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nmz-archiv
nmz 2007/07 | Seite 23
56. Jahrgang | Juli/Aug.
Verbandspolitik
Voneinander wissen und gemeinsam agieren
Alexander Suder, Mitbegründer des Bayerischen Musikrates,
zum dreißigjährigen Jubiläum des Verbandes
Ende Juni 2007 beging der Bayerische Musikrat sein dreißigjähriges
Jubiläum. Eine Geschichte, welche die neue musikzeitung mit
dem folgenden Interview nachzeichnen will. Susanne Fließ traf
sich mit Alexander Suder zum Gespräch.
neue musikzeitung: Im Juni 2007 beging der Bayerische Musikrat
sein 30-jähriges Bestehen. Welche Aufgaben stellten sich Ihnen
damals und womit ist der BMR heute konfrontiert? Alexander Suder: Damals haben wir den BMR aus dem Nichts ins Leben
gerufen; das Bewusstsein, dass sich Musiker für die Durchsetzung
ihrer Interessen in die Politik einmischen müssen, existierte
noch nicht. Es herrschte eine ausgeprägte Elfenbeinturm-Mentalität.
Wir waren Praktiker, die immer wieder Ideen ausgearbeitet und Taten
vollbracht haben. Die ersten Jahre standen ganz und gar im Zeichen
des Aufbaus, jetzt liegt der Hauptakzent auf der Sicherung und
Bewahrung gewonnenen Terrains, Zuschüsse müssen gesichert
und Konservierung betrieben werden.
Alexander
Suder im Jahr 1997. Foto: Theo Geißler
nmz: Sie sind Musikwissenschaftler,
hatten einen Lehrstuhl für
Musikwissenschaft und praktische Musik an der Fachhochschule in
München inne. Hat sich damals für Sie schon abgezeichnet,
dass Sie ein zentraler Angelpunkt werden würden? Suder: Eigentlich war das eine Parallelentwicklung,
meine berufliche Tätigkeit spielte da eine sehr geringe Rolle. Viel entscheidender
war die Tatsache, dass ich 1969 in den Vorstand des Münchner
Tonkünstlerverbandes gekommen war und dadurch die Vereinslandschaft
in Bayern ein bisschen kennengelernt habe. Den Anstoß für
meine politische Aktivität gab der Dozentenverband an der
Fachhochschule, der damals regelmäßige Kontakte zum
Landtag pflegte. Ich bin oft mitgegangen und habe später dort
auch Beziehungen angebahnt und sie später auch genutzt.
nmz: Ist das Kontakte knüpfen in die bayerische Politik hinein
heute schwerer als damals? Suder: Ganz im Gegenteil halte ich es heute für viel leichter,
denn wir haben ja damals die Tore erst aufgestoßen, haben
die Politik für unsere Themen sensibilisiert. Wir waren Pioniere
in dieser Hinsicht. Ich persönlich hatte übrigens in
der Person der Kultusminister immer hervorragende und sehr aufgeschlossene
Gesprächspartner.
nmz: Mit der Gründung des BMR be-traten Sie in Bayern Neuland. Suder: Vor der Gründung des BMR hatte es in Bayern die „Aktionsgemeinschaft
Musik in Bayern“ gegeben, der Zusammenschluss der professionellen
Verbände, andererseits die Laienmusikverbände. Beide
führten ein völlig separates Dasein. Das Wesentliche
an der Gründung des Bayerischen Musikrates war die Zusammenführung
des professionellen und des Laienmusizierens. Bis dahin wusste
einer vom anderen nichts. Wenn man aber nichts voneinander weiß,
dann hat man auch keine Veranlassung, zusammen mit ihm zu agieren.
Die Gleichberechtigung der beiden Gruppierungen spiegelt sich auch
in der Satzung wider, die damals vom Laien-Präsident Alois
Kremer eingebracht wurde.
nmz: Der BMR war der erste Landesmusikrat in Deutschland?
Suder: Ja, danach war es wie ein Dominoeffekt: Als man das erfolgreiche
Modell in Bayern sah, war die Gründung weiterer Landesmusikräte
nur noch eine Frage der Zeit.
nmz: Wie betrachtete der Deutsche
Musikrat, der ja schon 20 Jahre älter
war, die Gründung des BMR? Suder: In Bonn beobachtete man die Gründung mit einem weinenden
und einem lachenden Auge. Freude herrschte darüber, dass auch
die Landesebene endlich politisch aktiv wurde, andererseits war
man sich bewusst, dass nun auch konkurrierende Gedanken in die
Politik eingebracht würden. Dadurch, dass ich auch lange Jahre
im Präsidium des DMR war, ergaben sich zu keiner Zeit Spannungen
oder eine Konkurrenz zu den Aktivitäten auf Bundesebene.
nmz: Welche Meilensteine gibt es
aus Ihrer Sicht in den 30 Jahren BMR? Suder: Der zentrale Auslöser für die Gründung des
BMR war der sogenannte „Bayerische Musikplan“. Im Oktober
1976 kam vom kulturpolitischen Ausschuss im Bayerischen Landtag
die Anregung, einen „Musikplan“ für Bayern zu
erstellen. Niemanden interessierte dieses Ansinnen. Ich setzte
mich sofort hin, begann darüber nachzudenken, eine Systematik
zu entwerfen und versuchte in der „Aktionsgemeinschaft“ dafür
zu sorgen, dass wir eine breite Basis bekamen und die Verbindung
mit den Laienverbänden suchten. Am Ende präsentierten
wir „unseren“ Musikplan am Gründungstag im Juni
1977 dem Ministerium und dem Landtag. Die Staatsregierung begriff
diesen Entwurf als Anregung, ihrerseits einen Musikplan zu erstellen.
So stolz wir waren, dass es aufgrund unserer Initiative nun einen
staatlichen Musikplan gab, so enttäuscht waren wir dann, denn
der staatliche Plan enthielt nur winzige Bruchteile unserer Vorstellungen.
In groben Zügen legte er die Notwendigkeit der Musikförderung
dar, aber alles blieb ziemlich unverbindlich und oberflächlich.
Entscheidend war jedoch vielmehr bei der ersten Präsentation
im Juni 1977 die Begegnung mit dem frisch gewählten Haushaltsausschuss-Vorsitzenden
Richard Wengenmeier. Er blieb uns von diesem Augenblick an inhaltlich
eng verbunden und dies nicht nur aus persönlichem Interesse
an der Musik, sondern durchaus unter politischen Gesichtspunkten,
dass nämlich die Politik die Musik sehr nötig hat. So
erhöhte er nicht nur die Zuschüsse für die Mitgliedsverbände
des BMR, sondern hatte auch maßgeblichen Anteil an der Gründung
der beiden bayerischen Musikakademien Hammelburg und Marktoberdorf.
nmz: Das Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und
Kunst gibt nach eigener Aussage aktuell rund 39 Millionen Euro
für die Musikförderung in Bayern aus. Diese hohe Summe
klingt, als ob der BMR hier seine Beratungstätigkeit einstellen
könnte. Suder: Der Beratungsbedarf ist natürlich weiterhin da, wenn
ich allein an unsere Vorlage zur Musikhochschul-Landschaft in Bayern
von 1992 denke. Unsere Anregung wurden damals nicht umgesetzt,
sondern von dezidierten Einzelinteressen blockiert. Nach mehr als
15 Jahren kommt man nun zum selben Ergebnis. Der für mich
bittere Unterschied ist nur der, dass eben heute kaum noch Geld
für die Realisierung da ist. Das ist eine typische Geschichte
der verpassten Gelegenheiten, auch wenn die Bremser nicht im Ministerium
zu suchen waren.
nmz: Als der BMR zehn Jahre alt
war, forderten Sie einen Bayerischen Musikfonds und formulierten
auch seine Aufgaben. Suder: Diesen Musikfonds gibt es seit 1990 und
die Aufgaben decken sich exakt mit meinen damaligen Vorschlägen. Der Fonds hat
eine Million Euro Kapital, wenn man aber allein mit den Zinsen
Projekte fördern wollte, benötig-
te man den zehnfachen Betrag. Übrigens war auch der Fonds
eine wichtige Tat von Richard Wengenmeier.
nmz: Welche Erfolge können Sie als Gründervater des BMR
benennen? Suder: Wir können zufrieden darauf zurückblicken, dass
wir überhaupt erst ein Bewusstsein für bestimmte musikpolitische
Fragestellungen schufen. Es ist kein Zufall, dass Hans Zehetmair
und heute auch Thomas Goppel ein offenes Ohr für unsere Themen
haben. Ihre Bekanntschaft mit dem Musikbereich, vertreten durch
uns, ist mehr als 30 Jahre alt, sie waren damals als junge Abgeordnete
bei unseren Tagungen und wir können erfreut registrieren,
dass die Saat zu unseren Gunsten aufgegangen ist.
nmz: Und die Misserfolge? Suder: Der gesamte Hochschul- und Konservatoriumsbereich
ist bis heute nicht ganz befriedigend gelöst. Aber man muss auch gerecht
bleiben: natürlich haben wir nicht alle Forderungen und Ideen
eins zu eins durchgesetzt, aber das ist kein Grund zur Selbstzerfleischung;
wir haben vieles angestoßen und gute Kompromisse erzielt.
Eine Kritik betrifft uns selbst: wir hätten vielleicht mehr
an die Zusammenarbeit und Solidarität der Verbände innerhalb
des BMR appellieren müssen. Für den professionellen Bereich
habe ich beispielsweise immer bedauert, dass die Musiktheater nicht
bei uns waren.
nmz: Was wünschen Sie dem BMR zum 30. Geburtstag?
Suder: Ich wünsche ihm, dass er lebendig und streitbar bleibt,
dass er an innerem Zusammenhalt gewinnt und dass er sich seine
kompetente Stimme und seine politische Wirksamkeit erhält.
nmz: Und Ihre persönliche Bilanz? Suder: Ich kann ein wenig stolz behaupten, dass
es im Bayerischen Musik-
rat dauerhaft gelungen ist, Partikular-interessen so auszutarieren,
dass wir mit einer Stimme sprechen konnten. Dieses Miteinander
war das Geheimnis unseres Erfolges. Und ganz persönlich: Diese
musikpolitische Arbeit hat mir vom ersten bis zum letzten Tag unglaublich
viel Spaß gemacht!