[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2007/07 | Seite 9
56. Jahrgang | Juli/Aug.
Cluster
Meine Frau war es
„Komponist Carter mag seine Musik nicht mehr“, meldete am
22. Juni „Die Welt“. Und weiter: „Carter sagt,
er habe sich wohl seit den Vierzigerjahren auf einem ‚Irrweg
befunden’, in dem er immer weiter in einer Sackgasse mit
scheußlich klingender Musik marschiert sei: ‚Niemand
mag das hören. Warum habe ich mein Leben darauf verschwendet?’ Die
Schuld an seinem Kompositionsstil gab Elliott Carter seiner 2003
im Alter von 95 Jahren verstorbenen Frau: ‚Sie mochte dieses
Zeug. Und ich konnte zu ihr niemals ,Nein‘ sagen.‘" Eine
Meldung, die mit Vorsicht behandelt werden sollte, schrieb „Welt“-Autor
Manuel Brug, „Immerhin ist ihr Verursacher schon zarte 98
Jahre alt“.
Die neue musikzeitung ging der Sache nach und
kam zu erstaunlichen Ergebnissen. Gut informierten Kreisen zufolge
hatte Carter seine Äußerung nach der Lektüre der
nmz vom Mai 2007 gemacht, in welcher der postmoderne Komponist
Moritz Eggert in der Rubrik „11 Fragen“ auf die letzte
Frage „Welche Musik soll zu ihrer Beerdigung erklingen?“ geantwortet
hatte: „Die gesammelten Werke von Elliott Carter, denn wenn
man schon tot ist, kann man sich nicht mehr zu Tode langweilen.“ Interviews
mit den Ehefrauen, Lebensgefährtinnen und Lebensgefährten
großer zeitgenössischer Komponisten wie Helmut Lachenmann,
Klaus Huber und Pierre Boulez zum Kompositionsstil ihrer Partner
werden in diesen Tagen geführt. Möglicherweise muss die
Geschichte der Neuen Musik neu geschrieben werden. Zwischen dem
Lucerne Festival und dem Bonner Beethovenfest ist ein Rechtstreit
darüber entbrannt, wer die Exklusivrechte an der Vermarktung
einer neuen Veranstaltungsreihe unter dem Namen „Composers
Wife in Residence“ hat. Von unserer Redaktion bekam Carter
bereits die „11 Fragen“ zugesandt.