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nmz-archiv
nmz 2007/04 | Seite 33
56. Jahrgang | April
Jugend musiziert
Den fremden und eigenen Horizont erweitern
Zwei Gitarristen auf Konzertreise in Griechenland
In wenigen Wochen wird eine neue Generation Bundespreisträger “Jugend
musiziert“ geboren sein. Vom 23. bis 30. Mai 2007 werden
rund 2.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Erlangen, Fürth
und Nürnberg um Punkte, Prädikate und Sonderpreise konzertieren. “Jugend
musiziert“ ist jedoch mehr als ein fröhliches Event.
Mit einem Bundespreis in der Tasche kann es nämlich jederzeit
geschehen, dass man plötzlich seine Musik, den Klang seines
Instruments und den Spaß am Musizieren mit Zuhörern
in Helsinki, Tokyo oder Malta teilt. – Derlei Überraschungen
ermöglichen das Goethe-Institut und die Deutschen Schulen
im Ausland und sie beginnen immer mit einem Anruf der Bundesgeschäftsstelle “Jugend
musiziert“ bei einem oder mehreren Bundespreisträgern.
Auch die beiden Gitarristen Cornelia Lorenz und Benjamin Njuhovic
erhielten diesen Anruf und reisten vom 27. November bis 4. Dezember
2006 nach Griechenland. Cornelia Lorenz berichtet.
Dieser Montagmorgen im November beginnt ganz gewöhnlich. Der
entscheidende Unterschied zu anderen Tagen ist jedoch, dass ich
heute an meiner Schule vorbei fahre, in Richtung Flughafen Stuttgart.
Mir schwebt nämlich etwas weit Schöneres vor Augen: In
der kalten Jahreszeit noch einmal warme Temperaturen und Sonne
im schönen Süden Europas zu erhaschen, nette Menschen
kennen zu lernen und tolle Konzerte zu spielen.
Ü
ber den Wolken, inmitten von Sonne und hellblauem Himmel, fliege
ich meinem ersten Ziel entgegen, das Thessaloniki heißt.
Ich bin voll freudiger Erwartung und stehe am Flughafen, die Gitarre
unterm Arm. Eine erste Herausforderung besteht schon einmal darin,
diese mir doch sehr griechisch vorkommende Schrift zu lesen. Mit
den paar Kleinbuchstaben, die mir in Mathe und Physik irgendwann
einmal begegnet sind, gelingt mir das natürlich nur ansatzweise.
Zu meinem Glück entdecke ich dann schnell einen sehr freundlich
schauenden jungen Mann, der mir sehr verdächtig nach Jochen
Abert aussieht. Er ist Musiklehrer an der Deutschen Schule und
wird in Saloniki Bennis und mein Gastgeber sein.
Zu Gast in Saloniki
Denn ich unternehme diese Konzertreise nicht allein: Benni Njuhovic,
ebenfalls Gitarrist, aus Bielefeld, ein Jahr älter als ich
und mir bereits von einer Konzertreise unserer beider Gitarrenorchester
nach Estland vergangenen Sommer
bestens bekannt, wurde ebenfalls vom Deutschen Musikrat zu dieser
Reise eingeladen.
Beim Frühstück am nächsten Tag bin ich erst einmal
völlig platt von der unglaublich tollen Aussicht, die wir
bei strahlendem Sonnenschein vom Wohnzimmer auf die ganze Stadt,
das Meer und den Olymp haben. Danach begleiten wir Jochen zur Schule,
deren riesige Aula an diesem Abend auch unser erster Konzertsaal
sein wird. Wie viele Leute wohl kommen mögen?
Nach einem ersten Soundcheck begleiten wir zunächst eine griechische
Musiklehrerin, dann Jochen in ihre Klassen, um jeweils ein Stück
vorzuspielen, Fragen der Schüler zu beantworten und um auch
ein bisschen Werbung zu machen für unseren Konzertabend. Den
Nachmittag verbringen wir gemeinsam mit Christoph in der Stadt.
Er absolviert gerade sein Praxissemester an der Deutschen
Schule und zeigt uns die Uni, verschiedene Plätze, Straßen,
Kirchen und die Markthalle, wo wir uns noch einen Gyros leisten.
Doch dann mahnt uns unser Gewissen, schleunigst den Nachhauseweg
anzutreten, um zu üben. Das Konzert soll ja schließlich
gut werden.
Musikalische Reise
durch Europa
Nach einer kurzen Begrüßung durch den Schulleiter geht
es auch schon los. Die musikalische Reise führt mit John Dowland,
Benjamin Britten, Fernando Sor und Johann Sebastian Bach quer durch
Europa und die Jahrhunderte, dann darf ich mich lauschend zurücklehnen
und drücke nun Benni die Daumen. Er konzertiert dort weiter
wo ich aufgehört habe: bei Bach. Darauf folgen Werke von José Barrios
und Leo Brouwer.
Nach dem Konzert, das dem Publikum offenbar sehr gut gefallen
hat, wird spontan noch ein Interview mit uns gemacht. Der Schulleiter
hat sich ein paar Fragen überlegt und auch die Zuhörer
beteiligen sich rege an dem Gespräch. Mir gefällt diese
intime Atmosphäre sehr.
Auch finde ich toll, dass wir persönlich mit unseren, teilweise
auch improvisierten Ansagen zu Stück und Komponist durch unser
Programm führen dürfen und nicht ein banaler Programmzettel
die Kommunikation zwischen Musiker und Publikum übernimmt.
Nach dem Konzert betrete ich die erste Taverne meines Lebens.
Benni und ich werden von zwei griechischen Schülern zu einem leckeren
bunten Essen eingeladen. Es wird nicht die letzte Taverne während
unseres Aufenthaltes in Griechenland sein. Am nächsten Morgen
müssen wir zu unserem Bedauern Saloniki und die mir in den
zwei Tagen wirklich sehr ans Herz gewachsene Familie Abert auch
schon wieder verlassen. Der Abschied fällt mir schwer.
Neue Abenteuer in Athen
Athen empfängt uns mit Nieselregen und Wind. Das ist nicht
das Wetter, das ich mir erhofft hatte. Durch den Taxidienst vom
Hausmeister der Deutschen Schule Athen an derselben angekommen,
werden wir erst einmal freundlich vom Schulleiter und dem dortigen
Musiklehrer Roland Harken begrüßt. Roland wird in Athen
unser Gastgeber sein. Nach einer kurzen Stärkung machen wir
uns mit Roland auf Richtung Meer. Ich werde dort den ersten echten
antiken Tempel meines Lebens sehen und bin begeistert! Nach unserem
kleinen Ausflug geht es zurück zur Schule, da noch eine Chorprobe
ansteht. Ich beschließe spontan, mitzusingen.
Beim Frühstück am nächsten Tag werden Reiseführer
studiert. Wir bestaunen die Akropolis, die unglaubliche Ausdehnung
der Stadt Athen und den ungeheuer chaotischen Straßenverkehr.
Aber wie schon in Saloniki gilt auch hier: der Nachmittag vor dem
Konzert wird zum Üben genutzt. Der Konzertsaal in dieser Schule
ist um 21.00 Uhr mit grob geschätzt 50 Leuten sehr gut besucht.
Es macht tierisch Spaß dort zu spielen. Nach unserem Konzert
werden wir natürlich wieder in einer Taverne landen.
Der nächste Morgen beginnt ähnlich wie jener in Saloniki.
Benni und ich werden zwei Stunden Musikunterricht halten. Die Schüler
hier sind sehr offen und stellen viele Fragen. Einige spielen auch
selbst Gitarre, E-Gitarre scheint beliebter als klassische Gitarre
zu sein, da jene angeblich besser geeignet sei, um Rock- und Popsongs
zu spielen. Naja … in einer spontanen Aktion wird den Neuntklässlern
aber bewiesen, dass Songs natürlich durchaus auch auf der
klassischen Gitarre möglich sind.
Gitarrenbegeisterte Kreter
Unser Reiseplan führt Roland, Benni und mich weiter in den
Süden: nach Chania auf Kreta. Doch erst müssen Verwirrungen
und Ärgernissee am Athener Flughafen überstanden werden.
Aber Kreta und speziell Chania können alles wieder gut machen.
Unser Hotel ist gut und der erste Abend wird gleich genutzt um
die Tavernen in Chania zu testen. Ausgeführt werden wir diesmal
von zwei reizenden Damen vom Goethe-Zentrum, Gudrun und Kathrin,
die in Chania alles bestens für uns organisiert haben und
uns sehr herzlich empfangen.
Am Sonntagmorgen verirre ich mich zufällig in einen christlich-orthodoxen
Gottesdienst, der mir ganz besonders gefällt. Abends werden
wir dann von Gudrun abgeholt und zu der katholischen Kirche gebracht,
in der das letzte Konzert unserer Reise stattfinden soll.
Welcher Schlag trifft mich da beinahe, als ich kurz vor 21.00
Uhr von dem angrenzenden kleinen Nebenraum der Kirche, den Benni
und
ich zum Einspielen nutzen, in die Kirche hineinspähe: Alle
Reihen sind voll besetzt und es herrscht eine Geräuschkulisse
wie in der fünf-Minutenpause in der Schule. Da hat wohl jemand
viel Werbung gemacht und die Bürger Chanias sind gitarrenbegeistert.
Die Unruhe bleibt leider auch während des Konzertes bestehen.
Die schönsten Stellen in der Bach-Partita werden von mehrmaligem
Handygeklingel gestört, auch Geflüster und Hustenanfälle
mischen sich in die Gitarrentöne.
In der Pause und nach dem Konzert werden wir aber dann begeistert
von Zuhörern empfangen und sofort nach Noten, Übegewohnheiten
und weiteren Hobbys gefragt. Alles in allem finde ich, dass es
ein schönes Konzert ist. Denn Alte Musik klingt, trotz Nebengeräuschen,
besonders schön in einem Raum mit viel Hall. Den Abend lassen
wir wieder, wie könnte es anders sein, im „Tamam“ ausklingen,
einer der schönsten Tavernen Chanias. Die Damen vom Goethe-Zentrum
sorgen für einen unvergesslichen letzten Abend in Griechenland.
Als Benni, Roland und ich um kurz nach eins vor unseren Hotelzimmern
stehen, wissen wir, dass wir in genau vier Stunden wieder aufstehen
werden. Unser Flug nach Athen geht um 7.00 Uhr morgens.
Unvergessliche Reise
In Chania wird Roland verabschiedet, dessen Flieger erst später
nach Athen zurückgeht, in Athen am Flughafen werden sich dann
auch Bennis und meine Wege trennen. Aber so schnell wie geplant
verlassen wir Athen, das diesen Morgen mal sonnig ist, nicht. Logistische
Probleme am Flughafen verhindern eine zügige Heimreise. Ich
sitze zwar zwei Minuten vor der regulären Abflugzeit im Flieger,
aber andere Passagiere sind nicht so schnell wie ich. Wir werden
noch zwei Stunden am Boden verbringen bis auch der letzte Passagier
da ist. Stuttgart empfängt mich mit Regenwetter, aber mit
gut gelaunten Familienmitgliedern. Vielen herzlichen Dank noch
einmal allen Personen und Institutionen, die uns diese Reise ermöglichten.
Sie war eine große Chance und
ein unvergessliches Erlebnis, das bestimmt niemand missen möchte.
Hoffentlich besteht mit der Hilfe des Deutschen Musikrates noch
lange die Möglichkeit, solche Konzertreisen zu unternehmen.