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nmz-archiv
nmz 2007/07 | Seite 13-14
56. Jahrgang | Juli/Aug.
Kulturpolitik
Ein Museum wird zum Klingen gebracht
Horch! – ein Bericht von der Bundesbegegnung „Schulen
musizieren“ in Zwickau
Neue Impulse für die kreative Auseinandersetzung mit Neuer
Musik in der Schule gingen von der diesjährigen Bundesbegegnung „Schulen
musizieren“ in Zwickau aus, auf der erstmals ein Kompositionswettbewerb
durchgeführt wurde.
Ermöglicht wurde der Wettbewerb durch die „Pro Musica
Viva – Maria Strecker-Daelen Stiftung“, die Preisgelder
in einer Höhe von insgesamt 6.000 Euro zur Verfügung
stellte. Unter dem Motto „Horch! – ein Museum wird
zum Klingen gebracht“ waren alle teilnehmenden Ensembles
der Bundesbegegnung eingeladen, sich kreativ mit dem Namen Horch,
dem Thema Auto und der Stadt Zwickau als einem der traditionsreichsten
Standorte des Automobilbaus in Deutschland auseinanderzusetzen.
Aus den Einsendungen wurden sechs zur Aufführung ausgewählt.
Der erste Preis ging an das Salonorchester des Hans-Thoma-Gymnasiums
Lörrach. Die Komposition „HORCHester – rhapsAUDI“,
die die Firmengeschichte von Horch musikalisch darstellt, macht
Gebrauch von für die Neue Musik typischen Kompositionstechniken
wie Aleatorik und Collage und erzeugt oft mit einfachen musikalischen
Mitteln eine sehr wirkungsvolle und zeitgemäße Klanglichkeit.
Beeindruckt zeigte sich die Jury auch vom Niveau der Aufführung,
bei der Schüler aus allen Jahrgangsstufen mitwirkten.Die Percussion-AG „body & drum“ der
Thomas-Mann-Schule Lübeck erhielt den zweiten Preis für
eine perfekt choreographierte und mitreißende Performance,
die sowohl klanglich als auch szenisch an Aufführungen der
englischen Gruppe „Stomp“ erinnert. Als Klangerzeuger
finden ausschließlich Gegenstände Verwendung, die in
Tankstellen anzutreffen sind wie Ölfässer, Kanister,
Besen und Schraubenschlüssel. Durch die Wahl des Instrumentariums
fügte sich die Performance gut in den Aufführungsort
ein – die historische Tankstelle des August Horch Museums.
Interpretatorisch überzeugte die Aufführung durch rhythmische
Exaktheit und hohe Intensität.
Das Schulorchester des Hindenburg-Gymnasiums Trier erhielt für
die Aufführung der Komposition „Horch, Gedanken über
das Auto“ den 3. Preis. Das Stück von Stefan Kröger,
einem Schüler der 12. Klasse, vollzieht die Geschichte der
Firma Horch musikalisch nach. Wenngleich die programmatische Idee
nicht immer im Detail nachvollziehbar ist, so ist doch eine Auseinandersetzung
mit der zeitgenössischen Tonsprache zu erkennen. Unkonventionelle
Spielweisen werden ebenso eingebunden wie geräuschhafte Klänge,
ausnotierte und improvisatorische Passagen wechseln einander ab.
Die Jury würdigte auch den Sachverhalt, dass das Stück
von einem Schüler weitestgehend allein komponiert und einstudiert
worden war. Auch das Schulorchester „Capella Corviniensis“ des
Gymnasiums Corvinianum Northeim vollzieht in seiner Komposition
die Firmengeschichte Horchs nach, allerdings werden hier die Bezüge
in erster Linie szenisch hergestellt. Das Stück zitiert in
der Art eines Potpourris Stilelemente aus Klassik und Jazz und
ist in einer eher traditionellen Tonsprache gehalten. Die Aufführung
war unterhaltsam und von hoher musikalischer Qualität.
Die Entscheidung der Jury, deren Vorsitz der Direktor der Dresdner
Musikhochschule Stefan Gies innehatte, und der unter anderem auch
die renommierten Komponisten Dieter Schnebel und Wilfried Krätzschmar
angehörten, fiel angesichts der Heterogenität der Beiträge
nicht leicht. Kompositionen von vier Gymnasien, einer Grundschule
und einer Förderschule mussten verglichen werden, ausnotierte
Stücke konkurrierten mit improvisatorischen Konzepten und
Schülerkompositionen standen Stücken gegenüber,
die maßgeblich von Musiklehrern gestaltet worden waren. Insgesamt
war die Formulierung in den Wettbewerbsanforderungen, die Stücke
sollten „in einer zeitgemäßen Tonsprache verfasst
sein“ offensichtlich recht unterschiedlich aufgefasst worden.
Das führte zu einem abwechslungsreichen Programm, entsprach
aber nicht unbedingt der Wettbewerbsidee, Kompositionen Neuer Musik
zu fördern. Zwar griffen die meisten Beiträge einzelne
Aspekte zeitgenössischer Kompositionstechniken auf, eine zeitgemäße
Klanglichkeit wurde jedoch nur in den wenigsten Fällen erreicht.
Gemeinsam war jedoch allen Beiträgen eine hohe kreative Eigenleistung
und der Spaß am Musizieren. Einen persönlichen Gewinn
konnten sicherlich alle Teilnehmer verbuchen, sowohl durch die
Beschäftigung mit zeitgenössischen musikalischen Gestaltungsmöglichkeiten
und dem Wettbewerbsthema als auch durch den Dialog mit anderen
Ensembles, die für die gleiche Aufgabe ganz unterschiedliche
Lösungen gefunden hatten. Es bleibt zu hoffen, dass der Wettbewerb
nach diesem erfolgreichen Start eine Fortsetzung erfahren wird,
wobei aus den Erfahrungen des ersten Durchlaufs durchaus einige
Lehren gezogen werden können. So sollten die Wettbewerbsbedingungen
etwas konkreter formuliert werden, insbesondere der Begriff „zeitgemäße
Tonsprache“ lässt einen zu großen Interpretationsspielraum.
Auch sollte eine ausgewogenere Beteiligung der Schularten angeregt
werden. Nur so kann deutlich gemacht werden, dass eine qualitätvolle
kreative Auseinandersetzung mit Neuer Musik in allen Jahrgangsstufen
und Schularten möglich ist.