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2007/04 | Seite 12
56. Jahrgang | April
Ferchows Fenstersturz
Phänomen ECHO 2007
Natürlich wird der ECHO 2007 ein Drama. Die Veranstaltung
bettelt um Aufmerksamkeit, doch die angekündigten Gäste
sowie die vorab lancierten Geschichtchen lassen schon jetzt auf
ein Langweile-Fiasko schließen. Da wäre Yvonne Catterfeld:
offensichtlich doch noch Sängerin, ECHO-Moderatorin und Zahnmodell.
Ihr Kiefer wurde rechtzeitig vom chirurgischen Bautrupp mit Stichling
und Brecheisen gerade genietet, berichtet die BILD-Zeitung in
dicken Balken. Glück gehabt: die ECHO-Moderation steht. Schließlich
ist die Gute noch für die Kategorie „Rock/Pop – Künstlerin
des Jahres national“ nominiert. Dass Bohlens Mädchen
2006 oder im Jahr davor einen Hit hatte, mag man gar nicht mehr
glauben, denn Aufmerksamkeit erregte sie nur durch eine Beziehung
zu Howard Carpendales tanzendem Sohn, eine Art Detlef „Dee“ Soost
für Mittelständler.
Selbst die Ankündigung, „Take That“ und „Simply
Red“, zwei ausgemusterte und Schabracken des Popozeans, würden
nagelneue Songs präsentieren, fällt eher unter die Kategorie „Jämmerlichstes
Eingeständnis national, dass kein wirklicher Weltstar zum
ECHO möchte“. Ach ja, „Die Fantastischen Vier“ scheinen
auch dabei zu sein. Doch die ähneln langsam Co-Moderator Oliver
Geissen. Der ist überall dabei, die sind überall dabei.
Keine Quiz-, Talk-, Funsport- oder ultimative Show ohne Smudo.
Dass Jennifer Lopez, Freunde nennen sie JLo, zum ECHO 2007 kommt,
ist eher eine Umweltverschmutzung als Unterhaltung, denn wer mag
sich noch freiwillig an ihren letzten Hit erinnern? Ob sie ihr
neues Lied dann in Spanisch oder Suaheli singt, ist egal. Das Drama
liegt an anderer Stelle eingezwängt. Denn JLo reist nicht
alleine. Im Gepäck: 3 Pudel-Coiffeure, 7 politisch korrekte
Leibwächter, 13 Maskenbildner und ein Chirurgen Team mit gezogenen
Botox-Spritzen. Ein immenser Aufwand für eine Playback-Show,
denn wie wir Fluglotsen wissen, kostet der Einflug der Diva einen
Ausstoß von 560 Tonnen des klimaschädlichen Kohlendioxids
CO2 und 16 Tonnen Kerosin. One way. Kann sich da nicht Bundesumweltengel
Gabriel einschalten? Der war doch mal Popminister. Soll er doch
mal was Sinnvolles verbieten.
Das größte Unterhaltungs-Drama an sich bleibt freilich
der ECHO. Bewertungsgrundlage sollen die von Media Control ermittelten
Bestplatzierten der Top-10-Album-Charts vom 01. März 2006
bis 22. Februar 2007 sein. Aber Moment: Weint die Deutsche Phonoindustrie
nicht seit Jahren, dass es gar keine Plattenkäufer mehr gibt?
Woher haben die dann die Zahlen? Kaufen die Künstler wieder
selbst ihre Platten? Wo ist eigentlich Jeanette Biedermann? Irgendwie
scheint das Konzept nicht zu stimmen. Keiner kauft Platten, aber
die, die nicht kaufen, sind ausschlaggebend für den ECHO.
Vorschlag: Bitte die Bewertungsgrundlage ändern. Warum nicht
die Künstler mit den meisten Downloads auszeichnen? Separiert
in die Kategorien „Legal“ und „Illegal“.
Das gäbe ein zeitgemäßeres Unterhaltungs-Bild,
eine jüngere Zielgruppe und die große Spannung, welche
immer wieder für irgendetwas ausgezeichnete Größen
endlich von der Bühne gekegelt würden. Der ECHO 2007
bleibt also weiterhin der Humus für Biederkeit. Übrigens:
Ralph Siegel erhält den ECHO für sein Lebenswerk. Wie
dramatisch.