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nmz-archiv
nmz 2007/04 | Seite 1-2
56. Jahrgang | April
Leitartikel
Ein Gema-Klima-Schock
Es ist, als würden Halbmond samt Stern über dem Kölner
Dom gehisst: Die Gema wird bestreikt, unsere monumentale Solidar-
und Inkassogemeinschaft musikalischer Schöpfer und deren Vervielfältiger.
Zwar handelt es sich noch um die warnende Vorstufe einer Arbeitsniederlegung.
Doch haben sich nach Auskunft von ver.di etliche hundert Betriebsangehörige
den Protestveranstaltungen angeschlossen, die in Form einer Widerstandstournee
von Berlin über Hamburg, Hannover, Dortmund, Stuttgart und
Wiesbaden bis zur Münchener Zentrale stattfanden.
Warnstreik
der GEMA-Mitarbeiter in Berlin. Der GEMA-Vorstand will
die Belegschaft zukünftig in „Gutleister“ und „Schlechtleister“ unterteilen.
Foto: Kristin Bäßler
Vorausgegangen war die Kündigung des seit vierzig Jahren
funktionierenden Haus-Tarifvertrages durch den Gema-Vorstand mit
dem Ziel, leistungsbezogene
Kriterien in die Vergütungsverträge einzubasteln und
den Kündigungsschutz zu lockern. Alles im Rahmen des Zeitgeistes,
könnte man kommentieren. Freilich hat sich der Gema-Vorstand
bislang jeglichem Gespräch mit ver.di als Arbeitnehmer-Vertretung
verweigert. Das entbehrt nicht einer gewissen Komik, da ver.di
ein knappes Jahr zuvor, als man um urheberfreundliche Regelungen
beim sogenannten „Korb 2“ politisch heftig rang, noch
einen vom Gema-Vorstand liebevoll umworbenen Partner abgab. Jetzt
droht als Klima Permafrost. Die Mitarbeiter in den beiden Zentralen
und in den Bezirksdirektionen klagen über Motivationsschwund
und Angst. Außerdem sieht die Belegschaft – angesichts
einer im Jahr 2006 stolz präsentierten Ertragssteigerung
um knapp sechs Prozent im vergangenen Jahr – nicht ein, weshalb
sie plötzlich schlechter gestellt werden soll. Offensichtlich
ein Kommunikations- und damit ein Managementproblem.
Der alte Spruch vom besser kehrenden neuen Besen scheint sich
als alter Zopf zu entlarven. Vor allem wenn der Besen seine letzte
Baustelle nur teilgereinigt hinterließ. Harald Heker, als
Hoffnungsträger vom in dringend nötiger Renovierung befindlichen „Börsenverein
des Deutschen Buchhandels“ zur Gema-Vorstandsetage transferiert,
sendet in Sachen Unternehmensreform und Neuorientierung – flankiert
von einem aufwändigen Beraterstab aus großteils Börsenvereins-Zeiten – allenfalls
undeutliche Signale aus. In Politikerkreisen kursiert als häufige
Charakterisierung von Gema-Vorstands-Auftritten das Adjektiv „arrogant“.
Bei einer Anhörung der Enquete-Kommission „Kultur
in Deutschland“ zum Thema „Kollektive Wahrnehmung von
Urheberrechten und verwandter Schutzrechte“ musste sich die
Gema vom Rechtsexperten Martin Vogel (Mitglied der Beschwerdekammern
und der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts)
unter anderem mangelnde Transparenz und teils ungerechte, vor allem
aber undurchsichtige Verteilungsmechanismen vorwerfen lassen. Von
einer fragwürdigen Dreiklassen-Gesellschaft innerhalb ihrer
Mitglieds-Struktur bei besonderer Bevorzugung ertragsstarker Partner
ganz zu schweigen. Dabei steht die Gema unter intensiver Beobachtung
der Brüsseler Wettbewerbs-Hüter, denen
die Monopolstellung der deutschen Verwertungsgesellschaft längst
ein Dorn im Auge ist. Wichtigstes Argument, solche Alleinstellung
zu rechtfertigen, wäre eine Kultur-orientierte Ausrichtung
der Gema mit einem Förderpotential ähnlich der französischen
Schwestergesellschaft SACEM, die sich so einer rein wirtschaftlichen
Betrachtungsweise entzieht.
Diesem Zustand rückt man kaum näher, indem man sich mühsam
zur Mitbewirtschaftung der Kampeter/Neumann-Million durchringt,
einer vor allem dem Musikexport und der Pop-Nachwuchsförderung
zugedachten schmalen Gnadengabe (Weshalb die deutsche Musikwelt
angesichts dieses Sümmchens – für die Filmwirtschaft
machte Neumann 60 Millionen Euro locker – in ein speichelleckerisches
Dauer-Kotau-Koma verfällt, sei andernorts diskutiert).
Hilfreich wäre vielmehr ein klares Bekenntnis zur Förderung
der Kreativen in der bundesrepublikanischen Musikkultur – und
ihres Umfeldes. Hierzu gehört – neben musikwirtschaftlichen
Strukturhilfen – unbedingt auch die Förderung aller
Belange der musikalischen Bildung. Und die Schaffung von Transparenz
samt demokratischen Strukturen.
An Herausforderungen für den neuen Gema-Vorstand mangelt es
offensichtlich nicht. Dass er seine Kräfte darauf zu bündeln
scheint, innerbetrieblich Großindustrie-konforme Standards
zu „implementieren“, kann nur all jenen Gerüchtemachern
Vorschub leisten, die in der künftigen Gema ein major-affines
Digital-Rights-Management wähnen, dem die Interessen des einzelnen „Schöpfers“ verhältnismäßig
egal sind. Vielleicht folgt 2008 dann ja ein Komponisten-Generalstreik…