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nmz-archiv
nmz 2007/04 | Seite 41
56. Jahrgang | April
Rezensionen-CD
Schlafzimmerprojekte und Schamlosigkeiten
Abwechslungsreiche Neuerscheinungen aus dem Musiksektor Pop · Von
Sven Ferchow
Die Bananafishbones überraschen mit „When you pass by“,
dem neuen Album nach drei Jahren Pause und diversen filmkompositorischen
Aufgaben. Nicht dass sie überraschen ist neu, denn anders
waren die schon immer, glauben wir zu wissen. Doch wie die neuen
Songs verpackt wurden, lässt mit der Zunge schnalzen. Da singt
ein Kinderchor, da tröten Bläsersätze, da versetzt
man uns mit Elektronik- Beats zurück in die 70er-Jahre Disco.
Sebastian Horn verleiht seiner Stimme mystische Aura, wie überhaupt
während aller Songs das Spektrum zwischen düster bis
fröhlich kippt. Ein spannendes Album, künstlerisch das
ambitionierteste des Trios (www.bananafishbones.de).
A Tribute to Joni Mitchell schenken uns zwölf Künstler verschiedener
Genres. Da wären unter anderem Björk (Boho Dance), Prince (A Case of
U), Elvis Costello (Edith and the Kingpin), James Taylor (River), Annie Lennox
(Ladies of the Canyon) oder Sufjan Stevens (Free Man in Paris), die nicht nur
Joni-Mitchell-Klassiker mit neuer Patina versehen, sondern auch Liebhaberstücke
angreifen. Dass der Spagat zwischen Hommage und Neuauflage bei diesen ausgewählten
Künstlern kritisch sein könnte, wird einigen Joni Mitchell Verehrern
die Schweißperlen auf die Stirn treiben. Doch insgesamt, aber wer mag das
beurteilen, sind alle Versionen gelungen, nicht zu pomadig und erfüllen
den „Tribute“-Zweck. Geschändet wurde hier nicht
(www.jonimitchell.com).
Ein Schlafzimmerprojekt ist „Overtones“ von Just Jack, bürgerlich
Jack Allsopp. Der Brite erfüllt die Standards, die man an einen jungen Briten
in musikalischer Hinsicht derzeit stellen muss: Jack Allsopp experimentiert mit
Sounds, mischt Disco mit Soul, House, Pop und gibt nebenbei einen mehr als ordentlichen
DJ ab. Seine Art zu rappen oder zu singen erinnert an Italiens Jovanotti. Hörenswert:
Seine Art Songs zu schreiben. Denn Just Jack klebt nicht Beat an Beat und nölt
ein paar Takte Text obendrauf. Nein, er rappt im Liedermacherstil, hat ein glückliches
Melodiehändchen und kann mit unformatierten Einfällen begeistern. Mehr
House als Pop, doch grenzenlos beschwingend (www.justjack.co.uk).
Aus Kanada sind The Trews. Für ihr erstes Album wurden sie 2003 mit Gold
dekoriert. Der Nachfolger „Den of Thieves“ soll es nun bitteschön
auch in Europa Gold und Platin regnen lassen. Dazu wurde Erfolgsproduzent Jack
Douglas (Aerosmith, John Lennon) verpflichtet, den Rest müssen die Songs
richten. Werden sie können, denn The Trews machen wenig falsch. Rockriffs,
die man von Bands wie Foo Fighters, Dirty Americans, Silvertide, 3 Doors Down
oder Nickelback kennt. Nur, das muss man ihnen zugestehen, einen Schuss bluesgetränkter,
da Banjo, Orgel oder Bläser viel auflockern. Und im Abgang gefällig,
weil man vermieden hat, das Auge des Kommerz zu fixieren. Rockt definitiv (www.thetrewsmusic.com).
Bereits das erste Album der Dänen Gravy (selbstbetitelt, 2005) ließ Soundkaleidoskopen
jauchzen. Stille Songs mit Ausdruck und Kraft, dazu alternativer Charme und songwriterische
Fähigkeiten, die die 60er-Jahre genauso wie sämtliche technicolore
Tendenzen der Neuzeiten umarmten. Das neue Album nun, „Glory to our brilliant
name“, dockt dort an und baut aus. Man bekommt von Gray alles: traurige
Melodien, harmonische Abgesänge, schmatzende Streicher, quietschende Orgeln,
wimmernde Gitarren oder nasale Raps. Was die Band im Song „Rock Scientist“ behauptet
ist wahr: Gravy sind Rockwissenschaftler (www.gravyband.dk).
Die Herrschaften von Bowling For Soup (USA) konnte man in Deutschland
im Vorprogramm von Avril Lavigne kennen lernen. Schamloser Pop-Punk
mit genialen, „Beach
Boys“ affinen Harmoniegesängen. Immer seicht aber perfekt vorgetragen
und schonungslos auf Humor basierend. „The Great Burrito Extortion Case“ ist
die Referenz für neuen unpolitischen Spaßpunk. Bitte antesten.
Sven Ferchow
Diskographie
Bananafishbones – When you pass by (Südpolrecords,
09.03.07)
V.A. – A Tribute to Joni Mitchell
(Nonesuch Records, 27.04.2007)
Just Jack – Overtones
(Mercury, 27.04.2007)
The Trews – Den of Thieves
(Soulfood, 27.04.2007)
Gravy – Glory to our brilliant name
(30.04.2007)
Bowling For Soup – The Great Burrito Extortion Case
(Jive, 27.04.2007)