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nmz-archiv
nmz 2007/07 | Seite 10
56. Jahrgang | Juli/Aug.
Magazin
Punkte, Preise und Prädikate
Zum neuen Wertungssystem beim Wettbewerb „Jugend musiziert“
Vor wenigen Wochen ist der 44. Bundeswettbewerb „Jugend
musiziert“ in Erlangen, Fürth und Nürnberg zu Ende
gegangen. Vieles war wie immer: großartige Leistungen der
jugendlichen Teilnehmer, begeisternde Abschlusskonzerte. Manches
hat die Verantwortlichen besonders erfreut: hervorragende Beteiligung
bei den Ensemble-Kateorienen; eine große Zahl von jungen
Leuten (mehr als 80!), die sich gleichzeitig an der Solo- und Kammermusikwertung
beteiligt haben; über 400 jugendliche Pianisten obwohl es
kein Klavierjahr war – also keine Solowertung Klavier.
Aber auch eine andere Entwicklung ließ aufhorchen: Die
Zahl der ersten, zweiten und dritten Preisträger ist deutlich
zurückgegangen. Was hat das zu bedeuten? Ein Leistungsrückgang?
Eine „Eiszeit“ bei „Jugend musiziert“?
Nichts davon: das Leistungsniveau ist unverändert hoch und
Preise werden auch weiterhin großzügig vergeben. Um
die Aussage zu belegen, ist es sinnvoll, einen Blick in die Geschichte
des Wettbewerbs zu werfen. Wie war das früher mit den Preisen?
In den Gründerjahren des Wettbewerbs gab es nur einen ersten,
einen zweiten und einen dritten Preis. Teilungen kamen so gut wie
nie vor und waren an strenge Regeln gebunden.
Vor diesem Hintergrund ereignete sich 1972 bei einer inzwischen
legendären Wertung in Violine Altersgruppe 1 (die gab es damals
noch auf Bundesebene) Folgendes: den ersten Preis gewann die 10-jährige
Anne-Sophie Mutter. Den zweiten Preis teilten sich Frank Peter
Zimmermann und Kolja Blacher, den dritten Ulrike Anima Mathé und
Andreas Krecher. Sie alle waren damals schon als Ausnahmetalente
erkennbar und noch einige andere Musiker, deren Namen man bis heute
kennt, nahmen teil und gingen leer aus.
Das konnte man doch so nicht belassen! Aber es hat noch etliche
Jahre gedauert, bis „Jugend musiziert“ sich entschlossen
hat, grundsätzlich umzudenken und das alte – in der
Kunst schlichtweg unsinnige Prinzip „es kann nur einen Besten
geben“, durch ein neues abzulösen, dessen Leitidee heißt:
Jede hervorragende Leistung soll auf jeder Ebene mit einem 1. Preis
bedacht werden.
Es hat sich dann allerdings so weiterentwickelt, dass die Anzahl
der Preisträger immer mehr wuchs und in den letzten Jahren
immer öfter von einer Inflation der Preise gesprochen wurde.
Es war nicht mehr leicht zu vermitteln, warum nur sehr wenig Teilnehmer
ohne Preis verblieben oder zu erklären, weshalb jemand einen
dritten Preis auf Bundesebene erhält, aber die Jury im Beratungsgespräch
allenfalls halbherzig zu einem Musikstudium raten wollte…
So haben die Gremien nach langer Diskussion beschlossen, sanft
entgegen zu steuern. Die Preise wurden etwas schmaler gemacht (z.B.
nur noch eine Spanne von 2 Punkten für den 1. Preis auf Bundesebene)
und unterhalb der ersten, zweiten und dritten Preise wurden Leistungsprädikate
eingerichtet, die etwas wert sein sollen und mit denen man sich
sehen lassen kann. Niemand bei „Jugend musiziert“ denkt
aber daran, zur Rigidität des alten Systems zurückzukehren!
Ob es gelingt, dass alle Beteiligten die Ergebnisse in diesem Sinn
richtig verstehen? Möglicherweise hat es in diesem Jahr die
eine oder andere Enttäuschung gegeben, weil Erwartungen noch
an der alten Praxis ausgerichtet waren. Aber wir hoffen, dass das
gut überlegte Konzept aufgehen und die Teilnehmer, ihre Lehrer
und ihre Eltern überzeugen wird.
Sind denn die Punkte und Preise überhaupt so wichtig? Wenn
man den politischen Grußworten Glauben schenkt, die auf allen
Ebenen des Wettbewerbs immer wieder zu hören sind, steht ja
der olympische Gedanke im Vordergrund und „hat jeder schon
gewonnen, der sich nur am Wettbewerb beteiligt“. Diese Floskeln
werden auch von den jugendlichen Teilnehmern als Sonntagsrede erkannt. „Jugend
musiziert“ weiß, dass den Teilnehmerinnen und Teilnehmern
die Ergebnisse, die Punkte und Preise sehr wichtig sind. Sie sehen
sie als einen Lohn erheblicher Anstrengungen, aber auch als Diagnose
und Beratung von Fachleuten. Darum wünschen sie sich ehrliche,
realistische und faire Beurteilungen. Und genau das will auch das
neue Konzept.