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nmz-archiv
nmz 2007/07 | Seite 39
56. Jahrgang | Juli/Aug.
Rezensionen-CD
Popmusik nach G8 und Kirchentag
Neuerscheinungen aus dem populären Genre
Hört, hört. Es gibt Neues aus New Jersey (USA). Und damit
von Bon Jovi. Die Fönfrisuren-Rocker mutierten in den letzten
Jahren zu Schwiegersohn-Poppern und vermochten kaum Taugliches
außer dem bandeigenen Radio-Schmonz zusammenzuklatschen.
Aber diesmal hat man sich der alten Tage besonnen. Man hörte
sich wohl die alten Platten (New Jersey, Slippery When Wet oder
These Days) noch mal an und kam überein, wieder mehr Rock
denn Kitsch zu veranstalten. Ging gut, bis auf das Duett mit Leann
Rimes und einer fürchterlichen Radioballade (You want to make
a memory). Aber sonst: astreiner Autofahrer Rock (www.bonjovi.com).
Die nächsten Amerikaner der Pop- und Rockparade im Juli 2007.
Tesla sind alte, gediegene Haudegen des in den 80er-Jahren praktizierten
Mainstream Rocks. Damals wie heute auf dem neuen Album „Real
to Reel“, das aber mehr Hommage an die eigenen Vorbilder
ist. Tesla waren eine der ersten Hardrock Bands, die „unplugged“ bei
MTV spielten und damit den Durchbruch schafften (5 Man Acoustical
Jam). Diesmal spielen sie Songs ihrer Helden nach; da wären
Deep Purple, Thin Lizzy, Eric Clapton, Rolling Stones oder Uriah
Heep. Funktioniert prächtig, weil Tesla die dreckige Note
in petto haben, das alte Gerümpel mächtig aufzumotzen.
Hörenswert (www.teslarealtoreel.com).
„
Der Anti-Christ ist wieder da“ werden in den USA die Konservativen
um George W. Bush hysterisch schreien. Mit anderen Worten: Marilyn
Manson, das Glubschauge mit Monsterflair ist mit neuem Album „Eat
Me, Drink Me“ ausgezogen, der Welt das Fürchten zu lehren.
Leider hat man zu Unrecht Angst. Denn was Marilyn Manson musikalisch
bietet, bleibt mauer elektronisch beeinflusster Metal, der so stumpf
klingt, als würde man eine Rasierklinge mit dem Löffel
schärfen. Eigene Songideen sind Mangelware. Das Image und
die Vermarktungsmühle müssen den Rest des Gebildes zusammenkitten
und werden es auch diesmal schaffen, über den kaum nennenswerten
künstlerischen Erguss einen blutgetränkten Mantel des
Schreckens zu legen. Wann der mal in die Pötte kommt, das
wird die Frage der nächsten zehn Jahre (www.marilynmanson.com).
Das glatte Gegenteil wird uns mit dem
viel zu früh verstorbenen Songwriter Elliott Smith zuteil.
Eine Doppel-CD mit Aufnahmen aus den Jahren 1995–97 zeigt
einmal mehr, welch genialer Songwriter der Amerikaner war. Seine
Songs treffen ins Herz, verweilen aber nicht da, sondern drehen
den Spieß im Herzen noch mal um. Das schöne an seinen
Songs ist, dass es bei ihm reicht, Bruchstücke zu hören
um ein größeres Etwas kennenzulernen. Mal zwischen Folk
und Indie pendelnd, dann in abgöttischer Ruhe funktionieren
die Songs ohne Pathos sondern nur mit Seele (www.dominorecordsco.com).
Kraak & Smak sind die drei Holländer Mark Kneppers, Oscar
De Jong und Wim Plug; nur mal für alle Ortsunkundigen. Mit
ihrem Retro-Funk-Style haben sie sich in Europa einen Namen gemixt,
der seit Jahren für Qualität und Tanzbarkeit steht. Dabei
setzt man nicht auf tumbes Discoklischee, sondern erfreut mit neuen
Einfällen: Da mal ein Rhodes-Sound, dort ein Sprechgesang,
dann Soul oder Elek-trorock. Die Abwechslung macht’s. Daher
Daumen hoch für eine gelungene Kollektion „The Remix
Sessions“, die zum Kennenlernen der Holländer mehr als
aufrufbar ist (www.myspace.com/kraaksmaak).
Ich & Ich. Annette Humpe und Adel Tawil. Zum zweiten Mal auf
einem Album. Nach 2005. „Vom selben Stern“ benötigt
viel Ruhe auf dem Weg zur Erkenntnis. Schön scheinen die Texte
zu sein; das darf man sagen. Nicht belanglos, nicht überkandidelt.
Die Musik. Tja, endlich mal wieder Ratlosigkeit, möchte man
sagen. Etwas, in das man sich verbeißen kann. Mit Sicherheit
keine Alltagskost. Auch kein roter Faden. Elektromusik, die sicher
Wurzeln in der NDW findet. Die oft ins Einfache driftet. Monoton
dahin wienert, aber gerade darin eine gewisse Kraft zu entwickeln
scheint. Ein Album, das Selbsterfahrung fördert und fordert.
Nicht zu vernachlässigen (www.ich-und-ich.de).
Sven Ferchow
Diskographie
Bon Jovi – Lost Highway
(Mercury, Juni 2007)
Tesla – Real To Reel
(Ryko, Juli 2007)
Marilyn Manson – Eat Me, Drink Me (Universal, Juni 2007)
Elliott Smith – New Moon
(Domino, Juni 2007)
Kraak & Smak – The Remix Sessions (Jalapeno, Juni 2007)
Ich & Ich – Vom selben Stern
(Universal, Juni 2007)