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nmz-archiv
nmz 2007/10 | Seite 44
56. Jahrgang | Oktober
Magazin
Mut und Ambition – Respekt!
Zehn Jahre ensemble courage – ein Porträt
Es ist schon erstaunlich, dass ausgerechnet in Dresden, dem ewigen
Hort vorgestriger Behäbigkeit, immer mal wieder ein Vorstoß zu „neuen
Ufern“ und eben auch musikalisch visionär in die Moderne
gewagt wird. Offenbar gehört nicht nur Mut dazu, der sowieso,
sondern wohl auch ein Heißhunger nach Gegenwart inmitten
barocker Angestaubtheit. In den zurückliegenden Jahrzehnten
gab es jedenfalls eine Reihe von Neugründungen, denen inzwischen
einiges Renommee zuzusprechen ist.
Ensemble
Courage.
Zu internationaler Berühmtheit aufgestiegen ist ja sehr rasch
das 1986 gegründete Dresdner Zentrum für zeitgenössische
Musik – es mutierte inzwischen zum Europäischen Zentrum
der Künste Hellerau und residiert auf dem großspurig
schon mal als „Grünen Hügel der Moderne“ bezeichneten
Gelände des Festspielhauses Hellerau.
Mit diesem eng verbunden ist auch das nunmehr seit zehn Jahren
bestehende ensemble courage. Nicht nur die dort gegebenen Auftrittsmöglichkeiten
vor den Toren der sächsischen Landeshauptstadt, sondern auch
ein vitales Klima der Erneuerung und der Verflechtung mit anderen
Zentren des Gegenwärtigen mögen guter Grund dafür
sein. Höchst sinnstiftend ist natürlich die Personalunion
von Intendant Udo Zimmermann – er rief (gegen einigen Widerstand)
das Dresdner Zentrum ins Leben, wertete es nach gefallenen Grenzen
vollmundig zu einem Europäischen auf und wurde seiner Verdienste
wegen auch nach München zum Bayerischen Rundfunk geholt, wo
er es bestens verstand, die einst von Karl Amadeus Hartmann ins
Leben gerufene Reihe musica viva nachhaltig zu reanimieren.
Längst sind dies alles auch Tätigkeitsfelder des ensemble
courage. 1997, vor in der Tat schon einem ganzen Dezennium, wagten
junge Musikerinnen und Musiker, ausnahmslos Instrumentalisten,
den Sprung ins Gruppendasein. Das gute Dutzend der exzellenten
Interpreten steht seit 2000 unter der künstlerischen Leitung
von Titus Engel. Es fand regelmäßig Gehör und guten
Betätigungsboden in Dresden und Hellerau, etablierte sich
zuverlässig als feste Größe bei aufgeschlossenen
Veranstaltern und deren Publikum sowie längst auch im Rundfunk.
Für seine Uraufführungsmühen und -qualitäten
ist es gebührend mit Lorbeer bedacht.
Selbst renommierte Preise – und keinen zu Unrecht – hat
es kassiert: 2001 den Förderpreis der Ernst-von-Siemens-Stiftung
und 2004 den der sogenannten Landeshauptstadt Dresden. Da sind
Verwaltungsbeamte einmal gut beraten gewesen, haben denen, die
sich mit deutlichen Spuren ins Kulturleben zeichneten, adäquate
Würdigung zukommen lassen. Denn mit Projekten wie Gerhard
Stäblers „Changes“ (1999), mit szenisch gestalteten
Kurzopern zu den Dresdner Tagen der zeitgenössischen Musik
(2004), mit der Uraufführung von Chaya Czernowins „Pilgerfahrten“ (2006,
gemeinsam mit einer so traditionsreichen Institution wie dem Dresdener
Kreuzchor!) hat sich der Verein längst in die musikalische
Stadtgeschichte eingeschrieben. Und auch weit darüber hinaus.
Dass letzteres Werk zur musica viva im Februar eine weitere Aufführungsgelegenheit
findet, verdient gesondert Respekt. Doch schon zu den diesjährigen
Dresdner Tagen der zeitgenössischen Musik setzt das Ensemble
erneut wichtige Säulen ins Programm, spannt den Bogen von
den heute um die Dreißigjährigen bis hin zu Iannis Xenakis.
Chance für junge
Komponistengeneration
Dank des ensemble courage hat die junge und jüngste Komponistengeneration
eine wichtige Chance nicht nur der Aufführung schlechthin,
sondern der wirklich kompetenten Beachtung und Verbreitung. Diese
Chance kommt selbstredend auch den Interessenten neuer Musik qualitätsvoll
zugute. Gerhard Stäbler, Michael Hirsch, Charlotte Seither,
selbstredend auch Gründungsinitiator Benjamin Schweitzer zählen
zu den bevorzugten Autoren. Aber auch „Exoten“ – Komponisten
aus Finnland etwa oder in besonderer Weise das mittelasiatische
Schaffen der Jüngeren – werden gründlich gesucht,
behutsam entdeckt und profund umgesetzt.
Waren in den Anfangsjahren deutliche Startschwierigkeiten zu
verzeichnen, so zählt das couragierte Ensemble spätestens seit dem
Jahr 2000 zu den unverzichtbaren Mitwirkenden und Gestaltern der
zeitgenössischen Szene. Neben den Gegebenheiten vor Ort – die
Dresd-ner Tage der zeitgenössischen Musik, die von der Kulturstiftung
der Dresdner Bank unterstützte Reihe „Global Ear“,
Konzerten in so kunstsinnigen Institutionen wie der Baumwollspinnerei
Leipzig und der Sächsischen Akademie der Künste – sind
es zunehmend auch exklusive Auslandsgastspiele, bei denen sich
das Ensemble seinen hervorragenden Ruf eingespielt hat. Natürlich
gehören die Darmstädter Ferienkurse dazu, ebenso Festivals
wie Time of Music im finnischen Viitasaari, das Festival im fernen
Taschkent ...
Zur CD-Präsentation „Projekt 21“ wurde dem Ensemble
bescheinigt, es sei ein Glücksfall im musikalischen Alttag
nicht nur von Dresden und Darmstadt. Für das kommende Jahrzehnt
seien viele weitere Auftrittsmöglichkeiten gewünscht.