nmz 2007/07 | Seite 2
56. Jahrgang | Juli/Aug.
Personalia
Personalia
Die neue musikzeitung hat ihre interaktiven Tätigkeiten ausgeweitet.
Mit dem Kulturinformationszentrum
stellen wir die engagierte Diskussion in das Zentrum der Aktivitäten
im Netz. An dieser Stelle können Fragen gestellt, Informationen
verbreitet und die Arbeiten anderer kultureller Initiativen zur
Darstellung gebracht werden.
Der Mensch im Mittelpunkt und nicht die Partitur
Durch Musik zum Selbst: der Komponist Peter Michael Hamel wird
sechzig
Eigentlich dürfte ich diesen Text gar nicht schreiben. Denn
dies war das Erste, das Peter Michael Hamel mir auf den Weg gab:
Lassen Sie den Journalismus, Sie wollen doch komponieren! Bald
darauf trat ich in seine Klasse an der Hochschule für Musik
und Theater Hamburg ein. Es war kein Kompositionsunterricht im
konventionellen Sinn, er hat nie Töne korrigiert oder Strukturen
abgezählt; Harmonielehre kam nicht vor. Er war im Unterricht
ein nicht nachlassender Energiestrom. Stücke der Studierenden
liest er oft über Nacht. Dass er Frühaufsteher ist, weiß man
spätestens, wenn sein Anruf schneller war als der Wecker.
Und bei allem steht nicht die Partitur im Mittelpunkt, sondern
der ganze Mensch. Er kümmert sich über das Diplom hinaus – und
nicht nur für seine Studierenden ist er umtriebig, auch für
Kollegen: In seinen Hamburger Jahren hat er sich für ihre
Aufführungen mehr eingesetzt als für eigene.
Doch so rastlos er sich auch 1997 in die Kompositionsprofessur
stürzte – er blieb ein unabhängiger Künstler
mit großem Werkkatalog: drei Musiktheater, eine Messe, zwei
Sinfonien (die zweite wird 2008 bei der Münchener Biennale
uraufgeführt), ein Violinkonzert, weitere Orchesterstücke,
Kammermusik. Den Dreiklang seines Wirkens komplettiert die Improvisation,
mit der er die Zeit zerfließen lassen kann, für die
er sich mit seiner internationalen Gruppe stilistisch „zwischen
alle Stühle“ setzen wollte, so dass daraus die Formation „Between“ wurde.
Bereits damals verband er, was getrennt war. Früh und mit
musikalischer Kraft hat er minimalistische Elemente und Obertonklänge
in seine Kompositionen integriert, Mikrotöne indischer Modi
verwendet. Sein Buch „Durch Musik zum Selbst“ ist mittlerweile
in sechster Auflage erschienen, ein Klassiker. Veränderungen
hat er nicht gescheut: Die Haare waren lang und sind schon lange
kurz. Als Lehrmeister prägten ihn so unterschiedliche Persönlichkeiten
wie Günter Bialas und Sergiu Celibidache. Der Münchner
bereiste auf Tourneen die Welt, war von Indien fasziniert, lebte
in Rom in der Villa Massimo, kam nach Bayern zurück und landete
in Hamburg. Die Schar seiner fünf Kinder sorgt für Abwechslung,
seine Frau für Stabilität.
Am 15. Juli wird Peter Michael Hamel 60 Jahre alt. Sogar am Geburtstag
wird er in der Hochschule sein – bei einer jener Klangnächte,
die er initiiert hat. „Continuous Creation“ heißt
ein Klavierwerk von ihm. Eine fortlaufende Neuschöpfung, lieber
Peter, das bist du – und eine andauernde Schöpferkraft
wünsche ich dir! Jörn Arnecke
Ein Leipziger wird Weltenbürger
Der Dirigent Kurt Masur wird achtzig
Am 18. Juli feiert Kurt Masur seinen 80. Geburtstag. Der Dirigent
kann nicht nur auf ein Lebenswerk als vitaler Musikant zurückschauen,
er ist auch Weltenbürger, Symbolfigur der deutschen Wiedervereinigung
und vor allem Humanist. Letzteres äußert sich nicht
nur in seiner Vorliebe für musikalische Werke, die eine humanistische
Botschaft verbreiten, sondern auch in seinem Vermögen eben
jene humanistische Botschaft mit Leben zu erfüllen. 26 Jahre
lang leitete er das Gewandhausorchester, mit ihm erlangte er Weltruhm,
der ihm allerdings nie zu Kopf stieg. Die Leipziger Zeit bezeichnet
er heute noch als seine Basis. Auf dem Boden der Tatsachen blieb
er, als er im heißen Herbst 1989 zur Gewaltlosigkeit aufrief.
Und als er dann zwölf Jahre später, bereits zehn Jahre
lang Chef der New Yorker Philharmoniker, kurz nach den Terroranschlägen
in New York Brahms „Ein Deutsches Requiem“ auf das
Programm setzt – zu einem Zeitpunkt, an dem kein New Yorker
mehr an die Musik zu glauben scheint – will er damit zeigen,
welch heilende Kraft die Musik besitzt. Er selbst sagte später: „Die
Erinnerung an die Gefühle dieses außerordentlichen Moments
wird mich immer begleiten."
Masur fühlt nicht nur mit, er mischt sich ein, wenn es nötig
ist. In zahllosen Appellen mahnt er die musikalische Bildung von
Kindern und Jugendlichen an. Seinen Forderungen verleiht er Nachdruck,
indem er sich für den musikalischen Nachwuchs engagiert. In
Meisterkursen fördert er junge Dirigenten, in New York setzte
er sich für Schülerkonzerte ein, er begleitete Arbeitsphasen
und Konzerte des Bundesjugendorchesters und Eltern fordert er immer
wieder auf, dafür Sorge zu tragen, dass ihre Kinder das Singen
nicht verlernen. Im kommenden Jahr begeht Kurt Masur ein weiteres
Jubiläum: seine sechzigjährige Bühnentätigkeit.
Ein Leben für die Musik, die nmz gratuliert!
? bl
Foto: Charlotte Oswald
Die neuen Montréal-Vokal-Preisträger
Im Internationalen Gesangswettbewerb von Montréal gingen
die drei Grand Prix an die kanadische Sopranistin Marianne Fiset,
den amerikanischen Tenor Steven Ebel und die Russische Sopranistin
Evgenia Grekova. Die deutsche Sopranistin Susanne Ellen Kirchesch
bekam den Sonderpreis für die beste Interpretation des kanadischen
Pflichtwerkes.
Der Sänger Georg Danzer ist tot
Die Austropop-Legende Georg Danzer starb am 21. Juni im Alter von
60 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung, wie Danzers Management
mitteilte. Mit der Hawelka-Hymne „Jö schau“ schrieb
der Sänger 1975 österreichische Popgeschichte. Er brachte über
40 Alben heraus. Erst im Herbst hatte Danzer bekannt gegeben,
an Lungenkrebs erkrankt zu sein. Zuletzt musste Danzer seinen
geplanten Auftritt bei der Verleihung der Amadeus-Musikpreise
absagen. Er hätte dort den Preis für sein Lebenswerk
entgegennehmen sollen. Auch einen Auftritt beim Donauinselfest
in Wien sagte er ab. Dort gab nun sein Freund und Kollege Rainhard
Fendrich ein Abschiedskonzert für Danzer.
Quelle: http://www.orf.at
Premiere für den Giga-Hertz-Preis in Karlsruhe
Im ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe
wurden die Preisträger der gemeinsam vom ZKM und dem Experimentalstudio
für akustische Kunst e.V. Freiburg ausgerichteten ersten Ausschreibung
des neuen Giga-Hertz-Preises für elektronische Musik – entstanden
auf Initiative von ZKM-Vorstand Peter Weibel – im Rahmen
des ZKM-Festivals „next_generation“ bekannt gegeben.
Der hochkarätigen, international besetzten Jury gehörten
an:
Pierre Boulez, Peter Weibel, Wolfgang Rihm, Armin Köhler,
Horacio Vaggione, Ludger Brümmer und
Detlev Heusinger.
Der von der Jury vorgeschlagene Hauptpreis in Höhe von 15.000
Euro geht an den britischen Komponisten Jonathan Harvey, Jahrgang
1939, für sein Lebenswerk. Die aus über 180 Einsendungen
ausgewählten vier Produktionspreise in Höhe von je 8.000
Euro gehen an die Komponisten: Marc André, Daniel Meyer,
Flo Menezes und Vassos Nicolaou.
Die Produktionspreise sind Realisationsstipendien, mit denen die
Künstler ihre eingereichten Projekte am ZKM | Institut für
Musik und Akustik beziehungsweise am Experimentalstudio für
akustische Kunst e.V. Freiburg verwirklichen können.
Der Preis ist dem Andenken des Physiker Heinrich Hertz gewidmet,
der in Karlsruhe die elektromagnetischen Wellen entdeckte. Die
Preissumme von insgesamt 47.000 Euro kommt von der Stadt Karlsruhe
und dem Land Baden-Württemberg und ist damit die weltweit
höchste für elektronische Musik. Die feierliche Preisverleihung
findet am 24. November im ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie
Karlsruhe statt.
Rätselraten beendet: die neuen Wiener
Nach monatelangem Rätseln steht jetzt die neue Leitung für
die Wiener Staatsoper nach Ioan Holender fest. Neuer Operndirektor
wird der Franzose Dominique Meyer, der derzeit das Pariser Theatre
des Champs- Elysées leitet. Davor war der studierte Wirtschaftswissenschaftler
fünf Jahre Intendant der Oper Lausanne. Dominique Meyer wird
der Dirigent Franz Welser-Möst als Musikdirektor zur Seite
stehen. Beide werden ihr Wiener Engagement mit Beginn der Spielzeit
2009/2010 antreten.
Mittelpunkt Bach
Zum Tod Georg von Dadelsens „Was aber nicht in Noten oder Zeichen wiederzugeben
ist: das belebende improvisierte Ornament, der beseelte Ausdruck,
der
rhythmische Impuls: Das steht in der ‚Fassung letzter Hand‘ ebenso
wenig wie in einer anderen Fassung. Hier endet die Aufgabe des
Editors und die des Interpreten beginnt.“ Kein Zweifel, Georg
von Dadelsen war sich der Grenzen der textkritischen Annäherung
an das Kunstwerk bewusst. Gerade deshalb widmete er sich dieser
Form der musikwissenschaftlichen Grundlagenforschung vielleicht
mit besonderer Akribie und Leidenschaft. Zusammen mit den Arbeiten
Alfred Dürrs legten seine Forschungen zu den Bach-Handschriften
die Grundlagen für ein neues Verständnis des Kantors,
dessen Kantatenjahrgänge zuvor gern im Sinne einer Theleologie
hin zu den Choralkantaten datiert worden waren. Der langjährige
Tübinger Lehrstuhlinhaber verstarb im Alter von 88 Jahren.
jmk
Mittelpunkt Oper
Zum Tod Ulrich Schreibers
Sein fünfbändiger „Opernführer für
Fortgeschrittene“(Bärenreiter) gilt als Meilenstein
der publizistischen Auseinandersetzung mit der Gattung. Mit überragender
Repertoirekenntnis sind hier die Haupt- und Nebenpfade einer 400-jährigen
Geschichte gebündelt. Ulrich Schreiber, 1936 in Essen geboren,
begann nach einem Studium der Literaturwissenschaft und der Philosophie
in den 60er-Jahren als Musikkritiker zu arbeiten. Als freier Autor
war er für zahlreiche Tageszeitungen, darunter die Frankfurter
Allgemeine Zeitung und die Frankfurter Rundschau, sowie fürs
Radio tätig und wirkte als Juror unter anderem beim Preis
der Deutschen Schallplattenkritik mit. Nun ist Ulrich Schreiber
nach schwerer Krankheit in Düsseldorf verstorben. jmk
Gerd Vennemann
Die Alte Dorfkirche in Berlin-Schöneberg war am 9. März
2007 bis zum letzten Platz besetzt. „Einer der besten deutschen
Kameramänner“ (Der Spiegel) hatte seine Familie, seine
ARD-Kollegen und viele Freunde (vor allem aus diversen künstlerischen
Bereichen) nach langem Kampf mit einer schweren Krebserkrankung
verlassen. Bei der Beerdigung wurde in Nachrufen von der Intendanz über
die Kollegen bis zu bekannten Schriftstellern wie Hans-Christoph
Buch das Bild eines professionellen Handwerkers gezeichnet,
der seinem Beruf eine künstlerische Note gab, der zum
Beispiel bereits mit Newcomern wie den Ärzten oder Ideal clip-artige
Kurzfilme drehte, als der Videoclip noch gar nicht als Genre existierte.
Seine Fotoserien gibt es in Ausstellungen zu sehen, wobei hier
ein riesiger Nachlass noch auf eine Veröffentlichung wartet.
js