. Mozart
selbst spielte bei der Aufführung seiner „Masquerade“ am
Faschingsmontag 1783 in der Wiener Hofburg den Harlekin. Eine szenische
Darstellung bietet sich an, das Stück ist jedoch musikalisch
reichhaltig genug um auch als Orchestersuite zu bestehen. Die
Bearbeitung der Pantomime regte Schnittke zu seinen Moz-Art-Kompositionen
an,
die ebenfalls bei Sikorski erschienen sind.
Thomas Larcher (*1963): Mumien. Für Violoncello und Klavier,
2001. Schott CB 182 (2006)
Virtuose Technik und achtsames Zusammenspiel sind in Larchers „Mumien“ gefragt. „Ich
schreibe (...) für klassische Musiker, die gerne stark gefordert
werden, gleichzeitig aber ein Misstrauen hegen gegen die inflationäre
Verwendung ungewöhnlicher Spieltechniken und Klangeffekte“,
sagt Larcher. Die modernen Klangeffekte des Violoncellos und des
mit Radiergummi präparierten Klaviers werden in Mumien als
musikalische Bausteine bewusst gesetzt, nicht um zu schockieren,
sondern um verborgene Affekte unmittelbar ans Licht zu bringen.
Die präzisen Angaben zur Spieltechnik in der Legende und im
Stück sind für die Musiker hilfreich. Das Hämmern
der Sechzehntel, die anfangs nur in der Klavierstimme, dann auch
im Cellopart immer wieder an- und abschwellen, halten ihre energetische
Wirkung bis zum letzten Satz, der in einem langsamen dreifachen
Piano schließt ohne die emotionale Spannung der ersten beiden
Sätze zu verlieren – „unter dem Mikroskop explodiert
der Nanokosmos“.