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Ausgabe 2007/07
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nmz 2007/07 | Seite 14
56. Jahrgang | Juli/Aug.
Kulturpolitik

Vorreiter oder Außenseiter?

Die schwierige Rolle der Laienmusikverbände in der Zivilgesellschaft · Von Olaf Zimmermann

Folgt man den Debatten um zivilgesellschaftliches Engagement, ist viel die Rede davon, dass dieses aktiviert werden muss, dass die Bürgerinnen und Bürger sich stärker einsetzen sollen und auch wollen, dass das zivilgesellschaftliche Engagement also an Bedeutung gewinnt. Bricht man diese hehren Ziele im Kulturbereich herunter, landet man beim tagtäglichen von Flensburg bis Konstanz von Frankfurt/Oder bis Aachen praktizierten Engagement beispielsweise in Kunstvereinen, in – kirchlichen – Bibliotheken, in der kulturellen Kinder- und Jugendarbeit, im Amateurtheater, in Autorenvereinigungen, in soziokulturellen Zentren und natürlich auch in der Laienmusik.

Die Laienmusik kann dabei für sich in Anspruch nehmen, die größte Gruppe an Engagierten zu stellen. In der aktuellen Ausgabe des Musikalmanachs ist nachzule-sen, dass sich 4,8 Millionen Menschen aktiv in der Laienmusik engagieren. Werden die aktiven und fördernden Mitglieder zusammengezählt, sind 6,7 Millionen Bürgerinnen und Bürger in den Vereinen der Laienmusik engagiert. Das Engagement findet in der vokalen und in der instrumentalen Laienmusik statt. Im Bereich der vokalen Laienmusik haben sich seit 1952 die Chorverbände (Allgemeiner Cäcilien-Verband für Deutschland, Arbeitskreis Musik in der Jugend, Deutscher Allgemeiner Sängerbund, Deutscher Sängerbund, Internationaler Arbeitskreis für Musik, Verband Deutscher KonzertChöre, Verband evangelischer Kirchenchöre Deutschlands) in der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Chorverbände zusammengeschlossen. Die Verbände des instrumentalen Laienmusizierens (Bundesvereinigung Deutscher Musikverbände, Bund Deutscher Blasmusikverbände, Bund Saarländischer Musikvereine, Deutscher Turnerbund e.V., Fachgebiet Musik- und Spielmannswesen, Deutscher Bundesverband der Spielmanns-, Fanfaren-, Hörner- und Musikzüge, Deutscher Harmonika-Verband, Deutscher Akkordeonlehrer-Verband, Bund Deutscher Zupfmusiker, Bund für Zupf- und Volksmusik Saar, Deutscher Zithermusik-Bund) sind unter dem Dach der Bundesvereinigung Deutscher Orchesterverbände vereinigt.

Imagewandel Laienmusik

In den vergangenen zehn Jahren hat die Laienmusik einen Imagewandel durchgemacht. Vorangetrieben wurde dieser von den Vereinen selbst. Noch vor zehn Jahren dienten sie ähnlich den Kaninchenzüchtervereinen als Zerrbild des vermeintlich alten, überholten Ehrenamtes. Es wurde bereits der Abgesang auf diese „Vereinsmeierei“ angestimmt und das Hohelied des projektbezogenen Engagements, das nicht an Institutionen gebunden ist, gesungen. Heute ist es fast umgekehrt: Kaum jemand spricht noch vom so genannten „neuen“ Ehrenamt. Das liegt zum einen daran, dass die verschiedenen Vereine vor Ort ausreichend Gelegenheiten zum temporären Engagement bieten, so dass diejenigen, die für einen begrenzten Zeitraum eine Aufgabe übernehmen wollen, ausreichend Gelegenheit finden. Zum anderen sind offensichtlich viele Menschen bereit, sich doch längerfristig zu engagieren und suchen einen festen Kreis an Gleichgesinnten. In der Laienmusik finden sie diesen Kreis. Das heißt, in der Praxis wird das Image der rückwärtsgewandten Vereine widerlegt.

Das ist aber nur der eine Teil des Imagewandels. Der andere besteht darin, dass die Laienmusikvereine wie kaum eine andere Gruppe im Kulturbereich von der Aufwertung des bürgerschaftlichen Engagements profitieren konnten. Nicht zuletzt durch die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ in der 14. Legislaturperiode (1998 bis 2002), den ersten Freiwilligensurvey (2001) und die Debatten im Rahmen des Internationalen Jahres der Freiwilligen (2002) wurde deutlich, über welche Potenziale das bürgerschaftliche Engagement in Deutschland verfügt und welche Leistungen erbracht werden. Zuvor hatte sich der Eindruck verbreitet, das bürgerschaftliche Engagement in Deutschland sei im Vergleich zu anderen Ländern eher nachrangig und daher entwicklungsbedürftig. Wurde nach Beispielen aus dem Kulturbereich für bürgerschaftliches Engagement gesucht, fiel den meisten zuerst der Musikverein oder der Chor vor Ort und dann erst das soziokulturelle Zentrum oder der Kunstverein ein. Darin spiegelt sich auch das zahlenmäßig große Engagement in der Laienmusik wider.

Verändert wurde das Image aber auch durch ein betont selbstbewusstes Auftreten der Vereine und das Herausstellen der eigenen Leistungen in der musikalischen Bildung, in der interkulturellen Arbeit und in der Bedeutung für das gesellschaftliche Zusammenleben. Die Laienmusik – immer schon in der Mitte der Gesellschaft verankert – veränderte ihre Position in der Debatte um das Bürgerengagement von einer Außenseiterposition zum positiven Sinnbild. Ähnlich veränderte sich im selben Zeitraum das Image der Sportvereine. Auch sie haben es verstanden, ihre spezifische gesellschaftliche Leistung herauszustellen. Und noch in einer weiteren Hinsicht ähneln sich Laienmusik und Breitensport: beide sind eng mit der Politik verbunden.

Zu enge Verbindung mit der Politik?

Anders als andere Bundeskulturverbände sind die Laienmusikverbände – und hier speziell die Verbände der instrumentalen Laienmusik – eine enge Verbindung mit der Politik eingegangen. Vorsitzender der bereits erwähnten Bundesvereinigung deutscher Orchesterverbände ist der Bundestagsabgeordnete Ernst Burgbacher, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, dem Präsidium der Bundesvereinigung Deutscher Musikverbände gehört neben dem Bundesminister a.D. Wolfgang Bötsch – langjähriges und inzwischen ausgeschiedenes Mitglied des Deutschen Bundestags – die Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann, Vorsitzende der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundestags an. Diese enge Personal-Verbindung mit der Politik hat ihre Vorteile, wenn es darum geht, auch abseits von offiziellen Anhörungen die spezifischen Anliegen zu platzieren. Der (zu) enge Schulterschluss kann aber auch Nachteile haben, wenn es darum geht, die Politik zu kritisieren. Das ist besonders dann der Fall, wenn es sich um Mandatsträger in den Verbänden handelt, die selbst einer Regierungsfraktion angehören. Da kann es sein, dass ein Abgeordneter am Freitag einem Gesetz zustimmt und am darauffolgenden Sonntag aus Sicht der Laienmusik scharfe Kritik daran übt. Die ansonsten zumindest im Kulturbereich übliche Trennung zwischen Mandatsträgern in den Vereinen und Verbänden (Zivilgesellschaft) sowie der Politik wird damit aufgeweicht.

Ä hnlich den Sportvereinen sind die Laienmusikvereine vor Ort präsent. Kaum ein Politiker, sei es ein Landtags- oder ein Bundestagsabgeordneter, kann die in den Laienmusikvereinen versammelten Bürgerinnen und Bürger seines Wahlkreises ignorieren. Darum gelang und gelingt es der Laienmusik, ihre Anliegen wirkungsvoll bei der Politik vorzutragen. Selbst als sie noch Außenseiter im zivilgesellschaftlichen Diskurs war, war sie hierin Vorreiter.

Wird das Thema Künstlersozialversicherung angesprochen, so gibt es kaum einen Abgeordneten der nicht schon einen Beschwerdebrief eines Laienmusikverbandes über vermeintlich zu hohe Abgaben erhalten hat. Geht es um das Gemeinnützigkeitsrecht, wird von den Laienmusikverbänden eine starke Entbürokratisierung bei gleichzeitigem Erhalt – und möglichst noch Ausbau – von Privilegien für die Laienmusik eingefordert. Ähnlich zahlreich wie die Beschwerden zur Künstlersozialversicherung sind die Klagen über die GEMA. Hier werden speziell die vermeintlich zu hohen Tarife und zu wenig flexible Regelungen der Verwertungsgesellschaft angeprangert.

Alle diese „Klagen“ über Erschwernisse des Engagements in der Laienmusik lassen die Politikerinnen und Politiker nicht ungerührt – geht es nicht zuletzt um Wählerstimmen, die wiedergewonnen werden wollen.

Verbände sind verpflichtet, für die Interessen ihrer Mitglieder einzutreten. Das ist ihre vornehmste Aufgabe und zur Wahrnehmung dieser Aufgabe werden die Mandatsträger, also die Vorstände und Präsidien, gewählt. Bei der Laienmusik stellt sich allerdings manchmal die Frage, wo sie sich verortet: fühlt sie sich stärker dem Bürgerengagement oder mehr der Kultur verpflichtet oder sieht sie sich als Schnittmenge beider Felder?

Wenn die Laienmusik sich als Schnitt-menge von Bürgerengagement und Kultur versteht, so sind beide Seiten zu sehen: das Engagement der Bürgerinnen und Bürger und die Erfordernisse des Kulturbereiches. Wer für sich in Anspruch nimmt, einer ähnlich großen Zahl an Kindern und Jugendlichen den Zugang zur Musik und das Erlernen eines Instruments zu ermöglichen wie die Musikschulen, muss auch für die Pflichten dieser musikschulähnlichen Leistung eintreten und dazu gehört auch, die Künstlersozialabgabe auf Honorare an freiberufliche Musiker zu entrichten, sofern ihre Leistung mehr als drei Mal im Jahr in Anspruch genommen wird und sie keine Übungsleiter im Sinne des Einkommenssteuergesetzes sind. Ähnliches gilt für Laienchöre und -orchester, die für sich in Anspruch nehmen, einen ähnlichen Beitrag zum kulturellen Leben zu leisten wie der professionelle Kulturbereich und die dafür mit Menschen zusammenarbeiten, die von der künstlerischen Arbeit leben müssen und für die Künstlersozialabgabe entrichtet werden muss.

Vergleichbares lässt sich am Beispiel der GEMA aufzeigen. Die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundestags führte am 29.01.2007 eigens eine Anhörung durch, um unter anderem nachzufragen, ob die Laienmusik durch die Abgaben an die GEMA besonders belastet wird. Anders als bei einer vorherigen Anhörung zur Laienkultur bei der vorgetragen wurde, dass die GEMA-Abgaben undurchsichtig und unklar seien, wurde dies in der Anhörung im Januar nicht bestätigt. Der angehörte Vertreter der Bundesvereinigung Deutscher Orchesterverbände unterstrich vielmehr, dass man sich in den Verhandlungen schließlich einvernehmlich auf Tarife einige. Entscheidend ist aber vor allem das Interesse der Laienmusik daran, dass die Komponisten und Textdichter die ihnen zustehende angemessene Vergütung aus der Nutzung ihrer Werke erhalten. Denn nur wenn die Komponisten und Textdichter von ihrer Arbeit leben können, sind sie in der Lage, auf hohem Niveau die Musik komponieren und texten zu können, die von den Musikvereinen gespielt wird.

Zivilgesellschaftliche Perspektiven

Im Zuge des demografischen Wandels wird es in einigen Regionen Deutschlands schwierig werden, ein professionelles Angebot an Kultur und kultureller Bildung aufrecht zu erhalten. Die Vereine und Verbände der Laienmusik können Alternativen unterbreiten und müssten hierfür eine entsprechende Unterstützung erfahren. Sie sollten dabei als Teil des Kulturbereiches auftreten und zugleich deutlich machen, dass sie vom Engagement der Bürgerinnen und Bürger leben und dieses Bürgerengagement bestimmten Restriktionen unterliegt. Die Laienmusik sollte sich darüber hinaus stärker als Teil der Zivilgesellschaft verstehen und dabei Koalitionen und Partnerschaften mit anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren eingehen. Dazu zählen andere Verbände des Kultursektors, aber auch anderer gesellschaftlicher Bereiche. Zum zivilgesellschaftlichen Miteinander gehört in diesem Zusammenhang auch, zur Umsetzung eigener Ziele Kompromisse zu schließen und strategische Bündnisse mit anderen gegenüber der Politik einzugehen.

Nachdem zunächst das Laienengagement unterschätzt, dann in den Debatten zum Bürgerschaftlichen Engagement teilweise überschätzt wurde, ist es nun an der Zeit, realistisch zu beschreiben, was die Laienmusik für die Gesellschaft leisten kann. Die Bedeutung der Laienmusik als Teil der Zivilgesellschaft, dafür sprechen alle Indizien, wird eher wachsen als abnehmen.

Olaf Zimmermann

Aus dem Band „Ehrenamt Musik 2. Vereine und Institutionen auf dem Weg in die Zukunft“, hg. von Stefan Liebing und Angela Koch. ConBrio Verlagsgesellschaft, Regensburg 2007.

 

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