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nmz-archiv
nmz 2007/04 | Seite 25-26
56. Jahrgang | April
Verbandspolitik
Die Bigseller werden immer seltener
Dieter Gorny über die Zusammenhänge in der Kreativwirtschaft
Ein neues Schlagwort macht die Runde im Musikleben: die „Creative
Industries“. Sie sind der (europäische) Markt der Zukunft,
so heißt es. Dabei ist damit längst nicht nur die Musikbranche
gemeint, nicht einmal ausschließlich alles, was mit Kunst
zu tun hat. Es geht vielmehr um solche Produktionszweige, an deren
Anfang eine schöpferische Leistung steht, eine kreative Idee,
die sich vermarkten lässt. Die Musik steht da natürlich
ganz vorn. Einer, der die Kreativwirtschaft schon früh als
zukünftigen Leitmarkt erkannt hat, der dabei allerdings den
Kulturgedanken nie aus dem Kopf verloren hat, ist Dieter Gorny,
ein „Wanderer zwischen den Welten“. Studiert hat er
Komposition, Tonsatz und Musiktheorie; er spielte als Kontrabassist
bei den Bochumer Symphonikern und im Wuppertaler Sinfonieorchester.
Dann gründete er 1985 das Rockbüro NRW, erfand und entwickelte
die Popkomm und war von 1993 bis 2000 Geschäftsführer
der VIVA Fernsehen GmbH, anschließend Vorstandsvorsitzender
der VIVA Media AG. Nach der Übernahme der VIVA Media AG durch
den Viacom-Konzern im Jahr 2004 war er bis 2006 als Executive Vice
President für MTV Networks Europe tätig. Heute ist Dieter
Gorny stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands
der Phonographischen Wirtschaft, Direktor für Kreativwirtschaft
der Europäischen Kulturhauptstadt Ruhr 2010, Aufsichtsratsvorsitzender
der Filmstiftung NRW, Professor für Kultur- und Medienwissenschaften
an der FH Düsseldorf und Präsidiumsmitglied des Deutschen
Musikrats. Für die nmz sprach Barbara Haack mit ihm über
den Wert der Kreativität und die Zukunft der Kreativwirtschaft.
Dieter
Gorny zieht den kaufmännisch nüchternen Blick
ideologischen Betrachtungen vor. Foto: Martin Hufner
neue musikzeitung: Der Vorwurf, dass die Tonträgerindustrie
im Rahmen der Digitalisierung vieles verschlafen hat, ist nicht
neu. Er wird, wie Sie selbst im Bayerischen Rundfunk vor einiger
Zeit gesagt haben, stark emotionalisiert. Trotzdem: Ein Strukturwandel
muss vollzogen werden. Das Konsumentenverhalten hat sich verändert,
die Wirtschaft muss darauf reagieren. Wie soll aus Ihrer Sicht
dieser Wandel aussehen? Dieter Gorny: Der Strukturwandel vollzieht sich
ja schon. Urheberrechts-basierende Industrien, konfrontiert mit
der digitalen Revolution, haben längst
angefangen, Vertriebssysteme, Handelssysteme und Ähnliches
vor dem Hintergrund der veränderten Kundenwünsche zu übernehmen
und anzupassen.
Das Problem ist, dass zwischen dem medialen Zukunftsgetrommel, „die
Digitalisierung ist in“ und der tatsächlichen Umstellung
solcher Systeme meistens eine zeitliche Lücke klafft. Wenn
man es vernünftig kaufmännisch angeht, dauert es. Wenn
Sie immer noch zu 90 oder 95 Prozent Umsätze mit einem Trägersystem
machen, können Sie nicht einfach von heute auf morgen den
Schalter umstellen. Die Kunden stehen ja nicht alle vor den Toren
der digitalen Läden, vielmehr entwickelt sich dieser Bereich
langsam, aber stetig.
nmz: Was müssen, was können die Verantwortlichen in allen
Branchen der Musikwirtschaft tun, um der Digitalisierung hinterherzukommen? Gorny: Das tut die Industrie ja mit hohem Tempo.
Sie tut das aber ganz bewusst besonnen, weil hinter dem Handel,
hinter den Vertriebsstrukturen
Arbeitsplätze, Geschäftspartner und ähnliches mehr
stehen. Mein Rat ist immer, diese Probleme kaufmännisch nüchtern
zu betrachten und nicht jeden Zentimeter Bewegung gleich mit ideologischem
Geheul zu begleiten. Daran sind übrigens auch die Medien oftmals
nicht unschuldig.
nmz: Ideologisches Geheul ist das eine, aber
es gibt ja auch ein wirtschaftliches Geheul – gerade von der Tonträgerindustrie
darüber, dass die Umsätze sinken. Gorny: Dem
stimme ich natürlich zu. Die Rahmenbedingungen,
in denen man Musikgeschäft machen kann, werden ja durch das
Urheberrecht und ähnliche Dinge von der Politik gesetzt. Da
muss man zu Recht darauf hinweisen, dass die Betrachtungen über
diese Rahmenbedingungen immer noch nicht im digitalen Zeitalter
angekommen sind, was natürlich das Erschließen neuer
Vertriebswege schwieriger macht. Stichwort: Privatkopie, illegales
Downloading, Bagatellklausel etcetera
nmz: Strukturwandel heißt vor allem auch: grundlegende Veränderungen
im Vertrieb von Musik, in der Vermarktung. Bedeutet das nicht automatisch,
dass sich diese Veränderungen auch auf die Inhalte auswirken? Gorny: Nein, das muss es nicht. Und ich glaube
das auch nicht. Was mir in dieser Debatte Mut macht, ist die Tatsache,
dass die
Grundgleichung „Künstler = Musik + Kunde“ stimmt.
Es ist ein großer Bedarf nach Musik da. Die Möglichkeiten,
an die Musik heranzukommen, die man hören möchte, sind
vielfältiger geworden. Gerade durch das Internet, durch neue
Formen von Community-Denken – my space und Ähnliches – ist
die Kommunikationsbandbreite massiv angestiegen. Das, was fehlt,
sind die tragfähigen Systeme, die damit Schritt halten.
nmz: In einer Zeit, in der jeder
dezentral und individuell aus unzähligen Angeboten schöpft: Ist es da überhaupt
noch möglich, zum Beispiel für einen Verband, eine Firma,
ein zentrales Marketing zu gestalten? Gorny: Das war ja früher in analogen Zeiten nicht anders.
Marketing bedeutet erst einmal Aufmerksamkeit schaffen für
ein bestimmtes Musikstück, einen bestimmten Titel, einen bestimmten
Künstler. Da haben sich die Möglichkeiten verschoben,
das Grundprinzip bleibt aber gleich. Vor dem Hintergrund der Individualisierung
der Kundeninteressen teilt sich der Markt in mehr Kleinbereiche
auf. Das führt zu dem Problem, dass es schwieriger wird, „Bigseller“ hinzukriegen.
Es ist eine Herausforderung, wenn Sie anfangen müssen, die
Geschäfte mit kleineren Bereichen in Addition zu betreiben.
Aber das ändert nichts daran: Sie müssen Aufmerksamkeit
schaffen für die Musik, und da haben sich die Wege geändert.
Früher war es das Radio, der Bericht in der Zeitung oder der
Zeitschrift und heute ist es eben vermehrt das Internet.
nmz: Aber werden die Bigseller
nicht gebraucht, um dann auch das eine oder andere weniger gut
verkäufliche Produkt herstellen
zu können? Gorny: Viele Middleseller geben auch wieder einen
Bigseller. Das ist eine Frage des Gesamtumsatzes. Sie brauchen
eine bestimmte
Umsatzgröße, um dann wieder das Geld in Neuigkeiten
und Nachwuchs stecken zu können.
nmz: Eine Prognose für das Jahr 2020: Wird dann noch jemand
den Wert der
schöpferischen Leistung angemessen zu würdigen wissen? Gorny: Wenn wir an den Leitmarkt Kreativwirtschaft glauben, dann
können sich diese Märkte ja nur über eine Akzeptanz
des Urheberrechts entwickeln. Das betrifft einerseits den Gesetzgeber,
denn für die copyright-driven Industries ist das die Grundlage
des Geschäftemachens, nicht nur in der Musik, sondern auch
in anderen Bereichen. Das muss andererseits einhergehen mit einem
veränderten gesellschaftlichen Respektverhalten der künstlerischen
Leistung, dem Künstler gegenüber. Das ist auch eine
Bildungsfrage, nicht nur eine Frage der Gesetze. Da gibt es erste
Signale. Der Wirtschaftsminister hat gerade bekannt gegeben,
dass er einen Arbeitskreis Kreativwirtschaft einrichtet. Der
Kulturstaatsminister ist an dem Thema dran, ebenso sind es die
Landesregierungen. Vor dem Hintergrund der gesamtwirtschaftlichen
Rahmenbedingungen stellt sich die Frage: Wo kommen eigentlich
die Arbeitsplätze der Zukunft her? Da spüre ich deutlich,
dass die These: „Einer der Leitmärkte wird die Kreativwirtschaft
sein“, zunehmend Akzeptanz findet. Jetzt muss man das umsetzen.
Es geht nicht nur darum, dafür zu sorgen, dass diese Industrien
arbeiten können, sondern auch darum, im gesellschaftlichen
Bereich, im Bildungsbereich das Thema Kreativität, geistiges
Eigentum und künstlerisches Schaffen so zu verankern, dass
Sie eine positive Antwort auf Ihre Frage bekommen können.
Ich gehe davon aus, dass sie positiv sein wird.
nmz: Auf der anderen Seite hört man wie die „Open Source“-Bewegung
denkt: Dass nämlich die Gesetze, die das Urheberrecht schützen,
gesellschaftlich nicht akzeptiert sind, dass es deshalb kein wirkliches
Delikt ist, Musik zu klauen. Gorny: Es kann doch nicht sein, dass das Unter-die-Nase-Halten
eines Revolvers und das Einpacken von Geldscheinen ein Delikt ist
und dass der „bargeldlose Bankraub“ keines ist. Die
von Ihnen genannte Meinung führt am Ende zu einer Ungleichung.
Denn wenn man mit künstlerischer Leistung seinen Lebensunterhalt
nicht bestreiten kann, dann bedeutet das, dass man wahrscheinlich
etwas anderes macht. Dieses ganze Gerede, dass Musik frei ist oder
endlich frei zur Verfügung gestellt werden muss, kann am Ende
nur zu weniger oder gar keiner Musik führen. Da ist ein klärender
Diskussionsprozess nötig, den dann auch open source-Leute
begreifen würden. Man muss Respekt haben vor der künstlerischen
Leistung und sie akzeptieren. Wenn man sagt, „Danke, dass
Du diesen tollen Song gemacht hast, ich nehme ihn mir einfach“,
dann ist das Respektlosigkeit. Und das muss natürlich in die
Hirne der Fans, aber die kapieren das auch, wenn man es ihnen vernünftig
klar macht.
nmz: Bisher ist es aber nicht recht
gelungen, das wirklich klar zu machen. Wie ist denn das zu schaffen? Gorny: Wir sind ja auch erst am Anfang. Man schafft
es, indem man das als ein komplexes Problem sieht, nicht nur als
ein juristisches.
Wir müssen, wie wir das jetzt auch tun, in den verschiedensten
Bereichen Bewusstsein schaffen, in den Schulen zum Beispiel. Das
ist natürlich locker gesagt und muss als Ganzes angegangen
werden. Sie sehen es ja in anderen europäischen Ländern,
dass man sich dort – wenn auch nicht immer komplett erfolgreich – mit
verschiedenen Programmen darum bemüht. Wir tun da ja bisher
sehr wenig.
nmz: Sie haben das Thema Kreativwirtschaft
oder auch Creative Industries angesprochen, die das wirtschaftliche
Potenzial unserer Zukunft
ausmachen werden. Unter den Kreativen gibt es aber durchaus auch
Menschen, die meinen, diese beiden Begriffe würden sich widersprechen:
Kreativität, „industrialisiert“, ist keine Kreativität
mehr. Stoppt die – massenhafte – Vermarktung die eigentliche
schöpferische Leistung? Gorny: Nein. Es ist wichtig, sich klar zu machen:
Immer, wenn aus Kultur Kunst wird, ist der Markt mit im Spiel.
Immer dann entsteht
auch Angebot und Nachfrage. Dieses Angebot kann zu einer massenhaften
Nachfrage und industriellen Verwertung führen. Muss es aber
nicht. Derjenige, der anbietet, der Künstler, kann sich dem
ja verweigern. Er kann dieser industriellen Verwertungskette aber
auch zustimmen. Das wird deshalb immer so ideologisch beschrieben,
weil man so tut, als gäbe es da nicht die Wahlfreiheit und
die bewusste Entscheidung, mitzumachen oder nicht. Genau vor diesem
Hintergrund ist die Ideologisierung unsinnig. Wenn Sie Ihr Recht
freigeben und verschenken: Wunderbar. Genauso gut können Sie
aber sagen: Das ist was wert, und wenn sich Leute dafür interessieren,
dann will ich auch dafür entlohnt werden.
nmz: In der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift „Musikmarkt“ wird
Michael Haentjes zitiert, der gegenüber der Justizministerin
sagte, „die Musikwirtschaft sei nicht wie andere Kulturbereiche
auf Subventionen aus und in der Lage, sich alleine zu ernähren“.
Eine subventionierte „Hoch“-Kultur kommt da nicht mehr
vor. Lässt sich dieses Feld von dem der vermarktbaren „Musikindustrie“ wirklich
trennen? Welchen Stellenwert hat denn die-
se subventionierte Kultur, die eben nicht von sich selbst leben
kann? Gorny: Ich glaube, was er sagen wollte, war: Wir
sind hier als Phono-Industrie und wollen einfach nur gesunde Relationen
zwischen
Produkt und Produktverwertung haben. Dafür brauchen wir anständige
Rahmenbedingungen. Wenn wir die haben, sind wir zufrieden. Wir
wollen gar nicht unbedingt etwas geschenkt kriegen.
Das schließt aber nicht aus, dass es Kunst und Kultur gibt,
die es schwer hat am Markt und die gerade weil sie es schwer hat
der staatlichen Unterstützung bedarf. Haentjes´ Äußerung
sagt ja nur, Ich brauche das Geld nicht, deshalb habt ihr um so
mehr Geld frei, um solche Kultur zu stützen. Das ist auch
sinnvoll. So sehr ich Wert darauf lege, dass Profitabilität
und Ertrag und diese ganzen Begriffe auch im künstlerischen
Umfeld einen Sinn und einen Wert haben, genauso lege ich Wert darauf,
dass Profitabilität nicht der alleinige Maßstab von
Kunst sein kann. Gerade deshalb ist es nötig, gesellschaftliche
Mittel frei zu halten, um Dinge zu stützen, die Impulse setzen
und die für die gesamtgesellschaftliche Entwicklung wichtig
sind. Da sind wir dann bei der Subvention.
Es ist auch ein Fehlschluss, aus diesem Diskurs immer gleich einen
Strick zu drehen und zu sagen: Das ist der ökonomische Ausverkauf.
Jetzt unterliegt alles dem Diktat des Marktes. Gerade wenn alles
dem Diktat des Marktes unterliegt, kann ich auch unter dem Diktat
des Marktes sagen: Dieses oder jenes ist mir ganz wichtig. Das
ist zwar nur ein kleiner Markt, das interessiert vielleicht weniger
Leute und ist deswegen nicht kostendeckend, aber gerade deshalb
brauchen wir dafür Steuergeld.
Nehmen Sie zum Beispiel die Diskussion im Bereich des öffentlich-rechtlichen
Rundfunks, wo ja die Dritten Programme immer unter kritischen Beschuss
kommen. Die brauchen wir, gerade weil sie Programme machen, die
es schwer haben, die nicht mit Massenveranstaltungen konkurrieren
können. Sollen sie auch gar nicht. Es wäre ein völlig
falscher Ansatz – und da will ich mich auch nicht instrumentalisieren
lassen – diesen kreativwirtschaftlichen Diskurs zu verwenden,
um daraus eine ökonomische Keule zu machen, mit der man auf
die so genannte Hochkultur einschlägt.
nmz: Wobei der öffentlich-rechtliche Rundfunk seiner Aufgabe,
die Sie gerade beschrieben haben, immer weniger nachkommt. Gorny: Gerade darum. Wir brauchen den Mut und
die politische Überzeugung,
die diese Grundversorgung, die Vielfalt, das Sich-Kümmern
um Minderheiten wieder zum Wert machen in der öffentlich-rechtlichen
Rundfunkdiskussion. Die anderen haben wir ja, die Privaten. Die
können sich diesen Ansatz nicht leisten, weil sie nur Dinge
tun können, die letztendlich massentauglich sind. Alles was
sie ausgeben müssen sie auch einnehmen. Was die anderen ausgeben
bekommen sie aber von uns zurück. Dafür bedarf es einer
Legitimation.
nmz: Ist der Rundfunk für die Phonoindustrie noch ein guter
Partner? Gorny: Immer, ein ständig in der Kritik stehender Partner.
Das ist aber ein Phänomen, das so alt ist wie die Schallplatte
selbst oder wie die elektronische Kommunikation von Musik. Es geht
in diesen Bereichen immer darum, dass der eine sagt: Ich brauche
die kommunikative Bandbreite, damit die Leute aufmerksam werden.
Dafür gibt es zunehmend Substitute. Der andere allerdings
sagt: Ich brauche Deine Musik, um ein Geschäft zu machen.
Das sind diese eingebauten Interessenkonflikte, die nicht vergessen
lassen sollten, dass man am Ende in einem Boot sitzt. Gerade im
Zeitalter der aufbrechenden Medien ist es um so wichtiger, Partnerschaften
zu entwickeln.
nmz: Welche Voraussetzungen müssen alle am Musikleben Beteiligten
schaffen, damit auch im Jahr 2020 Menschen viele verschiedene Arten
von Musik hören und machen, damit sie ein Bewusstsein entwickeln
für die Leistung dessen, der am Anfang der Schöpfungskette
steht? Gorny: Spaß an der Musik erhalten, in jedweder Form. Wenn
die Neugierde wegfällt, weil immer das Gleiche kommt, dann
wird sich Langeweile entwickeln. Wir brauchen frische Impulse und
Offenheit für Neues, Interessantes, vielleicht zunächst
Ungewohntes. Aber Trendfähigkeit im Sinne des Präsentierens
von Neuem ist die alleinige Grundlage für Hitfähigkeit.
Wenn man dieses Wechselspiel begreift, dann gibt es eben auch das
Unangepasste, das Neue sowohl in den Medien, als auch in der Schule
und anderswo. Das erzeugt dann wieder die Breite, auch den Massengeschmack.
Aber immer in dieser Wechselwirkung.
nmz: Am Schluss eine Frage zu Ihrer
Person: Sie lassen sich aufgrund Ihrer bisherigen Tätigkeiten, Ihres bisherigen Engagements
nicht recht einordnen: Klassischer Musiker, Musiklehrer, VIVA-Chef,
jetzt Mitglied des Musikrats-Präsidiums, Künstlerischer
Leiter der Ruhr 2010 GmbH und Stellvertretender Vorsitzender der
Phono-Verbände. Dabei starker Fürsprecher einer Stärkung
der musikalischen Bildung? Wo geht das hin? Was haben Sie noch
vor? Gorny: Im Moment genieße ich diese Vielfalt, weil es ja ein
Bindeglied gibt: Musik und den Wert von Musik. Es macht deshalb
so viel Spaß und es ist deshalb so sinnvoll, weil das wie
ein roter Faden alles durchzieht. Es sind immer musikalische Themen,
und sie haben immer auch etwas mit dieser Grunddiskussion zu tun:
Welchen Wert hat die Musik? In der Gesellschaft, im wirtschaftlichen
Kontext, wie geht man mit diesen Werten um, und wie kann man mehr
Werte schaffen? Da sind wir wieder bei dieser Doppeldeutigkeit:
Mehrwerte schaffen kann ökonomisch gemeint sein. Das ist nicht
schlecht für eine Gesellschaft, die sich darüber Gedanken
macht, wo die Arbeitsplätze der Zukunft herkommen. Werte schaffen
meint aber auch immaterielle Dinge, nämlich genau diese geistigen
Grundlagen, die wiederum wichtig sind für eine Zukunftsdiskussion.
Genau so wirken zu können, dass man dem jeweiligen „Ufer“ nicht
ausschließlich zuzuordnen ist, um auch Gehör zu finden
am anderen Ufer, egal wo man gerade steht, ist wichtig in einer
Zeit, in der alles immer komplexer und komplizierter wird. Da ist
es wichtig, Brücken bauen zu können. Und Erfahrungen
einbringen zu können, die jeweils der anderen Seite zuzuordnen
sind. Das wird in Zukunft sicher noch wichtiger und wertvoller
werden.