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nmz-archiv
nmz 2007/07 | Seite 7
56. Jahrgang | Juli/Aug.
Magazin
Verwertungsgesellschaft will Wertefragen stellen
Textdichter, Komponisten und Verleger trafen sich zur GEMA-Mitgliederversammlung
2007
Fast schon zur Ausstattung gehören die pfeifenden, Transparente
tragenden ver.di-Mitglieder, wenn die GEMA Veranstaltungen durchführt
oder irgendwo in Deutschland tagt. So auch bei der diesjährigen
Mitgliederversammlung in München. Erneut machten GEMA-Mitarbeiter
ihrem Ärger über die Tarifpolitik des Vorstands Luft.
So wenig zu übersehen ist der Konflikt, dass GEMA-Vorstand
Harald Heker seinen Geschäftsbericht direkt mit dem Thema
Mitarbeiterentlohnung startete. Sein Wunsch, möglichst viele
Mitarbeiter sollten den gegenwärtigen „Prozess des Wandels“ mittragen,
ist die Basis für Pläne, zukünftigen Mitarbeitern
10 Prozent weniger Gehalt zu zahlen und eine leistungsorientierte
Entlohnung einzuführen. Zu diesem von Vorstand und Aufsichtsrat
eingeschlagenen Kurs sehe er keine Alternative. „Wir sprechen
weiter mit den Mitarbeitern“, die im Übrigen „engagiert
und kompetent“ seien, lautete sein Fazit. Bleibt anzumerken,
dass wohl die Bereitschaft fehlt, mit deren Gewerkschaftsvertretern
zu sprechen, wie es ein Großteil der Mitarbeiter offenbar
wünscht.
Erfreuliches, aber auch Ernüchterndes hatte Heker in seinem
Geschäftsbericht zu vermelden. Die Ergebnisse aus 2006 können
sich sehen lassen. Ein Zuwachs der Inkasso-Einnahmen von 2,6 Prozent
führt die kontinuierliche Steigerung der letzten Jahre fort.
Insofern war das Jahr 2006 das „erfolgreichste Jahr der GEMA“.
Dieses Ergebnis aber ist nicht einer blühenden musikwirtschaftlichen
Landschaft zu verdanken, sondern außergewöhnlichen und
einmaligen Ereignissen des Jahres 2006. Nicht zuletzt die Fußball-Weltmeisterschaft
im eigenen Land hat zu erhöhten Einnahmen sowohl im Bereich
Rundfunk und Fernsehen als auch beim Inkasso der Betriebsdirektionen
geführt. Im Jahr 2007 allerdings werde, so Heker, mit solchen
Ergebnissen nicht mehr zu rechnen sein. Er geht von einer Ertragsminderung
in Höhe von etwa fünf Millionen Euro aus. Der Rückgang
des klassi-schen Tonträgermarktes wird sich voraussichtlich
fortsetzen. Und die Online-Einnahmen werden nicht, wie zu erwarten
wäre, in entsprechender Höhe wachsen. Das hängt
auch mit zahlreichen Schieds- und Gerichtsverfahren zusammen, in
denen die GEMA zurzeit für die Belange ihrer Mitglieder kämpft.
Die GEMA, so machte es Harald Heker gegenüber den ordentlichen
Mitgliedern der Verwertungsgesellschaft deutlich, sei aber – bei
aller wirtschaftlichen Orientierung – kein rein ökonomisches
Unternehmen. Es gelte auch, die Wertefrage zu stellen. Dazu gehöre
die Solidarität in der Gemeinschaft der Urheber ebenso wie
der Beitrag der GEMA zur kulturellen und kulturpolitischen Entwicklung
in Deutschland. Ein kulturpolitisches Konzept werde im Herbst vor-
und zur Diskussion gestellt. Damit soll dann auch klar werden,
wofür die GEMA inhaltlich eigentlich stehe. Neue Herausforderungen
erforderten neue Strukturen und – eine neue Kultur. Wie sich
der neue Kulturbegriff der GEMA definiert, bleibt allerdings unklar.
Rein zufällig kommentierte die Süddeutsche Zeitung just
am Tag der GEMA-Versammlung das neue Kulturgebaren des Goethe-Instituts
unter der kompetenten Anleitung von McKinsey. Unter der Überschrift „Grober
Unfug“ erläutert der Autor Thomas Steinfeld dort den
Wandel des Goetheschen Kulturbegriffs im „scheinbar marktwirtschaftlichen
Gequassel“. Die zu erwartende betriebswirtschaftliche Ausrichtung
der Instituts-Arbeit liefere die Kulturarbeit kulturfernen Kriterien
aus, so Steinfeld über Goethe.
Wie also, so lautet die Frage, sieht der Kulturwandel der GEMA
aus, wenn er sich zuallererst in einer gemeinsam mit der Zeitschrift
BRAVO geführten Kampagne „Schütze Deinen Star“ manifestiert,
in der Jugendliche animiert werden, ihre verarmten Pop-Ikonen vor
Raubkopier-Übergriffen zu bewahren?
In diesen Zusammenhang passt die Nachricht, die die Spatzen bereits
von den Dächern pfeifen, die aber noch immer offiziell nicht
bestätigt wird: Hans-Herwig Geyer, Kommunikationsdirektor
der GEMA, wird, so zumindest lauten die Informationen in der Kaffee-Pause,
zukünftig nicht mehr für die Verwertungsgesellschaft
arbeiten. Die Hintergründe sind noch unklar. So viel aber
ist sicher: Kein anderer Mitarbeiter der GEMA hat in den vergangenen
Jahren so viel kulturelles Engagement gezeigt wie Geyer. Durch
seine kontinuierliche Überzeugungsarbeit hat er bei den zahlreichen
Kulturverbänden in Deutschland Vertrauen geschaffen, fruchtbare
Kooperationen initiiert und der GEMA in diesen Kreisen ein „Kultur-Gesicht“ gegeben.
Wenn diese Verankerung nun wegfällt, muss einem um die Kultur
in der GEMA ein wenig bange werden.