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nmz-archiv
nmz 2007/04 | Seite 35
56. Jahrgang | April
Deutscher Kulturrat
Geräuschlos aber nicht wirkungslos
Zur dritten Novellierung des Künstlersozialversicherungsgesetzes · Von
Olaf Zimmermann
Geräuschlos aber nicht wirkungslos ging die dritte Novellierung
des Künstlersozialversicherungsgesetzes vonstatten. Am 22.
März dieses Jahres wurde von vielen unbemerkt das Künstlersozialversicherungsgesetz
novelliert. Damit wurde die Künstlersozialversicherung zukunftsfest
gemacht und die soziale Absicherung von 150.000 Künstlerinnen
und Künstlern für die nächsten Jahre gesichert.
Seit 1983 sind selbständige Künstlerinnen und Künstler
in der Künstlersozialkasse pflichtversichert. Sie genießen
damit im Rahmen der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung
den vollen Versicherungsschutz. Die versicherten Künstlerinnen
und Künstler tragen ähnlich Arbeitnehmern 50 Prozent
des Beitrags, 30 Prozent werden von den Verwertern künstlerischer
Leistungen, also zum Beispiel Konzertveranstaltern, Musikverlagen,
Musikvereinen und 20 Prozent durch einen Bundeszuschuss aufgebracht.
Etwas mehr als ein Viertel der Versicherten sind der Sparte Musik
zugeordnet, das waren zum 01.01.2006 insgesamt 40.264 Versicherte.
Das geschätzte Einkommen in der Sparte Musik betrug im Durchschnitt
zum 01.01.2006 im Jahr 9.459 Euro. Das ist im Vergleich zu den
Sparten Bildende Kunst, Darstellende Kunst und Wort das geringste
Durchschnittseinkommen und liegt unter dem Gesamtdurchschnittseinkommen
von 10.814 Euro. Die Künstlersozialkasse zieht die Beiträge
der Versicherten und der abgabepflichtigen Verwerter ein und leitet
die-
se an die zuständigen Sozialversicherungsträger weiter.
In Paragraph zwei Künstlersozialversicherungsgesetz ist definiert,
wer laut diesem Gesetz Künstler oder Publizist ist: „Künstler
im Sinne des Gesetzes ist, wer Musik, darstellende oder bildende
Kunst schafft, ausübt oder lehrt. Publizist im Sinne dieses
Gesetzes ist, wer als Schriftsteller, Journalist oder in anderer
Weise publizistisch tätig ist oder Publizistik lehrt.“
Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat sich ein Katalog der anerkannten
künstlerischen Tätigkeiten herausgebildet. Dennoch prüft
die Künstlersozialkasse in jedem Einzelfall gründlich,
ob ein Antragsteller tatsächlich Künstler im Sinne des
Gesetzes ist oder nicht. Abgewiesene Antragsteller haben zuerst
die Gelegenheit einen Widerspruchsausschuss anzurufen, der mit
Experten aus der jeweiligen Branche besetzt ist. Sollte der Widerspruchs-
ausschuss ebenfalls eine Aufnahme ablehnen, steht der gerichtliche
Weg bis zum Bundessozialgericht offen. Das jüngste Urteil
des Bundessozialgerichts in Sachen Künstlersozialversicherung
betraf einen Tätowierer, der Mitglied der Künstlersozialkasse
werden wollte. Nachdem bereits die Künstlersozialkasse, der
Widerspruchsausschuss und das Landessozialgericht die Aufnahme
ablehnten, hat nun abschließend das Bundessozialgericht geurteilt
und die Aufnahme ebenfalls abschlägig beschieden.
Dieses Verfahren, dass bei Ablehnungen zuerst die Widerspruchsausschüsse
und dann die Gerichte entscheiden, hat sich bewährt. Es wird
auch in anderen Ländern wie zum Beispiel Österreich als
nachahmenswert angesehen. Die so genannte Künstlersozialabgabe
entrichten müssen zum einen die Unternehmen der Kulturwirtschaft,
also aus dem Musikbereich zum Beispiel die Konzertveranstalter
oder Verlage. Darüber hinaus sind alle Unternehmen oder Vereine
abgabepflichtig, die regelmäßig künstlerische Leistungen
in Anspruch nehmen. Das ist bei Musikvereinen der Fall, die mehr
als drei Veranstaltungen im Jahr durchführen, bei denen Künstler
auftreten, die nicht dem Musikverein angehören. Ausgenommen
von der Künstlersozialabgabe ist die so genannte Übungsleiterpauschale,
das heißt das Entgelt, das die Vereine zum Beispiel Vereinsdirigenten
zahlen, sofern es 1.848 Euro im Jahr nicht überschreitet und
nach Paragraph 3 Nr. 26 Einkommenssteuergesetz geltend gemacht
wird. Grundlage für die Künstlersozialabgabe sind die
gezahlten Honorare, Gagen, Erlöse aus Kommissionsgeschäften
et cetera. Der Prozentsatz für die Künstlersozialabgabe
wird jährlich auf dem Verordnungsweg durch das Bundesministerium
für Arbeit und Soziales festgelegt; er beträgt im Jahr
2007 5,1 Prozent. Die Zahlung erfolgt an die Künstlersozialkasse,
die die Beiträge an die Sozialversicherungsträger beziehungsweise
Krankenkassen weiterleitet.
Die Künstlersozialabgabe ist keine freiwillige Leistung der
Unternehmen, sondern gesetzlich vorgeschrieben. Genauso wie Unternehmen
für ihre Mitarbeiter Sozialversicherungsbeiträge entrichten
müssen, sind sie verpflichtet, für Leistungen freiberuflicher
Künstler und Publizisten die Künstlersozialabgabe zu
zahlen. Wer sich dieser Pflicht entzieht, handelt gesetzwidrig
und verschafft sich einen nicht zu rechtfertigenden Wettbewerbsvorteil.
Trotzdem wird die Künstlersozialabgabe vielfach – aus
Unkenntnis oder aus welchen Gründen auch immer – nicht
entrichtet. Das hat zur Folge, dass der Wettbewerb verzerrt wird
und sich einige Unternehmen und Vereine einen ungerechtfertigten
Vorteil sichern. Diesem Umstand wird mit der Reform des Künstlersozialversicherungsgesetzes
entgegengetreten.
Bessere Erfassung der Abgabepflichtigen
Mit der Novellierung des Künstlersozialversicherung wird die
Deutsche Rentenversicherung beauftragt, bei Unternehmen die Künstlersozialabgabe
zu prüfen. Durch die Einschaltung der Deutschen Rentenversicherung
werden alle Unternehmen mit Beschäftigten im Rahmen der üblichen
Prüfung über die ordnungsgemäße Entrichtung
der Sozialversicherungsbeiträge auch geprüft, inwiefern
Leistungen von freiberuflichen Künstlern und Publizisten in
Anspruch genommen wurden und ob die Künstlersozialabgabe ordnungsgemäß abgeführt
wurde.
Es ist zu erwarten, dass durch die unterstützende Prüftätigkeit
der Deutschen Rentenversicherung zahlreiche Abgabepflichtige ermittelt
werden, die ihren Verpflichtungen bislang nicht nachkommen. Es
ist davon auszugehen, dass mittelfristig die Künstlersozialabgabe
sinken wird, da sich die Abgabelast auf mehr Schultern verteilt
als bisher.
Vermehrte Prüfung der Versicherten
Zugleich besteht die Notwendigkeit, auch die Versicherten stärker
zu prüfen. Voraussetzung für die Mitgliedschaft in der
Künstlersozialkasse ist die erwerbsmäßige und dauerhafte
Ausübung einer selbständigen Tätigkeit als Künstler
oder Publizist. Aufgrund der starken Einkommensschwankungen schätzen
Künstler und Publizisten ihr Einkommen für das Folgejahr
im Voraus. Diese Einkommensschätzung ist Basis für die
Festlegung des Versichertenbeitrags.
Künftig wird jährlich aus dem Kreis der Versicherten
eine Stichprobe hinsichtlich ihres tatsächlichen Einkommens
der letzten drei Jahre vorgenommen werden, damit wird die schon
bestehende sachgerechte Überprüfung im Rahmen der Beitragsüberwachung
durch die Künstlersozialkasse verstärkt und sichergestellt,
dass nur der Kreis der tatsächlich Berechtigten Mitglied in
der Künstlersozialkasse sein kann.
Beides, die stärkere Prüfung der Versicherten und die
Heranziehung aller Abgabepflichtigen, werden voraussichtlich dazu
beitragen, die Künstlersozialversicherung zukunftsfest zu
machen.
Das aktuelle Buch „Entwurf eines III. Gesetzes zur Änderung
des Künstlersozialversicherungsgesetzes – Hintergründe
und aktuelle Anforderungen“ kann kostenlos direkt beim Bundesministerium
für Arbeit und Soziales unter dem Link angefordert werden!
Unter der Bestellnummer A299 kann das Buch beim Bundesministerium
für Arbeit und Soziales auch per Telefon 0180/515 15 10, per
Fax unter 0180/515 15 11 oder per E-Mail info@bmas.bund.de bestellt
werden.
Autoren: Olaf Zimmermann, Gabriele Schulz
•
Mit einem Vorwort von Minister Franz Müntefering und einem
Nachwort von Sabine Schlüter, Leiterin der Künstlersozialkasse
•
Herausgeber: Bundesministerium für Arbeit und Soziales
• 252 Seiten, gebunden, DIN A 5