[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2007/02 | Seite 37
56. Jahrgang | Februar
Bayerischer Kulturrat
Rettung vor dem Vergessen
Ausstellungen im Museum Moderner Kunst - Passau
Noch bis 18. Februar
läuft eine Ausstellung von Dieter Buchhart
unter dem Titel „CUT. Zwei Menschen. Neun Leben. Ein Film.“
CUT ist eine interaktive Videogeschichte der beiden fiktiven
Protagonisten Paul Schmidt und Clara Thomsen, die 2004 bei einem
tragischen Autounfall
ums Leben kamen. In der – auf die Räume des Museums
Moderner Kunst Passau abgestimmten – Videoinstallation wird
dem Betrachter eine Entscheidung mit neun Möglichkeiten angeboten.
Dabei geben die assoziativen momenthaften Videobilder, Fotografien
und persönlichen Gegenstände Hinweise, die eine Rekonstruktion
ihrer Vergangenheit evozieren. Wer waren Paul und Clara, in welchem
Verhältnis standen sie zueinander und welche dramatische Verkettung
von Ereignissen führten zum tödlichen Crash? Der österreichische
Konzeptkünstler Dieter Buchhart spielt mit den Mechanismen
von Realität und Fiktion, Entscheidungsfreiheit, Zufall und
Schicksal. Durch die unterschiedlichen Verknüpfungsmöglichkeiten
kommt es zu einer Rekonstruktion von Erinnerung und Vergessen.
Indem der Künstler die Besucher aktiv in das Spiel um Leben
und Tod mit einbezieht, unterläuft er traditionelle Erwartungshaltungen
an ein Kunstwerk und setzt einen Prozess der Infragestellung dieser
Mechanismen in Gang.
Noch bis 4. März ist eine Ausstellung von Miroslav Tichý zu
sehen. Sie trägt den Titel „Artists for Tichý – Tichý for
artists”. Der heute 80-jährige tschechische Fotograf
Miroslav Tichý lebt seit Jahren äußerst zurückgezogen
in seiner Heimatstadt Kjyov und meidet, obwohl inzwischen weltberühmt,
heute wie damals jeden Kunsttrubel um seine Person. Der Entschluss,
jegliche Produktion von Bildern einzustellen und damit der Kunstwelt
wie auch dem sozialen Umfeld zu entsagen, fiel fast gleichzeitig
mit dem Besuch des Malers Arnulf Rainer im Jahre 1992 zusammen.
Dieser musste feststellen, dass Tichý seine Arbeiten nicht
für Geld aus seinen Händen geben wollte: „Wozu
brauche ich Geld, es genügen ein paar Kronen für Zigaretten
und eine Flasche Slivovic“, so Tichý. Dass jedoch
sowohl der Künstler – wie auch der Mensch Tichý – auf
dem zeitgenössischen Kunstgelände seit kurzer Zeit eine
exponierte Position einnimmt, beruht auf der Achtsamkeit von zwei
Personen: von Harald Szeemann, der mit seinem Kennerblick für
das Ungewöhnliche bei seiner ersten Sichtung voller Begeisterung
war und Tichý bei der Biennale in Sevilla 2004 in den zeitgenössischen
Kunstkontext stellte, und von Roman Buxbaum, der seit seiner Kindheit
familiär mit Tichý verbunden ist. Buxbaum rettete das
Oeuvre Tichýs nicht nur vor dem Vergessen, sondern auch
vor der sicheren Vernichtung durch kontinuierlichen Verfall. Die
Passauer Ausstellung, die sich über rund 900 m² erstreckt,
wird nicht nur einen umfassenden Einblick in den fotografischen
Kosmos von Miroslav Tichý geben – und somit die erste
Museumspräsentation des Künstlers in Deutschland bedeuten – sondern
auch den unkonventionellen Ansatz dieses „Work in Progress“-Tauschprojektes
verdeutlichen. Mittlerweile haben mehr als 25 Künstlerinnen
und Künstler wie Thomas Ruff, Fischli/Weiss, Arnulf Rainer,
Jürgen Klauke, Jonathan Meese, Keith Tyson, Anna & Bernhard
Blume, Daniele Buetti, Katharina Grosse, Annelies Strba und viele
andere mit der Stiftung „Tichý Ocean“ (Roman
Buxbaum & Adi Hoesle) Tichý-Arbeiten gegen eigene, zum
Teil für Tichý geschaffene Werke getauscht. Anstelle
eines rationalen ökonomischen Systems wurde eine Transaktion
installiert, die auf dem Austausch von menschlichen und persönlichen
Beziehungen basiert und zwischen Gruppen und Individuen funktioniert.
Weitere Ausstellungen: Johannes Zechner (24. Februar bis 22.
April 2007); Zoran Music. Aus der Sammlung Großhaus (3. März
bis 20. Mai 2007); Jeff Beer (28. April bis 17. Juni 2007); Joseph
Beuys. Heilkräfte der Kunst. Werke aus der Sammlung Murken
(26. Mai bis 19. August 2007). Info: Museum Moderner Kunst Passau,
Bräugasse 17, Tel. 0851/38 38 79-0, E-Mail: info@woerlen-mmk.de
und www.mmk-passau.de