Interregionales Sinfonieorchester des Landesmusikrats Baden-Württemberg
in China
Vor hundert Jahren als deutsche Medizinschule in Shanghai gegründet
und seit Ende der siebziger Jahre in regem Austausch mit Deutschland
feiert die Tongji Universität ihren Geburtstag mit einem Orchester
aus Deutschland. Eingeladen war das Interregionale Sinfonieorchester
(IRO) des Landesmusikrates Baden-Württemberg unter der Leitung
von Wolfgang Gönnenwein.
4.000
Studenten kamen zum IRO-Konzert. Foto: Landesmusikrat
Baden-Württemberg
Der Dirigent stellt die Reise nach China als eine Art Experiment
dar: Ursprünglich ein reines Jugendorchester hat Gönnenwein
die Besetzung des IRO neu konzipiert, indem er neben 37 Studenten
auch 11 Professoren und Dozenten aus ganz Europa hinzunahm. Das
Experiment gelang, sowohl das Konzert in China war ein großer
Erfolg, als auch die Besetzungsform hat sich bewährt, denn
wie Gönnenwein anmerkt, haben sich „die Studenten und
Dozenten persönlich und künstlerisch phänomenal
verstanden und weiterentwickelt und zwar bei der Arbeit am Produkt
und nicht in der Stube an der Hochschule“. Ein Konzept, das
auch bei zukünftigen Konzert-reisen – ob nach Moskau
oder in der näheren Region – weiterbestehen soll.
Überschwänglich erzählt Gönnenwein von den
Erlebnissen in China, von dem Konzert in der Aula der Universität,
zu dem 4.000 Studenten gekommen waren, „welche die deutsche
klassische Musik wirklich aufgesogen und erlebt haben“. Seinen
emotionalen Höhepunkt erreichte dieses Konzert mit einer ad
hoc-Aufführung eines Satzes von Mozarts Klavierkonzert KV
488, gespielt
von einer chinesischen Studentin.
Warum gerade ein deutsches Orchester zu den Feierlichkeiten geladen
wurde und warum gerade das IRO, liegt auch in der persönlichen
Bekanntschaft zwischen Wolfgang Gönnenwein und dem ehemaligen
Präsidenten der Universität, Wan Gang, begründet,
der jetzt zum Forschungsminister Chinas ernannt wurde. Wie Wan
Gang haben auch andere Dozenten der Universität in Deutschland
studiert und so hat sich ein reger Austausch zwischen Shanghai
und Deutschland entwickelt. Das Deutsche Akademische Zentrum der
Universität koordiniert unter anderem Partnerschaften mit
deutschen Universitäten oder die Projektförderung durch
deutsche Firmen.
Die am Tag nach dem Konzert stattfindende Veranstaltung spiegelte
ebenfalls die besonderen Beziehungen der Tongji Universität
zu Deutschland wieder. Bundespräsident Horst Köhler hielt
vor 2.000 Studenten eine Rede zum 100. Geburtstag der Universität
in deutscher Sprache und stellt sich anschließend einer Diskussion
mit den Studenten – ebenfalls auf Deutsch. Gegenüber
dieser Zeitung spricht Gönnenwein auch darüber voller
Begeisterung. Das IRO gestaltete die Umrahmung dieses Festakts
mit einem Trompetenkonzert von Haydn. Die Ereignisse der beiden
Tage sieht er als eine „Verbindung von den Qualitäten
musische Bildung und wissenschaftliche Bildung“ und nennt
sie „das Lebenselixier für unsere Gesellschaft“.
Trotz seiner Begeisterung mahnt er zur Vorsicht hinsichtlich
so mancher deutsch-chinesischer Austauschbeziehung, denn der Austausch
soll nicht nur in eine Richtung verlaufen. Des Weiteren regt er
an, den Blick verstärkt auf die Pflege der musikalischen Kulturlandschaft
in Deutschland zu richten, um „unseren Stand zu steigern
und zu halten“, um nicht von den „Chinesen überrollt
zu werden“, wie Gönnenwein dies ausdrückt. Denn
die augenblickliche Bewunderung, die Musikern oder Orchestern aus
Europa noch entgegengebracht wird, kann sich schnell ändern,
wenn man zukünftigen Standards nicht mehr gerecht werden kann.