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nmz-archiv
nmz 2007/04 | Seite 46
56. Jahrgang | April
Bücher
Kontaktbuch einer reichen Musikkultur
Das umfassende Nachschlagewerk: Kontakte, Ereignisse, Übersichten
Musik Almanach 2007/08. Daten und Fakten zum Musikleben in Deutschland,
hrsg. v. Deutschen Musikrat, ConBrio Verlagsgesellschaft, Regensburg
2006, 1528 S., € 49,90, ISBN 978-3-932581-77-9
„Die
Zauberflöte“ liegt
wieder ganz weit vorn, weit abgeschlagen dahinter „Carmen“,
gefolgt von „Don Giovanni“, „Così fan
tutte“ und „Hänsel und Gretel“. Die Hitliste
der dreißig am häufigsten in Deutschland aufgeführten
Opern gehört zu den zahlreichen Statistiken, die durch ihre
gute inhaltliche Strukturierung und die ansprechende tabellarische
Präsentation beinahe als Eyecatcher des Aufsatzteils im „Jubiläums“-Almanach
bezeichnet werden können. Fasziniert blättert man durch
das Zahlenwerk und lässt sich spontan zur Lektüre der
kommentierenden Prosa animieren, auch wenn man nicht gerade nach
konkreten Informationen sucht.
Seit 20 Jahren begleitet uns der Almanach des Deutschen Musikrats
nun schon, alle drei Jahre auf den neuesten Stand gebracht und
nun in siebter Auflage. Gleich geblieben ist auch diesmal die bewährte
Grundstruktur: einleitend mehrere „Beiträge zum Musikleben
in Deutschland“, denen auf fast 1.100 Seiten Angaben zu circa
10.000 Organisationen und Einrichtungen im deutschen sowie – in
einem knapperen Überblick – im übrigen Europa folgen.
All das ist sehr gut durch ein Stichwort-, ein Orts- und ein Personenregister
zugänglich gemacht. Die Konzeption des Bandes beruht – so
die Redaktion – „auf dem Gedanken, das Musikleben von
seinen Institutionen her zu erschließen.“ Und dass
Deutschland diesbezüglich außerordentlich gut aufgestellt
ist, macht schon allein die beeindruckende Zahl der verzeichneten
Adressen deutlich, die in circa 70 sinnvoll gewählten Kategorien
präsentiert werden. Neben den Musikinstitutionen im engeren
Sinne wie Organisationen, Behörden, Ausbildungsstätten
oder Festspielen finden sich auch Rubriken zur „Musikwirtschaft“ oder
zum „Presse- und Publikationswesen“, in denen einen
ausgezeichneten Überblick über Unternehmen verschiedenster
Sparten geboten wird. In den Einträgen wird neben den üblichen
Kontaktdaten stets auch auf die zuständigen Ansprechpartner
verwiesen. Hilfreich sind zusätzliche Angaben, in denen Aufgabenbereiche,
Schwerpunkte oder Ziele, gelegentlich auch historische Daten knapp
skizziert werden.
Und es macht Spaß, all dies ganz altmodisch zwischen zwei
Buchdeckeln zu recherchieren, auch wenn die Online-Version (ständig
aktualisiert unter www.miz.org) mit ihren vermeintlich überlegenen
Recherchemöglichkeiten lockt. Zu wertvoll sind doch die zahlreichen
Zufallstreffer, die man aus dem Augenwinkel oder beim umherschweifenden
Schmökern eben nur in der Druckversion machen kann. Hier stehen
gleichberechtigt bekannte neben vielen abseitig wirkenden und vielleicht
gerade deshalb zumeist von großem Engagement getragenen Institutionen,
die durch die vorliegende Dokumentation vorurteilslos einer größeren Öffentlichkeit
vorgestellt werden. Dass man sich aber von der bloßen Existenz
des quantitativ außerordentlich beeindruckenden Institutionengeflechts
nicht blenden lassen sollte, machen die begleitenden Überblicksartikel
im ersten Teil des Bandes deutlich, der gegenüber der letzten
Auflage ausgeweitet und grundlegend überarbeitet wurde. Neu
hinzugekommen sind Artikel zu den Bereichen „zeitgenössische
Musik“ (Stefan Fricke), „Kirchenmusik“ (Stefan
Klöckner) und „Musikfestspiele und Festivals“ (Franz
Willnauer). Leider nicht mehr eigens thematisiert wird das Fach
Musikwissenschaft (in der Online-Version noch zu finden). Dagegen
wird die musikalische Bildungsarbeit, die sich gerade in den letzten
Jahren mit neuen Konzepten als wichtige Größe im Musikleben
zu positionieren vermochte, mit drei Beiträgen besonders akzentuiert:
Neben den traditionellen Themenfeldern „Musik in der allgemein
bildenden Schule“ (Ortwin Nimczik) und „Ausbildung
für Musikberufe“ (Martin Pfeffer) gilt dies insbesondere
für die „vor- und außerschulische Musikerziehung“ (Michael
Dartsch).
Die übrigen Beiträge zeichnen das Bild einer immer noch
sehr reichen Musikkultur, die allerdings deutliche Erosionserscheinungen
aufweist. Gestützt auf umfangreiches Zahlenmaterial, dessen
Aussagekraft stets reflektiert wird, werden alle relevanten Bereiche
des gegenwärtigen Musiklebens kurz dargestellt, die Entwicklungen
der letzten Jahre herausgearbeitet und kritisch kommentiert. Dazu
gehören etwa die teils radikalen Umbrüche in den produzierenden
und vertreibenden Sparten des Musikmarktes im Internetzeitalter,
die zunehmend problematischen Einschnitte in der öffentlich
subventionierten Orchester- und Musiktheaterszene, die schwindenden
Berufsaussichten bei den Kirchenmusikern oder die sich erheblich
verschlechternde Lage der Beschäftigten in der Musikwirtschaft
bei momentan wieder relativ stabilen Umsatzzahlen. Das sind zwar
im Prinzip alles bekannte Sachverhalte, doch findet man sie wohl
kaum an anderer Stelle so pointiert zusammengefasst und seriös
belegt.