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nmz-archiv
nmz 2007/07 | Seite 1
56. Jahrgang | Juli/Aug.
Leitartikel
Die Zu-Pfänder
Sie machen Musik? Wagen Innovatives – oder lieber Konservatives?
Sie opfern Ihre Freizeit für den Fanfaren-Verein? Und sind
vielleicht ein ganz klein wenig romantisch? Besuchen ab und zu
höchstpersönlich Ihre Bank? – Nur um beiläufig
festzustellen, ob sich hinter Ihren Zu- und Abbuchungen, den Spekulationsgewinnen
und den Finanzamtspfändungen – alle natürlich gründlichst
gebittet und gebytet – irgendwo noch ein Mensch befindet?
Oder einfach bloß um zu checken, ob Sie zur Lücken-Deckung
Ihr Cello verkaufen müssen? Und ob vielleicht ein kleines
Sponsoring möglich wäre?
Stellen Sie sich vor: Sie würden dort von einem miesepetrigen
Pförtner empfangen, der Ihnen zwanzig Kilogramm auszufüllender
Formulare in Sanskrit auf die Unterarme packt, Ihre Schuhe (vor
allem die Absätze) misstrauisch beäugt, Ihr T-Shirt mit
einem Blick verbrennt, während er hinter Ihnen einen Boss-Anzug
samt Armani-Krawatte durchwinkt? Um Sie dann in eine dunkle Einzelzelle
abzuführen, in der Sie gefälligst all jene aufgebürdeten
Formulare (in Sanskrit) peinlich genau auszufüllen hätten,
bevor Sie nach einer Körperkontrolle, die Ihre Scham nicht
schont, vielleicht zum Schalter vorgelassen werden? Tja: Bei den
Banken war das früher ungefähr so. Jetzt flutscht alles
hochsicher elektronisch.
Dass sich die Praxis öffentlicher Geldgeber – der Zuwender
bei Bund, Ländern oder Kommunen – verfahrenstechnisch
vom eingangs beschriebenen Banken-Steinzeit-Procedere kaum unterscheidet,
schreibt unserer ach so kostenbewussten ministerialen, föderalen
oder kommunalen Bürokratie eine klare Zeugnisnote aus: Miserabel.
Da wird – von allen politischen Kräften – zurecht
die Bedeutung des bürgerschaftlichen Engagements, der zivilgesellschaftlichen
Leistungen hochgejubelt. Andererseits schaffen ebendiese Politiker
einen absurden Parcours an bürokratischen Hürden für
jede Form von Kreativität. Um durch das Gestrüpp des
aberwitzigen Verordnungs-Geflechtes von Anträgen, Zuwendungs-Bescheiden
und Verwendungs-Nachweisen durchzusteigen, braucht jede Form förderungswürdigen
zivilgesellschaftlichen Engagements inzwischen wenigstens einen
Manager, einen Juristen und einen Betriebswirtschaftler. Ein bürokratischer
Blähbauch generiert, fantasielos wie er ist, den nächsten.
Getoppt wird diese öffentliche Curare-Injektion von der nächsten
Ebene, der europäischen: Hier sind die Antrags- und Zuwendungsverordnungen
für Kulturprojekte inzwischen so kompliziert, dass völlig
kulturfremde Agenturen bestens von der Beratung Kunstschaffender
leben können. Pervers. Oder doch Plan? ABM-Maßnahmen
für Momos graue Männer und Frauen? Überwachungsschleusen
für mutmaßlich unbotmäßig Kreative? Zensur
durch Ver-Ordnungswahn? Wahrscheinlich alles zusammen. Wir fordern
Friedrich Merz als Finanz- und Wirtschafts-Superminister, vorausgesetzt
er reduziert Rechnungshöfe und Zuwendungsbescheider aufs angemessene
Bierdeckel-Format. Ein paar Edel-Schmankerl ruinösen Zuwendungsgebarens
werden wir bald in lockerer Folge dokumentieren.