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nmz-archiv
nmz 2007/04 | Seite 43
56. Jahrgang | April
Rezensionen
Kurz vorgestellt
CDs
Ludwig van Beethoven: 7. und 8. Sinfonie. hr-Sinfonieorchester,
Hugh Wolff
hr-musik hrmk 034-06
Schon wieder Beethoven? So schon! Hugh Wolff musiziert mit seinem
hr-Orchester (er war dort Chefdirigent von 1997 bis 2006) mit
dem aufrührerischen Elan, mit der Eleganz, der Differenziertheit
und dem Witz, der dieser Musik zukommt. Die Tempoangaben werden
weitgehend ernst genommen und erweisen sich – wieder einmal – als
vollkommen stimmig. Beethovens Musik säuselt nicht, sie packt
einen hart an. Bewegung wird körperlich ausgelöst. Und
dennoch nichts Rüdes, sondern das Zwingende des Geistigen.
Solche Erfahrung macht Freude: auch vor dem Götterfunken.
Übertreibung ist eines der stärksten Mittel der Kunst.
Hier treibt sie geradezu mit Inbrunst ins Absurde, wo Kagel immer
gerne gründelt. In den Duodramen trifft Indira Gandhi auf
Casanova, Alma Mahler-Werfel auf Dschingis-Khan oder Cosima Wagner
auf Henry Ford. Nicht die schlechtesten Begegnungen! Und in den
Liturgien kommen alle Glaubensrichtungen in diversen Sprachen utopisch ökumenisch
zusammen. Die Musik schöpft im großen Reservoir der
Tradition und überbietet die Ausdrucksmittel durch Veräußerlichung.
Gerade in ihrer offenkundigen Plakativität aber schließt
sie neue Türen ins Innere auf.
Philip Glass: Dance No. 2 und
No. 4; Trilogy Sonata. Steffen Schleiermacher,
Orgel und Klavier
MDG 613 1428-2
Die fünf Dances von Philip Glass aus dem Jahr 1979 (hier
die Orgelstücke Nr. 2 und 4) leben noch in der frühen
Werkstatt des Minimalismus. Vielleicht erzählen sie etwas
zu ausführlich von den sich so schmiegsam ins Ohr schmeichelnden
Techniken der Phasenveränderungen. Die Trilogy Sonata ist
Zweitverwertung aus früheren Opern und kann kaum eigenes Gewicht
anmelden. Das Prinzip der Repetition greift bei Glass auch auf
die Werke selbst über. Alles etwas seicht.
György Ligeti: Horntrio; Berfried E.G. Pröve: Eclair;
Olivier Messiaen: Appell interstellare; Gérard Grisey: Accords
perdus; Giacinto Scelsi: Quattro pezzi für Horn; Olivier Messiaen:
Thème et variations. Andrew Joy, Christine Chapman, Horn;
Christian Ostertag, Violine; James Avery, Klavier.
edition zeitklang ez 12014
Der Hornist Andrew Joy war es wohl, der zu dieser CD den Anstoß gab.
Wunderbare Musik in den unterschiedlichen Färbungen von Naturintervallen
und ihren mikrotonalen Reibungen. Ligetis Horntrio, das Hauptwerk
hier, steht neben Nachbarn, die die klanglichen Experimente dieser
Komposition charakterlich vielseitig begleiten und beleuchten.
Und die Musiker spielen alles mit geradezu grandiosem Schwung und
Musikalität. Lustvolles Hören!
Luigi Dallapiccola: Quattro liriche
di Antonio Machado, Rencesvals; Karl Amadeus Hartmann: Lamento;
Wolfgang Schweinitz: Papiersterne. Mojca Erdmann, Claudia Barainsky, Sopran; Doris Soffel, Mezzo;
Dietrich Henschel, Bariton; Axel Bauni, Aribert Reimann, Klavier.
Orfeo C 558061 A
Lieder beziehungsweise Liedzyklen des 20. Jahrhunderts in der
humanistisch expressionistischen Tradition. Klare, ausdrucksstarke
Linien, sprechende Gestik. Die Interpreten fühlen sich zu
dieser Ästhetik spürbar hingezogen. So entstand eine
eindrucksvolle CD in der verdienstvollen Orfeo-Reihe „Zeitgenössisches
Lied“.