Zur konzertanten Wiederaufführung von Walter Braunfels’ „Don
Gil von den grünen Hosen“
Langsam nimmt das Bild des Opernkomponisten Walter Braunfels über
die seit einiger Zeit wieder im Repertoire Fuß fassenden „Vögel“ hinaus
Konturen an: Nach den postumen Uraufführungen von „Der
Traum ein Leben“ und der „Szenen aus dem Leben der
Heiligen Johanna“ (siehe nmz 6/2001 und 2/2002) sowie dem
CD-Mitschnitt der „Prinzessin Brambilla“ (siehe Seite
39) stellte nun das Münchner Gärtnerplatztheater seinen
als „Musikalische Komödie“ bezeichneten „Don
Gil von den grünen Hosen“ über 80 Jahre nach dessen
Uraufführung zur Diskussion.
Dass ihm damit nicht unbedingt die „komische Oper der Zukunft“ gelungen
war (die ein Kritiker dem jungen Komponisten einst zutraute), hat
Braunfels selbst zugeben müssen, als er davon sprach, statt
des ursprünglich geplanten „grossen Allegro con Brio“ ein „Gemisch
von Heiterkeit und Ernst“ komponiert zu haben. Und so konnte
man auch in der konzertanten Münchner Aufführung verfolgen,
wie
sich nach der mit beinahe Strauss’schem Don-Juan-Elan voranstürmenden
Ouvertüre schnell ein melancholischer Schleier über die
Musik legt. Bezwingt
Braunfels’ feine Charakterisierung der Hauptfiguren Doña
Juana und Don Manuel noch durch ihren lyrisch-dramatischen Impetus,
so entgeht der lange erste Akt nicht ganz der Gefahr, das sich
anbahnende Liebesverwirrspiel mit Bedeutungsschwere zu überfrachten.
Auch die nicht immer spritzige Textversion, die der Sohn des Romanisten
Ludwig Braunfels aus Tirso de Molinas köstlicher Mantel- und
Degen-Komodie zusammenstellte, hat ihren Anteil daran.
Faszinierend dennoch die Bandbreite der Tonfälle, die Braunfels
in seinen so unterschiedlichen Bühnenwerken anzuschlagen weiß:
Statt üppig koloriertem Melos in den „Vögeln“,
herb-dramatischer Zuspitzung im „Traum“ oder hymnisch-sakralem
Aufschwung in der „Johanna“ hier im „Don Gil“ nun
also eine lichtdurchflutete Instrumentierung mit geschmackvoll
und dramaturgisch präzis eingewobenem spanischem Lokalkolorit
und im zweiten und dritten Akt brillante Ensemblesteigerungen.
Spätestens hier wird einem bewusst, dass Braunfels’ Erfolg
als Opernkomponist keine bloße Zeiterscheinung war, sondern
in der Qualität seines traditionsbewussten, doch immer eigenständigen
Komponierens begründet ist. Eine gewiss lohnende Inszenierung
des Werks müsste wahrscheinlich den verworrenen Verkleidungsreigen,
der sich um die grünen Beinkleider dreht, absurd auf die Spitze
treiben, ohne die der Musik innewohnende Gefühlstiefe bloßzustellen.
Die konzertante Aufführung machte dem Ensemble des Gärtnerplatztheaters
alle Ehre. Überragendes leistete Wolfgang Schwaninger, der
die anspruchsvolle Zwischenfachpartie des Don Manuel souverän
meisterte; die weiblichen Hauptpartien waren bei Barbara Gilbert
(Doña Juana) und Sandra Moon (Doña Ines) gut aufgehoben.
Orchester und Chor agierten unter David Stahls präzis anfeuernder
Leitung mit großem Enthusiasmus und mitreißender Präsenz,
worunter lediglich die Durchhörbarkeit mancher Ensembles ein
wenig zu leiden hatte.
In der kommenden Spielzeit wird sich Christoph Schlingensief
der „Heiligen
Johanna“ an der Deutschen Oper Berlin annehmen. Die Entdeckung
des Musikdramatikers Walter Braunfels geht also weiter. Gut so.