[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2007/02 | Seite 37
56. Jahrgang | Februar
Landesmusikräte :: NRW
Überleben nach dem Studium
Diskussion zur Schnittstelle von Musikhochschule und Berufsmusik
Über zwei Jahre hinweg hat sich die Arbeitsgemeinschaft „Musik
in Beruf, Medien und Wirtschaft“ des Landesmusikrats NRW
in Diskussionsrunden und Vorträgen mit dem Thema „Musik
und Beruf“ beschäftigt. Zum Abschluss diskutierten am
12. Januar im WDR-Funkhaus Köln Carola Bauckholt (Komponistin),
Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff (Staatssekretär für Kultur
NRW), Dr. Andrea Hanke (Dezernentin für Schule, Kultur und
Sport der Stadt Münster) und Prof. Dr. Werner Lohmann (Präsident
des Landesmusikrates NRW). Werner Wittersheim (WDR 3) moderierte
die Diskussionsrunde „Was soll aus euch nur werden? – Die
Zukunft der Berufsmusik” im Rahmen des „Kulturpolitischen
Forums“ von WDR 3.
Führt das Studium an einer Musikhochschule in ein Berufsleben,
in dem ein Musiker überleben kann? Oder bilden die Hochschulen
an den beruflichen Chancen vorbei aus? Carola Bauckholt stellte
für das Kompositionsstudium fest, dass es nicht darum gehe,
eine Beschäftigungsgarantie für Studenten zu geben. „Doch
warum schrumpft das finanzielle Feld für die Bestimmung der
eigenen kulturellen Identität immer mehr?“
Die Politik sollte nicht auf die Leuchttürme sehen, sondern
Foren unterstützen und schaffen. Darin folgte ihr Hans-Heinrich
Grosse-Brockhoff durchaus: „Wir sind am allerwenigsten angetreten,
um neue Leuchttürme zu schaffen. Wir wollen auch wieder stille
Arbeit fördern.“
Wie steht es um die Foren und um die Spielstättenförderung
in NRW? Selbstbewusst stellte Andrea Hanke die kulturelle Infrastruktur
in Münster heraus. Die Stadt hält zum Beispiel ein Haus
für die freien darstellenden Künstler vor. Für viele
Kommunen in NRW bedeute aber ein angespannter Haushalt oder gar
die Haushaltssicherung durch den Regierungspräsidenten ein
unüberwindliches Hindernis vor einer Förderung der kulturellen
Infrastruktur. Auch der Staatssekretär räumte Defizite
in der Spielstättenförderung ein. Angesichts der Schließung
von Kirchengebäuden in Deutschland regte er an, diese Häuser
für die Kunst zu öffnen.
Eine grundsätzliche Homogenisierung des Verhältnisses
von Hochschulausbildung und Berufsmöglichkeiten steht nicht
im Raum. Der Landesmusikrat NRW hat die Schieflage zwischen
Berufsausbildung und Realität mit vielen Daten belegt. Da
viele Musikstudenten nie im angestrebten künstlerischen Beruf
unterkommen und sich dann wahrscheinlich als Musiklehrer verdingen
werden, sollten die Hochschulen nicht generell eine stärkere
pädagogische Befähigung in allen Studiengängen vermitteln?
Werner Lohmann plädierte dafür, dass das Hochschulstudium
generell zu einer Mehrfachqualifikation führen sollte, damit
kein Absolvent auf einem Schmalspurgleis weiterkommen muss. Im
Mehrfachen müsse aber nicht unbedingt die Pädagogik enthalten
sein. Carola Bauckholt forderte, dass die kreativen Bereiche der
Hochschulen von pädagogischen Verpflichtungen ganz freigehalten
werden.
Doch ist es nicht wichtig, fragte Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff,
dass die Kinder in den Schulen nicht nur die Kunst, sondern auch
Künstler als Personen kennenlernen? Sein Landesprogramm „Kultur
und Schule“ lässt Musiker als Künstler projektweise
mit Schulklassen arbeiten. Gut, aber bitte mit den Pädagogen,
relativierte Carola Bauckholt, und nicht an deren Stelle.
Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff konnte auch auf das vom Land NRW
und von der Bundeskulturstiftung getragene Programm „Jedem
Kind ein Instrument“ verweisen, das jedem Kind im Ruhrgebiet
die Möglichkeit des Instrumentalunterrichts bei minimalen
Kosten für die Eltern eröffnet. Für Musiklehrer
soll dieses Programm eine „Jobmaschine“ sein.
Die kulturelle Bildung genießt in der Kulturpolitik des Landes
NRW eine besondere Wertschätzung, und er appellierte an die
Runde: „Wir sollten dieser Gesellschaft klar machen, wie
wichtig kulturelle Bildung auch für das Fortbestehen der Gesellschaft
selbst ist.“ Die Antwort auf die Frage, auf welche Berufschancen
hin die Hochschulen ausbilden, läge damit nicht in einer Neuordnung
der Studien oder in einer Umgestaltung des Berufslebens „von
oben“ her, sondern in einer deutlich verstärkten
kulturellen Grundbildung der jungen Generationen, auf denen das öffentliche
Musikleben von morgen ruht. ? rvz